Müggelheimer Bote
10. Jahrgang, Ausgabe 3/2005
März 2005
Müggelheimer Bote

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Inhalt
Abriss auf Werksteingelände hat begonnen
Kita "Bienenhaus" wird erweitert
Schönefeld: Landesentwicklungsplan für unwirksam erklärt
Sozialbündnis: 15 Jahre Miteinander
Frohe Ostern und einen schönen Frühlingsanfang!
Beagle-Spaziergang zum "Grünen Gipfel von Berlin"
Fragen und Antworten der "Schlaumeier"
Fasching in Müggelheim
Es bleibt dabei: M69 fährt nicht durch die Altstadt
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Erinnerung an einen besonderen Garten

von Marianne Schäfer

In der Natur ist Ruhezeit, auch wir genießen die Ruhe, da jetzt im Garten nichts zu tun ist. Zeit zum Planen und zum Nachdenken. Meine Gedanken gehen viele Jahre zurück. 1938, ich war gerade drei Jahre alt, da kauften meine Eltern ein Grundstück in Müggelheim. Es gehörte zur Heimgarten Siedlung und war ein Stück Natur mit Kiefernbäumen bestanden.

Mein Vater fällte zunächst einige Kiefern, zog die Stubben an Ketten mit dem Auto heraus. Dann wurde der Maschendrahtzaun errichtet. Im nächsten Frühjahr pflanzte unser Vater schon die ersten Spalierobstbäumchen um drei Grundstücksgrenzen. Zuvor hatte er eine Beregnungsanlage in 0,80 m Höhe auf Stempeln stehend gebaut. Jeweils zwischen einem Bäumchen war eine Düse, unter dem Rohr. Erst danach baute er das Kellergeschoss und darauf das Wochenendhäuschen. Später beschäftigte er sich mit der Gestaltung des Gartens. Das Gelände des Grundstücks war nicht eben. Er nutzte das, so dass der höher gelegene Vorgarten, in dem später das kleine Bienenhäuschen stand, mit einer Trockenmauer aus Rüdersdorfer Bruchsteinen abgefangen wurde. Sie endete in der aus gelben Klinkersteinen gemauerten Treppe mit einer hohen Wange. Hier saßen wir später mit unserer Mutter gerne an Sommerabenden und sangen Volkslieder.

Die zweispurige, leicht abschüssige Einfahrt konnte erst später, mit an Ort und Stelle ausgeführten Betonplatten, dazwischen Rasen, angelegt werden. Wichtig waren unserem Vater zwei Dinge. In der Kriegszeit, als es schon Lebensmittelkarten gab, zusätzlich für die Familie Obst und Gemüse ernten zu können und uns Kindern Lebens- und Spielfläche zu bieten. Er teilte die hintere Hälfte des Gartens in zwei gleiche Flächen und trennte sie durch einen Mittelweg. Beide Rechtecke wurden sauber mit gemauerten Kalksteinen begrenzt. Die linke Fläche wurde Gemüseland und die rechte Seite, mit Blumenkästen ummauert, wurde Rasen. Zwischen zwei großen Kiefern montierte er für uns Kinder eine Schaukel und hinter dem Haus legte er einen Gartensitzplatz an.

Ich erinnere mich, oft habe ich mit meinem Vater die große Apfelrunde, wie ich in Gedanken immer sagte, gemacht. Wenn die beregnungsanlage angestellt war, stäubte leise zischend das Wasser an die Erdfläche der Obstbäume. Manchmal waren ein paar Düsen verstopft, dann klopfte er mit der Hand von unten dagegen und dann sprühten die Düsen wieder.

Jeder Apfel- und Birnenbaum hatte ein Sortenetikett. Aufmerksam wurde jeder Baum betrachtet. Die Knospen, die Blüten, der Fruchtansatz und später die Schwere der Früchte in der Hand gewogen. Alte Apfelsorten wie: Croncels, James Grieve, Gravensteiner, Jakob Lebel, Geheimrat Oldenburg, Cox Orangen-Renette, Landsberger Renette, Kaiser Wilhelm, Goldparmäne, Berlepsch, Baumanns Renette, Minister von Hammerstein, Boskoop und den Ontarioapfel. An Spalier-Birnen Sorten hatte er gepflanzt: Clapps Liebling, Williams Christ, Gute Luise, Köstliche von Charneux, und Gräfin von Paris. Ich wundere mich jetzt selbst, wie vertraut mir die Sortennamen sind und wie lieb die Erinnerung an die gemeinsamen Gartenstunden mit meinem Vater.

Das intensive Erleben, das Wachsen und Werden im Garten, ist das Wertvolle gewesen, das Essen der Früchte war etwas anderes. Später wurden auf der Spiel-Rasenfläche jeweils in den Ecken, noch ein Halbstamm-Süßkirschenbaum, eine Bauernpflaume, eine Birne und ein Apfelbaum gepflanzt. An der hinteren Begrenzung wuchsen dann rote und gelbe Himbeeren. An der linken Seite des Gemüselandes standen Johannisbeer- und Stachelbeer-Hochstämmchen. Hinter dem Zaun an der Straßenfront hatte unser Vater eine Spirea-Hecke gepflanzt. Wenn die hübschen, weißen Blütenrispen erblüht waren, pflückte ich gerne von diesen für die Vase auf dem Frühstückstisch.

Eine ganz andere Erinnerung war die liebevolle Anzucht der Männertreu-Pflänzchen. Dazu hatte unser Vater kleine schmale Kästen gebaut, welche in der Stadtwohnung genau zwischen die Doppelfenster passten. In einem säte er auf dunkler, humoser Erde ganz feinen, braunen Samen aus Tütchen. Über der Badewanne brauste er die Aussaat mit einer kleinen Kanne an. Dann deckte er eine passende Glasscheibe darüber. Nach wenigen Tagen entwickelten sich viele kleine Sämlinge. Sie standen ganz dicht und jedes hatte zunächst zwei kleine Blättchen. Ich habe immer gerne zugesehen. Besonders liebte ich den wunderbaren Duft nach feuchter Erde, wenn er die Glasscheibe hochnahm. Dann bereitete er mehrere Kästen mit Erde vor und darein pikierte er winzige Büschel aus dem Aussaatkästchen. Mein Vater hatte große, kräftige Hände und mich faszinierte, wie vorsichtig er die zarten Pflanzen mit einem Stab aus der Erde hob, um sie dann in Reih und Glied in die neuen Kästen einzusetzen. Zwischen den Doppelfenstern entwickelten sich die Männertreu-Büschelchen wunderbar und wenn kein Frost mehr zu erwarten war, wurden sie im Garten in die vorbereiteten Kästen unterhalb der Trockenmauer im Eingangsbereich und in die Kästen im Mittelweg zum Rasen gepflanzt. Die Liebe zu dem dunlelblauen Männertreu hat er beibehalten, solange er den Garten bearbeiten konnte.

Auf der Gemüsefläche wurden Beete angelegt. Hier wuchsen Grüne Bohnen, auch rankten sich an hohen Stangen Feuerbohnen hoch. Dann gab es noch Tomaten, Radieschen und Zuckererbsen. Später wurde ein Beet mit Erdbeeren angelegt, noch mit der uralten Sorte: „Mieze Schindler.“

In den ersten Jahren fuhren wir nur zum Wochenende in den Garten. Dann, als die Bombenangriffe auf Berlin, im Krieg, immer bedrohlicher wurden, zogen wir alle 1942 in das noch nicht einmal fertige Wochenendhaus. Wasser und Strom waren da, aber keine Toilette und wir Kinder schliefen auf Matratzen auf der Erde im einzigen kleinen Zimmer. Unser Vater arbeitete beinahe Tag und Nacht und bald waren die Toilette und die Treppe nach oben fertig. Dort waren dann zwei winzige Dachkämmerchen für uns Kinder. Unser Bruder wurde geboren und für ihn war kein Platz für ein Bett. Er musste im Kinderwagen schlafen.

Die Bombenabwürfe wurden immer heftiger und die ersten kamen auch in Müggelheim herunter. Die Sirenen heulten „Alarm“. Nachts wurden wir aus den Betten gerissen, schnell anziehen und mit Köfferchen in die ebenerdige Garage. Das war natürlich kein Schutz. So schippte und rackerte unser Vater hinter dem Haus, um dort einen Bunker zu bauen. Aus vielen Kiefernstämmen, welche bei Bombenabwürfen im Wald kreuz und quer gefällt lagen, baute er wie Palisaden den Bunker in die Erde.

Zu dieser Zeit waren beinahe alle Straßen in Müggelheim unbefestigt, also reine Sandwege. Wir Kinder spielten am Tage in dem weißen Sand vom Bunkeraushub, welcher zunächst vor dem Grundstück gelagert war. Aber meine Schwester und ich hatten auch schon unsere Aufgaben. Unkraut jäten! Durch die Anleitung von Vater lernten wir dann auch die anderen Gartenarbeiten. Säen und pflanzen, stützen und anbinden, gießen und hacken. An milden Wintertagen lernte ich auch, wie man Obstbäume schneidet.

Als der Krieg vorbei war, bereitete unser Vater seine neue Tätigkeit als Fuhrunternehmer vor. Aus Schrottautos baute er ein fahrtüchtiges Auto. Nun hatte er gar keine Zeit mehr für den Garten und ich übernahm als älteste Tochter nach und nach diese Arbeiten. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mir dann, nach Beendigung der Schule, eine Lehrstelle als Gärtner gesucht habe. Daher konnte ich manchmal kleine Salat- oder Kohlrabipflanzen mitbringen, später waren es Blumenpflanzen. So wurde unser Gemüsegarten langsam ein Blumengarten.

Ich erinnere mich, dass mein Vater sich ganz besonders über die ersten Tulpenzwiebeln gefreut hat. Es war die Sorte „Appeldorn“ und die späteren Blüten waren so riesig und leuchtend rot, dass die Leute am Zaun stehenblieben und sie bewunderten. Nachdem wir Kinder alle aus dem Haus waren, gestaltete unser Vater den Garten noch mehr um. Jetzt gab es nur noch Rasen und Blumen. Ein großes Rosenbeet und rankende Clematis waren jetzt seine Freude. Aber an dem Konzept mit den Obstbäumen hat er bis zum Schluss festgehalten und wir haben noch manches Mal die gemeinsame, große Apfelrunde in seinem Garten gemacht. Unser Vater hatte ein sehr arbeitsreiches Leben. Er ist 97 Jahre alt geworden.