Müggelheimer Bote
9. Jahrgang, Ausgabe 3/2003
März 2003
Müggelheimer Bote

Inhalt
Eltern von Schulanfängern sind besorgt
Ein Bekenntnis zum Frieden
Klootscheeten - ein holländischer Freizeitspaß erobert Müggelheim
Aufstieg und Fall der ehemaligen Gaststätte Krampenburg
Superstar Willi ohne Konkurrenz
Schönefeld: Entscheidung zur Privatisierung immer noch offen
Sportlergrößen: Radrennfahrer "Hanne" Weihe
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Schönefeld: Entscheidung zur Privatisierung immer noch offen

Es ist zwar noch nicht amtlich, aber es war bereits vor einem halben Jahr zwischen den Zeilen des „Letter of Intent” zu erahnen: Die seit rund zehn Jahren geplante Privatisierung der Berlin Brandenburg Flughafen Holding GmbH (BBF) inklusive der Vergabe des Bauauftrags für einen neuen internationalen Großflughafen der Region stehen jetzt unmittelbar vor dem Scheitern. Das Vergabeverfahren wird also ohne Zuschlag beendet werden, nachdem zuletzt nur noch ein einziger Bieter am Verfahren beteiligt war und von einer Wettbewerbssituation überhaupt keine Rede mehr sein konnte.

Das Verfahren hatte 1996 mit einer internationalen Ausschreibung und großen Erwartungen begonnen, nachdem sich die Gesellschafter der BBF im Mai 1996 mit ihrer „Gemeinsamen Empfehlung” (fälschlich auch als „Konsensbeschluss” bezeichnet) für den Bau des neuen Flughafens entgegen dem Rat von Fachleuten auf den ungeeigneten Standort Schönefeld festgelegt hatten. Als jedoch Ende 1999 noch immer keine rechtssichere Privatisierung in Aussicht war, entschloss sich die BBF gezwungenermaßen, das Planfeststellungsverfahren für den Flughafenbau von der Privatisierung zu trennen und den Antrag zur Planfeststellung selbst zu stellen. Spätestens mit der durch sachfremde Erwägungen zustande gekommenen Empfehlung des Standortes Schönefeld ist das Projekt immer tiefer in die Sackgasse manövriert worden. Nur politische Eitelkeit und Wunderglaube haben bisher verhindert, dass die Verantwortlichen dies auch öffentlich eingestehen.

Nachdem nun also nicht mehr zu erwarten ist, dass das hochgesteckte Ziel eines privaten Flughafenbaus erreicht werden kann, sind Überlegungen über Alternativen sehr in Mode. Berliner Politiker vermitteln gegenwärtig den Eindruck, als würde der Flughafenbau mit öffentlichen Mitteln schon immer eine vernünftige Lösung gewesen sein. Leider erzählen sie, wie so oft, nur die halbe Geschichte. Herr Sarrazin beziffert beispielsweise den Berliner Anteil an den Baukosten mit rund 240 Mio EUR. Man errechnet leicht, dass er offenbar von Gesamtbaukosten in Höhe von etwa 650 Mio EUR ausgegangen ist. Die Täuschung der Öffentlichkeit ist perfekt, wenn man bedenkt, welche Kosten er dabei unberücksichtigt ließ: Schadenersatzforderungen der Bieter, Kosten für die Umsiedlung, den Lärmschutz und Entschädigungen, den Ankauf von privaten Grundstücken, Kosten für die Altlastenbeseitigung, Kosten aus Auflagen im Planfeststellungsbeschluss und für die Verkehrsanbindung, Prozesskosten für gerichtliche Auseinandersetzungen und die möglichen Kostenrisiken, falls sich der geplante Flughafen nicht zu einem Drehkreuz entwickeln sollte. Fachleute rechnen mit Gesamtkosten von mindestens 5 Mrd. EUR, wenn man berücksichtigt, dass die kalkulierten Baukosten der öffentlichen Hand typischerweise um mehr als 30 % überschritten werden. Es ist schon überraschend, mit welcher Dreistigkeit die Berliner von den politisch Verantwortlichen für dumm verkauft werden sollen. Weiß Herr Sarrazin eigentlich etwas von der bevorstehenden Entscheidung des Brandenburgischen Landesverfassungsgerichtes, die die juristischen Grundlagen des Planfeststellungsantrages hinfällig machen könnte? Kennt er den neuen Entwurf des LEP FS, in dem wiederum versucht wird, den Standort Schönefeld ohne Abwägung juristisch festzuschreiben, was weitere gerichtliche Auseinandersetzungen mit den betroffenen Gemeinden nach sich ziehen wird? Kennt Herr Sarrazin überhaupt die großflächige Dioxinverseuchung in der Umgebung des Klärwerkes Diepensee, deren Ausmaß noch nicht einmal den Brandenburgischen Behörden genau bekannt ist, weil sie das Problem mit dem Bau des Flughafens buchstäblich begraben wollten? Und hat Herr Sarrazin sich jemals mit den gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm auf lebende Menschen beschäftigt und sucht er vielleicht ab und zu Erholung am Ufer der Dahme? Oder hat sich Herr Sarrazin schon einmal überlegt, was Berlin wohl mit einem Flughafen anfangen kann, der zwar gebaut, aber nachts nicht oder nur eingeschränkt betrieben werden darf?

Ob sie nun Stolpe, Diepgen, Linde, Sarazzin, Wolf oder Wowereit heißen – eins steht fest: Sie wissen nicht, was sie tun. Wer immer pessimistisch glaubt, der bisherige Dilettantismus dieser Politiker in Flughafenfragen sei nicht mehr zu übertreffen, dem sei gemeinsam mit Herbert Burmeister optimistisch zugerufen: Doch, doch!

Der Bieter wird nun die Zeit für die Berechnung seiner Forderungen nutzen. Bereits im „Letter of Intent” ist ihm eine Entschädigung für die eingesetzten Eigenmittel und die Entwicklungs- und Planungskosten in Höhe von insgesamt 60 Mio. EUR inklusive einer angemessenen Verzinsung zugesichert worden – deren Höhe „von den Parteien nicht mehr in Frage gestellt wird”. Man kann davon ausgehen, dass weitere Kostenforderungen, z.B. Schadenersatz für entgangenen Gewinn, auf die Gesellschafter zukommen werden. Diese werden jetzt wahrscheinlich ihr Heil in der Flucht nach vorn suchen und so tun, als sei der Planfeststellungsbeschluss nur noch eine Formalität und die Errichtung einer Gelddruck- und Jobmaschine mit Start- und Landebahn genau das, was Berlin gerade noch braucht.

Dieser Satz von Berthold Brecht, der mir kürzlich wieder begegnet ist, passt gut als Schlusssatz: „Daß Du Dich wehren musst, wenn Du überleben willst, das siehst Du doch wohl ein?” Also, liebe Müggelheimer, wehren wir uns! Gunnar Suhrbier, Müggelheim