Müggelheimer Bote
5. Jahrgang, Ausgabe 06/99  
Juni 1999 Home  |  Archiv  |  Impressum


Inhalt

Informationen unter Protesten

Müggelheimer BVBB-Gruppe wählte Sprecher

Alles vorbei oder noch alles möglich? Denkanstöße zum Flughafen-Verfahren

Vom Holzfäller zum Oberförster

Großer Andrang bei Baustadtrat Scholz

Vereine im Profil: Paddelschwingend durch die eisfreie Wasserzeit

Persönlichkeiten: Ein kämpferisches Herz für Benachteiligte

Nichts mit Jungen am Hut: Neue Mädchengruppe hat auch so Spaß

Weitere Meldungen
Rubriken

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Meinung

Kleinanzeigen

Sportsplitter

Aus den Vereinen

Mügge

Serie für den Natur- und Gartenfreund

Märchen aus dem Müggelwald

© 1999 Müggelheimer Bote

Zuletzt aktualisiert am 24.09.1999

webredaktion@mueggelheimer-bote.de

Alles vorbei oder noch alles möglich?

Denkanstöße zum Flughafen-Verfahren

In vielen Gesprächen mit Nachbarn, Freunden und Kollegen begegnet mir seit geraumer Zeit immer wieder die Ansicht, daß man gegen den Ausbau des Flughafens Schönefeld sowieso nichts mehr tun könne. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell sich meine Mitmenschen dabei mit einer enormen Verschlechterung ihrer Umweltsituation abfinden, ohne ihre Chancen auf Widerstand auch nur ansatzweise zu kennen oder gar genutzt zu haben.
Diefolgenden Denkanstöße sollen Sie zum Überlegen anregen, zum Gedankenaustausch mit betroffenen Mitmenschen einladen und vor allem zum Handeln auffordern. Ich rufe Ihnen zu: Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen und fallen Sie nicht auf einseitige „Der-Weg-ist-frei”-Meldungen rein! Nutzen Sie unbedingt die bevorstehende einmalige Chance, daß Projekt durch legitime Eingriffe in das Planfeststellungsverfahren zu stoppen! Überlegen Sie, wieviel Ihnen Ihre Gesundheit Wert ist und welche Ihrer Rechte Sie auch vor Gericht durchsetzen wollen. Sprechen Sie mit Ihren Nachbarn über Ihre Ängste und suchen Sie den Rat von kompetenten Interessengruppen, versierten Mitbürgern und Fachleuten, um sich sachkundig zu machen! Fragen Sie, wenn man Sie über den Flughafenausbau informieren will, nicht nur nach technischen Details der Planungen, sondern informieren Sie sich vor allem über Ihre Rechte als Gegner des Ausbaus!
Vergegenwärtigen Sie sich, daß Sie die versprochenen Arbeitsplätze mit Ihrer Gesundheit und dem Verlust von Lebensqualität werden bezahlen müssen!

Denkanstöße zum Ausbau des Flughafens Schönefeld

1. Jeder Bürger dieses Landes hat gemäß Grundgesetz Artikel 2 (2) das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Bereits 1981 hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluß zu einer Klage zweier Flughafengegner aus Düsseldorf eingeräumt, daß durch Fluglärm eine nicht unerhebliche Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit zu befürchten sei und der Gesetzgeber deshalb die Verpflichtung habe, Bürger durch bestehende Maßnahmen vor den gesundheitschädigenden Auswirkungen des Fluglärms zu schützen. Der Gesetzgeber sei darüberhinaus verpflichtet, die getroffenen Lärmschutzvorkehrungen nachzubessern, wenn erkennbar sei, daß die ursprünglichen gesetzlichen Regelungen nicht mehr wirksam sind.
2. Eine Anhörung von Sachverständigen vor dem Verkehrsausschuß des Bundestages am 12. November 1997 ergab, daß das 1971 inkraftgetretene Fluglärmschutzgesetz ungeeignet ist, Gesundheitsgefährdungen der Menschen in Flugplatznähe zu vermeiden. Die Bundesregierung müsse aufgefordert werden, dem Parlament zu Beginn der gegenwärtigen Legislaturperiode Vorschläge zur Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes zu unterbreiten. Das ist bisher nicht geschehen. Ein Planfeststellungsbeschluß, in dem diese Sachlage nicht gewürdigt und auf dieses längst von der Entwicklung überholte Gesetz zurückgegriffen wird, dürfte einer gerichtlichen Nachprüfung keinesfalls standhalten.

Die Plakataussagen sind kurz und prägnant Foto: Solga

3. Der Betrieb des derzeitigen Flughafens Schönefeld basiert auf einer zeitlich unbefristeten und an keine Auflagen zum Lärmschutz gebundene Betriebsgenehmigung des Ministeriums für Verkehrswesen der ehemaligen DDR vom 20. September 1990. Der hier in Schönefeld gegenwärtig zugelassene uneingeschränkte 24-Stunden-Betrieb für Kapitel-3-Flugzeuge - eine in der Bundesrepublik einmalige Situation - ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Ausbauplanung für den Flughafen. Gelingt es, aus Gründen des Lärmschutzes im Planfeststellungsbeschluß oder vor Gericht eine Einschränkung des Flugbetriebes oder ein generelles Nachtflugverbot durchzusetzen, verliert jeder Investor sehr schnell das Interesse an dem Projekt, weil seine Aussicht auf Gewinne und Wettbewerbsvorteile empfindlich beeinträchtigt wird.
4. Die menschlichen Sinnesorgane sind für die Messung physikalischer Größen nicht geeignet. Ein Mensch kann sich vielleicht noch die Helligkeit des Tageslichts an einem sonnigen Frühlingstag oder die Körpertemperatur eines Menschen vorstellen, einen mittleren Dauerschallpegel von 67 dB(A) dagegen kaum. Dauerschallpegel dieser Werte und Überflüge etwa alle 90 Sekunden konnte man bisher in Müggelheim nicht erleben. Deshalb können sich sehr viele Mitbürger das mögliche Ausmaß der zukünftig drohenden Umweltzerstörung nicht vorstellen. Eines ist sicher: Wenn Sie von den heutigen Flugbewegungen in Schönefeld ausgehen und denken, es werde schon nicht so schlimm werden, so irren Sie sich. Es wird weitaus schlimmer sein, als Sie es sich vorstellen können!
5. Für die Errichtung und Erweiterung von Flughäfen gibt es seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik gesetzliche Grundlagen. Zunächst ist ein Raumordnungsverfahren zur Standortbeurteilung vorgeschrieben. Es wurde in diesem Fall vom zuständigen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg im November 1994 abgeschlossen und führte zu folgendem Ergebnis: Der Standort Schönefeld-Süd wurde aus landesplanerischer Sicht abgelehnt, die Standorte Sperenberg und Jüterbog dagegen wurden als grundsätzlich geeignet beurteilt.
Die zweite Hürde ist das bevorstehende Planfeststellungsverfahren, in dessen Verlauf unter anderem die Einwände aller Beteiligten geprüft und beantwortet werden müssen. Gegen den zum Abschluß dieses Verfahrens verabschiedeten Planfeststellungsbeschluß ist Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin möglich.
6. Am 28. Mai 1996 unterzeichneten die Politiker Wissmann, Stolpe und Diepgen eine „Gemeinsame Empfehlung” zum Standort Schönefeld. Seitdem wird diese Empfehlung in der Öffentlichkeit absichtlich und irreführend als angeblich nicht aufzuhebender „Konsensbeschluß” bezeichnet. Konsensbeschlüsse von Politikern sind jedoch nur ein Versuch, mit Hilfe von Investoren, der von Medien beeinflußten öffentlichen Meinung und agilen Interessenvertretern vollendete Tatsachen zu schaffen. Empfehlungen dagegen sind nichts anderes als politische Willenserklärungen, die rechtlich gesehen für das Genehmigungsverfahren keinerlei Bedeutung haben. Durch Ausschöpfen aller gesetzlichen Möglichkeiten sind kluge Bürger sehr wohl fähig, auch ohne politisches Mandat Empfehlungen von Politikern und Entscheidungen von Beamten durch Gerichte überprüfen und korrigieren zu lassen.
7. Der Chef der Brandenburgischen Staatskanzlei, Dr. Jürgen Linde, betonte während der Informationsveranstaltung am 10. März 1999 im BVV-Saal des Köpenicker Rathauses, daß beim Scheitern des Standortes Schönefeld aufgrund eines negativen Planfeststellungsbeschlusses ein Flughafenausbau in Sperenberg jedenfalls nicht in Frage käme, da dann Konkurrenz in Sachsen (Leipzig) und in Sachsen-Anhalt (Altmark) „schon da sei”. Diese bemerkenswert konsequente Einsicht steht in überraschendem Gegensatz zu der Vehemenz, mit der der als nicht geeignet eingestufte Standort Schönefeld von den zuständigen Politikern noch immer bevorzugt wird.
8. Das bevorstehende Planfeststellungsverfahren ist die weitaus wirksamste Möglichkeit für alle betroffenen Bürger, sich persönlich gegen das Projekt zu äußern. Wer sich von dem geplanten Vorhaben betroffen fühlt, kann während der einmonatigen Auslegungsfrist der Unterlagen und bis zu zwei Wochen danach seine Einwände an Ort und Stelle mündlich zur Niederschrift vortragen oder auch schriftlich einreichen. Nur dadurch kann jeder Bürger erzwingen, daß seine Einwände berücksichtigt und beantwortet werden, daß er an der später folgenden nichtöffentlichen Anhörung teilnehmen kann und daß sich gegebenenfalls seine Ausgangsposition für spätere rechtliche Schritte gegen den Planfeststellungsbeschluß verbessert. Gunnar Suhrbier, Müggelheim

Seitenanfang