Müggelheimer Bote
6. Jahrgang, Ausgabe 05/2000  
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Inhalt

Jetzt werden die Weichen für die Zukunft Müggelheims Gestellt!

Tipps für Einwendungen

Protestkundgebung gegen den Ausbau des Flughafens Schönefeld

Neue Erkenntnisse zur Beeinflussung unserer Gesundheit durch Flugverkehr

Flughafenausbau: Weitere Meldungen

Aufgespießt: Eine Flughafenveranstaltung der anderen Art

Oldtimer, Christoffels-Trunk und Festumzug laden zum Feiern ein

Aufgepasst: Die Seifenkisten rollen wieder

Winzer-Nächte mit Wein und Musik diesmal auf zwei Höfen

Ausstellung zum 100. Geburtstag der Wasserrettungsstation

"Bofi"-Ausstellung mit herzhaftem Lachen eröffnet

Rat, Tat und viel Spaß für die Senioren

Kippe wernsdorf endgültig dicht

Riesen-Zulauf: Chaos rund ums Recycling-Mobil

Mitraten erlaubt!

Weitere Meldungen
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© 2000 Müggelheimer Bote

Zuletzt aktualisiert am 06.05.2000

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Neue Erkenntnisse zur Beeinträchtigung unserer Gesundheit durch den Flugverkehr

1. Lärm

Lärm schädigt die Gesundheit bereits unterhalb der Schwelle, die zur Zerstörung des Hörorgans führt. Das ist den Müggelheimern seit dem Vortrag von Prof. Maschke bekannt. Bei diesem Vortrag wurden neueste Erkenntnisse vorgestellt, die eine wissenschaftlich-experimentell begründete Erklärung für dieses Phänomen liefern.

Die Politik, quer durch alle Lager, tut immer wieder sehr überrascht und versucht den Anschein zu erwecken, als seien diese Erkenntnisse so neu, dass man sich gar nicht hätte so schnell darauf einstellen können, auch wird schnell einmal erklärt, vorhandene, ältere Studien seien wissenschaftlich unhaltbar, wenn sie den Politikern nicht in den Kram passen.

Den Wissenschaftlern, die retrospektiv, also im Nachhinein, Unterschiede z.B. der Sterblichkeit oder der gesundheitlichen Belastung zwischen lärmbelasteten und ruhigeren Gebieten herausgefunden hatten, wurde immer wieder methodisch Unzulänglichkeiten vorgeworfen. So ist ein Argument, das die Glaubwürdigkeit dieser Studien anzweifelt, die Überlegung, dass unterschiedlich belastete Gebiete auch sozial anders gestaltet seien, so daß hier bereits eine Ursache für Unterschiede in der Gesundheit zu erklären wären.

Bereits Arbeiten aus den Jahren 1983, 1985, 1990 und 1994 dokumentieren die Durchführung einer Studie vom Studienentwurf bis zu den Ergebnissen und Schlussfolgerungen in methodisch einwandfreier Form. So wurden im Vorfeld die notwendigen Rahmenbedingungen, wie z.B. gleiche soziale Verteilung unter den verschieden lärmbelasteten Anwohnergruppen zweier unterschiedlich lärmbelasteter Straßen sehr genau dokumentiert und später auch eingehalten. Das Ergebnis dieser methodisch einwandfreien, prospektiven Studie der Jahre 1984-1989 war, dass die Anzahl der genannten Erkrankungen (Ischämische Herzkrankheiten, degenerativer Myokardschaden, Rhythmusstörungen, Hypertonied d.Verf.) bei den Patienten der lauten Straße doppelt so hoch ist wie bei der durch Verkehrslärm nicht belasteten Gruppe. „3. Zusammenfassend ist festzustellen, dass . . . eine signifikant höhere Rate an Herz-Kreislauf- und insbesondere Hypertoniepatienten in einem durch Verkehrslärm stark belasteten Gebiet gegenüber dem nicht belasteten Gebiet anzutreffen war.” Die Gegenprobe unterstrich den Zusammenhang zwischen Lärm und Krankheit: Nach einer Adaptationsphase von fünf Jahren „Ruhe” konnte eine fast dreifach höhere Genesungsrate ermittelt werden als bei der schon immer ruhig wohnenden Vergleichsgruppe.”

In dieser Studie wurde ein äquivalenter Dauerschallpegel außen am Tag von 76 dB(AI) nachts von 70 dB(AI) in der lärmbelasteten und 60 dB(AI) tags gegenüber 40 dB(AI) nachts in der weniger lärmbelasteten Straße gemessen. Bitte beachten: eine Pegeldifferenz von 10 dB bedeutet eine Verdoppelung des Schalldruckes. Ein wichtiger Unterschied zwischen unserer Situation und der Studie: Straßenlärm kann man ausweichen - Fluglärm nicht!

Hinzu kommt, daß Fluglärm unter allen Lärmquellen u.a. wegen des plötzlichen Auftretens von Fluggeräuschen sowie des im für das menschliche Gehör empfindlichen Bereiches befindlichen Schallfrequenzsspektrums anerkanntermaßen als wesentlich störender empfunden wird als alle anderen Lärmquellen wie Straßenlärm, Staubsaugerlärm o.ä..

Neben vielen anderen Studien zeigt die kürzlich im Handel erschienene Münchener Flughafenstudie, die die einmalige Situation des Umzuges eines Flughafens genutzt hat und Kinder in Gebieten vor und nach dem Umzug der Lärmquelle untersucht hat, dass Kinder in Fluglärm belasteten Gebieten z.T. erheblich schlechtere Lernleistungen hatten als die Kinder aus nicht lärmbelasteten Gebieten.

2. Schadstoffe

Die Zusammensetzung des Flugbenzins, in der Zivilluftfahrt vom Typ Jet A1 genannt, wird weder von den Herstellern noch offiziellen Stellen bekanntgegeben, es gibt keine Vorschriften zur Zusammensetzung oder zur Qualitätssicherung wie beim Fahrzeugbenzin. Die bisher bekannten Inhaltsstoffe wurden von toxikologischen Instituten untersucht. Die genaue Zusammensetzung der Verbrennungsprodukte, insbesondere der organisch-chemischen Verbindungen, ist den Triebwerksherstellern wohl bekannt, es gibt hierzu mit Sicherheit ausführliche Untersuchungen. Diese Ergebnisse sind jedoch auch nach intensiven Recherchen nirgendwo aufzutreiben.

Außerordentlich interessant ist daher, wenn Wissenschaftler sich der Gefahr unterziehen, hinter startenden, landenden und sich auf dem Flughafen bewegenden Flugzeugen im Abgasstrahl hinterherzufahren und die aus den Triebwerken austretenden Gase aufzufangen und zu untersuchen 7. Dies ist, nach mittlerweile 50 Jahren ziviler Düsentriebwerksbau, die erste mir bekannte Untersuchung, die die ausgestoßenen Gase im praktischen Betrieb detailliert gemessen hat.

An organischen Stoffen wurden insgesamt 68 Stoffe sicher identifiziert. Folgende Verbindungen haben eine Massenkonzentration von >0,2 (max. 1,48)mg/m3:

Stoff Massenkonzentration [mg/m3]
n-Decan 1,48
1,2,4-Trimethylbenzol 1,14
Benzaldehyd 1,10
n-Undecan 1,01
n-Dodecan 0,85
n-Nonan 0,76
3-/4-Ethyltoluol 0,69
Benzol 0,69
3-Ethyltoluol 0,68
Phenol 0,66
n-Tridecan 0,57
m-/p-Xylol 0,45
Naphthalin 0,42
2-Methylnaphthalin 0,38
4-Ethyltoluol 0,36
o-Xylol 0,35
n-Tetradecan 0,27
1,2,3-Trimethylbenzol 0,27
Toluol 0,26
1-Methylnaphthalin 0,24
Butylbenzol 0,23
Propylbenzol 0,22

Zur Verdeutlichung: pro Kubikmeter Abgas sind z.B. 0,69 mg Benzol enthalten

Während Stoffe wie Decan etc. als langkettige Stoffe im Allgemeinen als relativ harmlos gelten und als Bestandteile des Benzins bereits bekannt sind (Oktanzahl ist der Prozentsatz des Kohlenwasserstoffes mit 10 Kohlenstoffatomen), gelten Stoffe wie Benzol, Xylol, Toluol etc. als sogenannte ringförmige ungesättigte Kohlenwasserstoffe als z.T. extrem gefährlich, zum größenteil als krebserregend. Als Urologe spüre ich täglich die Auswirkungen dieser Stoffe: Harnblasenkrebs ist das erste Krankheitsbild, das als Folge von Umweltvergiftung erkannt wurde, die sogenannten Anilintumore der Farbenarbeiter der BASF.

Die dargestellten Messwerte sind Mittelwerte aus allen Triebwerken unter allen untersuchten Betriebszuständen. Sie sind geeignet, eine grobe Näherung der zu erwartenden Immission der Giftstoffe in unsere Umgebung zu errechnen. Meteorologische Ereignisse wie Wind, Niederschlag oder Luftdruck beeinflussen lediglich die Entfernung des Niederganges der Schadstoffe und die jeweilige Konzentration, nicht jedoch die Menge des immitierten Schadstoffes. Damit mögen diese Parameter die Betroffenheit dieses oder jenes Grundstückes beeinflussen, sie ändern nicht die Situation für alle Betroffenen.

Bei einer Überflughöhe von 400 Metern über Müggelheim und einem angenommenen Verbreitungswinkel der Schadstoffe unter dem Flugzeug von 90° ist der angenommene Verteilungskorridor der Schadstoffe 400 Meter breit. Die Flugzeuge bewegen sich im Landeanflug bei 300 kmh um etwa 85 Meter pro Sekunde weiter, pro Sekunde werden etwa 5m3 Abgase produziert. Es werden also pro Sekunde 34 000 m2 mit 5m3 Abgas pro Flugzeug belegt, pro Flugzeug kommen also 0,000147 m3 Abgas auf jeden Quadratmeter, pro Flugzeug werden also z.B. 0,16 µg Benzaldehyd pro Quadratmeter ausgebracht.

Das klingt wenig, vernachlässigbar? Rechnen wir das doch auf die maximal möglichen Flugbewegungen von etwa 700 Flugbewegungen täglich hoch, wird pro Quadratmeter TÄGLICH bereits 0,112 mg alleine des einen Giftes ausgebracht, im Jahr sind das 41 mg pro Quadratmeter, ein 800m2-Grundstück bekommt also pro Jahr 32g Benzaldehyd ab. Das allgemein bekannte Argument, „das verdünnt sich ja, ist ja so wenig”, sollte sich jeder genau überdenken. Eine ganz aktuelle Studie stellt weitere bedenkliche Fakten dar: Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt DLR-Institut für Physik der Atmosphäre hat die Nox-Konzentration in Abgasen von Verkehrsflugzeugen im Hinterherflug gemessen. Ein Mitarbeiter dieses Institutes schrieb mir: „Wir haben gefunden, dass die Emissionen von Stickoxiden bei modernen Großraumflugzeugen pro Kilo verbrannten Treibstoffs größer sind als bei älteren und kleineren Flugzeugen.” Wenn uns also erzählt wird, das mit den Flugzeugen wird nicht so schlimm, die Flugzeuge würden ja immer leiser, sollten wir an diesen Fakt denken. Dr. Mathias Solga

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