Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 4/2006
April 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Schönefeld: Genehmigt - aber mit Nachtflugverbot!
Fußgängersteg über die Müggelspree geplant
Der Traum vom Nordkap
Paul braucht Hilfe
Soll die Schule später anfangen?
Der Bote wünscht "Frohe Ostern"!
Aus dem Kritischen Salon Berlin-Müggelheim
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Aus der BVV
Leserbrief
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
Archiv
Müggelheim im Internet
Impressum
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Müggelheimer Bote
 

Gedanken aus Müggelheim

von Ingrid Zweiniger


Der Anlass ist grausam. Deshalb werden sich einige unserer Gedanken in der nächsten Zeit in diesem grausamen Rahmen bewegen müssen.

Meine Gedanken hatten nach der Urteilsverkündung in Leipzig keinen Platz mehr in meinem Kopf. Sie mussten raus. Ich schrieb sie nieder in meinem Tagebuch. Und weil ich knapp eine Woche nach der Urteilsverkündung in Leipzig immer noch nicht zur Ruhe gekommen bin, möchte ich mit Ihnen in einen stillen Dialog treten. Ich vertraue Ihnen meine Gedanken an, weil ich glaube, dass es viele Menschen in Müggelheim gibt, die genauso empfinden und fühlen wie ich.

Hier meine Tagebuchaufzeichnungen: „Donnerstag, d. 16.3.2006 - ein denkwürdiger Tag. Heute wurde das Urteil zum Bau des Großflughafens Schönefeld gesprochen. Der Flughafen wird gebaut, wir haben verloren !!! Mehr als zehn Jahre haben wir gekämpft. Ich müsste nachgucken, wann wir angefangen haben. Ich glaube, seit 1994 sind wir dabei. Heute früh sind wir nach Leipzig gefahren. Der Saal war gerammelt voll. Gegen 11.14 Uhr wurde das Urteil gesprochen. Der Bau ist rechtlich, Auflagen zum Lärmschutz gibt es. Es ist ein Nachtflugverbot von 0-5 Uhr angedacht. Die Beklagten (BBI) haben vom Gericht die Auflage erhalten, die Belange des Lärmschutzes in Ordnung zu bringen.

Während der Verkündung des Urteils mussten wir alle aufstehen. Mir war übel, Tränen kamen. Ich fühlte mich ohnmächtig, klein, wertlos. Ich war nicht in der Lage, einer Reporterin Rede und Antwort zu stehen. Die Tränen wollten raus. Ich konnte nicht sprechen.

Mein Fazit: Auch Gerichte und Richter sind manipulierbar. Die Politik hat wieder einmal das Machtwort gesprochen. Ich wollte es nicht glauben. Aber es ist so. Jetzt ist es 22.30 Uhr. Ich bin immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Mir ist übel.

Heinz ruft gerade an. Er hat mich im Fernsehen gesehen. Ich gehe jetzt ins Bett. Muss endlich zur Ruhe kommen. Vielleicht kann ich heulen, damit der Druck rauskommt aus meinem Körper, von dieser Spezies Mensch, die einfache, menschliche Werte außer Kraft gesetzt hat. Werte wie Würde, Ehrlichkeit, Ehre, Verantwortung, Gerechtigkeit. Das sind nur einige Worte, die innerhalb einer Stunde vom Gericht zertrampelt wurden.

Ich hätte mir gewünscht, dass alle, die heute über unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder und Enkel entschieden haben, etwas mehr Achtung vor unserem Lebensraum gezeigt hätten. Ein Lebensraum, der in den nächsten Jahren nicht von Naturkatastrophen zerstört wird, sondern von Menschen. Menschen die es nicht wert sind, als solche bezeichnet zu werden.

Schluss jetzt. Ich gehe endgültig ins Bett.“