Serie für den Natur- und Gartenfreund |
Erinnerung an besondere Gärten
Wie jedes Jahr sprangen die Knospen nach etwas Regen über
Nacht auf. Zartes Blattgrün und Blütenknospen entwickelten
sich und beinahe alles blühte auf einmal.
Jeden Morgen mache ich eine kleine Gartenrunde, um die Entwicklung
der Pflanzen zu sehen. Dabei wird hier etwas aufgerichtet, dort
ein Pflänzchen umgesetzt, etwas Unkraut gezupft und natürlich
die neuen Blüten bewundert. Die Apfelbäume blühten
besonders reich und hinter den Rosen am Zaun begannen die Vergißmeinicht
ihre kleinen klar hellblauen Blütchen zu öffnen. Eigentlich
wollte ich schon vor Jahren an dieser Stelle Rasen säen, denn
die anschließende Staudenrabatte ist dann besser zu bearbeiten.
Immer wieder verpasse ich den Zeitpunkt, weil ich mich von den kleinen
Vergißmeinnicht, bis beinahe zur letzten Blüte, nicht
trennen kann. Und dann ist es wieder geschehen. Die ersten Blütchen
haben Samen entwickelt, sie in die Erde fallen lassen und schon
keimen hunderte kleine neue Vergißmeinicht. Ich bringe es
einfach nicht fertig sie umzugraben.
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Ich weiß auch warum. Dieses strahlende Blau mit dem kleinen
gelben Kränzchen in der Mitte, dieses Leuchten im Schatten
der blühenden Obstbäume erinnert mich an den Garten von
Onkel Höhn. Meine kleine Schwester hatte Masern, deswegen wurde
ich zu unserer Tante Else nach Rauchfangswerder gebracht. Eines
Tages ging sie mit mir zu Onkel Höhn. Ein freundlicher alter
Mann in Kordhosen machte uns das Gartentor auf und begrüßte
uns. Ich durfte bis zum Abend bei ihm bleiben und darüber habe
ich mich sehr gefreut, denn der über und über blühende
Garten erschien mir wie das Paradies.
So einen schönen Garten hatte ich noch nie gesehen. Große
blühende Obstbäume standen in den beiden Rasenflächen
rechts und links des Weges. Der Weg war auf beiden Seiten mit einer
Rabatte gesäumt, in der die strahlend blauen Vergißmeinnicht
blühten. Bei leisem Windhauch schneite es weiße Blütenblätter
auf den Rasen, in dem schon die Gänseblümchen weiß
blühten. In der Mitte des Garten stand das Wochenendhäuschen
und vor dem Haus war eine halbrunde Rabatte in der auch Vergißmeinnicht
blühten. Dazwischen standen aber noch drei prächtige Stauden.
An den gebogenen Stielen hingen lauter rosa Herzchen. Hinter dem
Haus befand sich ein Sitzplatz. Die Gartenstühle waren aus
krummen Ästen gebaut. Hier haben wir beide unser Mittag gegessen
und danach durfte ich spielen. Ich habe viele schöne „
Bliemchen“ gepflückt und der Onkel Höhn hat sie
alle in kleine Wassergläschen gestellt. Als meine Tante mich
dann abends abholte, bekam sie alle kleinen Sträußchen
geschenkt. Diesen „Vergißmeinnichtgarten“ hab
ich nie vergessen, so wie es der Name sagt.
Der Garten unserer Tante Else war völlig anders. Hier herrschte
Ordnung. Es war ein sogenannter formaler Garten mit klaren, gleichmäßigen,
geometrische Formen. Das auffälligste war, dass man das Wohnhaus
vom Gartentor aus nicht sehen konnte. Das Gartentor befand sich
in der Mitte der Straßenfront. Das Zaungeflecht war wie Fischschuppen
bogig und über dem Gartentor war auch ein Bogen mit Verzierungen.
Das erste Stück des Weges ging gerade aus. Dann aber teilte
sich der Weg, denn mittig war jetzt ein großes rundes Beet.
Man konnte also rechts oder links herum gehen. In diesem Beet standen
drei große Blautannen, daher konnte man das gelbe Haus mit
den grünen Fensterläden vom Tor aus nicht sehen. Vorn,
in den Grundstücksecken stand je eine hohe Pyramiden-Pappel.
Sie waren so hoch, dass man von Weitem schon den Garten von Tante
Else ausmachen konnte, egal ob vom Wasser oder vom Wald aus. Nachdem
man das Halbrund gelaufen war, setzte sich der gerade Mittelweg
bis zum Haus fort. Vor dem Haus teilte sich der Weg wieder im Bogen.
Man ging den rechten Bogen, denn dort war der Eingang in das Haus.
In der Nähe der Haustür stand eine riesige Kastanie, so
dass der Bereich sehr dunkel war. Ging man an der Haustür vorbei,
rundete sich der Weg wieder bis zur Mitte, wo er dann gerade, als
Mittelachse bis zum Wasser verlief. Alle Wege waren dick mit Perlkies
ausgefüllt. Jeder Schritt durch die rollenden Kiesel war mit
schurrendem Geräusch verbunden. Ich hatte immer Steinchen in
den Schuhen. Die Kieswege wurden von schmalen Rasenstreifen, in
dem dann noch bogige Drahtborten steckten, eingefaßt. In den
angrenzenden Rabatten standen immer abwechselnd Busch- und Hochstammrosen
und erst dahinter rundeten gepflegte Rasenflächen die Struktur
des formalen Gartens ab.
An der zum Wasser führenden Seite des Hauses befand sich eine
wunderbare Veranda. Die unteren Fenster konnte man hoch schieben.
In der Mitte führte eine Flügeltür in den Garten.
Ich liebte diesen sonnigen, gemütlichen Raum. Ein weiches Sofa
mit vielen Kissen war so richtig zum Kuscheln. Hier wurden im Sommer
die Mahlzeiten eingenommen. Vor den Verandafenstern blühten
rote Geranien in Blumenkästen, deren samtige Blätter ich
gerne anfaßte, weil sie so schön dufteten. An der rückwärtigen
Seite des Hauses stand zwischen großen Fliederbüschen
ein Geräteschuppen. Hier wurden die Liegestühle mit dem
extra Sonnendach ordentlich eingestellt, auch der kleine Wagen mit
der Deichsel, den Tante Else immer zum Einkaufen mitnahm. Das Besondere
an diesem Grundstück war natürlich die Lage direkt am
Wasser, dem Großen Zug. Mittig führte ein Steg übers
Wasser, an dessen Ende eine größere, quadratische Fläche
gebaut war. Sie hatte ein Geländer und Bänke. Von hier
aus konnte man die Boote beobachten, denn rechts und links des Steges
wuchs hohes und dichtes Schilf im Wasser.
Ich war damals noch keine vier Jahre alt und doch erinnere ich mich
sehr genau an die Gärten und das Haus von der Tante. Erst jetzt
wird mir bewusst, dass ich einige damalige Eindrücke in meinem
heutigen Garten wieder aufleben lasse. Von Onkel Höhn die Vergißmeinnicht
und von Tante Else einige Elemente des formalen Gartens. MS
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