Müggelheimer Bote
10. Jahrgang, Ausgabe 10/2003
Oktober 2003
Müggelheimer Bote

Inhalt
Staustufe rot - geht bald nichts mehr?
Von Parforce-Jagden und satirischen Ergüssen
Der Mügge-Club ist wieder da
Nach der Arbeit kam das Vergnügen
Neues vom geplanten Großflu(ch)hafen Schönefeld
... und der Saal kochte
Der Tag der Geister und Vampire naht: Halloween
Tag der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft
Fontane-Lesung im Müggelheimer Dorfclub
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
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Müggelheimer Bote
 

„Hinter dem Berg wohnen noch Leute, mitunter noch ganz andere“

Fontane-Lesung im Müggelheimer Dorfklub war voller Erfolg

Im Müggelheimer Dorfklub mussten am 3. September Stühle aus den Nebenräumen herbei geschafft werden um den mehr als siebzig Zuhörern einen Platz zu bieten, die zu den Ausführungen Dr. Gotthard Erlers zur Theodor Fontane-Biografie gekommen waren. Vortrefflich hatte sich der in Müggelheim lebende Erler auf sein Publikum eingestellt und vorbereitet. Amüsant und locker plauderte er über Begebenheiten aus Fontanes Leben, über dessen Schaffen und Wirken im preußischen Deutschland.

Mit Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ hat sich Erler als Herausgeber und Fontane-Forscher jahrzehntelang befasst. Als leitender Mitarbeiter des Aufbau-Verlags (seit 1964) und späterer Geschäftsführer des Verlages (bis 1998) hat sich der 70jährige Germanist besondere Verdienste erworben.

Fontanes Vorfahren waren Hugenotten, die sich bereits Ende des 17. Jahrhunderts in Brandenburg ansiedelten. Als erster Sohn des Apothekers Louis Henri Fontane kam Theodor Fontane 1819 in Neuruppin zur Welt. Wie sein Vater wurde er zunächst Apotheker.

Seine erste Novelle „Geschwisterliebe“ wurde 1839 im „Berliner Figaro“ veröffentlicht. Weniger bekannt ist, dass Fontane 1843 Shakespeares „Hamlet“ übersetzte und zur „Steigerung des preußischen Ansehens“ als Presseagent von 1855-58 in London und Schottland tätig war. Fontane schrieb Reiseberichte, Reportagen, Feuilletons, Balladen, Gedichte und Erzählungen neben seinen legendären bekannten Romanen. Er beteiligt sich an den Straßenkämpfen des März-Aufstandes der Demokraten 1848, was er später allerdings herunterspielt.

Der preußische Dichter setzte sich mit den Problemen des Bürgertums und des Adels, dem letzteren oft mit leichter Ironie, auseinander.

Der Roman „Effi Briest“: eine Parallele wurde in seiner Zeit zu Gustave Flauberts „Madame Bovary“ gezogen. „Effi Briest gilt als einer der wichtigsten Romane des poetischen Realismus in Deutschland. Der poetische Realismus steht seinerseits im Kontext realistischer Literatur in ganz Europa mit dem gemeinsamen Anliegen, die poetische Verdichtung der zeitgenössischen Lebensumstände und die Kritik an überkommenen gesellschaftlichen Verhältnissen zum Thema hat. In diesem Zusammenhang wird neben Leo Tolstojs ‘Anna Karenina’ stets Flauberts ‘Madame Bovary’ als Parallele und Vorläufer zu ‘Effi Briest’ genannt.“

Fontanes letzter und reifester Roman „Der Stechlin“ (1897) erscheint ein Jahr vor dem Tod des Dichters. Theodor Fontane stirbt am 20. September 1898 in Berlin. „Mathilde Möhring“ wird 1906 in der „Gartenlaube“ veröffentlicht.

Im Buch „Von Rheinsberg bis zum Müggelsee“ sind die schönsten Kapitel aus den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ von Gotthard und Therese Erler (Herausgeber) zusammengestellt. Hier erfährt der erstaunte Leser, dass der Poet absolut nicht gern zu Fuß ging. Seine Wanderungen seien mehr erfahren als erlaufen. „Dies nutz- und endlose Durch-die-Straßen-Traben ist mir verhasst“, schrieb er 1856. Aus Italien (1875) ließ er verlauten: „Das Beste ist fahren; mit offenen Augen vom Coupé, vom Wagen, vom Boot, von der Pferdedroschke aus die Dinge an sich vorüberziehen lassen, das ist das A und O des Reisens. Was noch übrig bleibt ist Sache des Studiums . . .“ Eine bewährte Reisemaxime Fontanes lautete: „Man sieht nur was man weiß“.

Der Dichter beschreibt den Blick von den Müggelbergen auf den Teufelssee, das Übernachten in den am Müggelsee gelegenen dürftigen Müggelbuden und abenteuerliche Fahrten auf dem Müggel. Sein Zitat: „Hinter dem Berg wohnen noch Leute, mitunter noch ganz andere.“, hat nichts eingebüßt.

Zum Abschluss des Vortrages bekam Dr. Gotthard Erler stürmischen Beifall im Klub, es klang nach Zugabe. Eine kleine Anregung vielleicht, den eigenen Bücherschrank zu lüften und sich einem der meisten zeitlosen Bücher des großen preußischen Dichters zu widmen. Gisela Winkelmann