Müggelheimer Bote
9. Jahrgang, Ausgabe 5/2003
Mai 2003
Müggelheimer Bote

Inhalt
Müggelhof bald eine Investruine?
Waldputzaktion war voller Erfolg
Sonntagsspaziergang der Grünen mit den "stachligen" Müggelheimern
Von Gummimädchen und Break-Dancern
Menschenkette gegen Schönefeld
Nachbarschaftshilfe & Co. von Agentur vermittelt
Angerfest mit Festumzug und Winzernächten
Das neue Waffengesetz
Reisebericht aus Äthiopien II
Mini-Sternwarte in Müggelheim
Neu-Zittau besteht 250jähriges Ortsbestehen
Sportlergrößen im Müggelheim
Frühlingswanderung in Müggelheim
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Leserbriefe
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Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
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Müggelheimer Bote
 
Sportlergrößen in Müggelheim IV

Der Kanurennfahrer, der selbst sein Boot baut: „Schorsch“ Ehrentraut

Von Gisela Winkelmann

Als sportbegeisterter Schüler brachte er schon im Kindesalter beste Noten im Fach Turnen nach Hause. Bereits mit zwölf Jahren war Georg Ehrentraut auf Erfolgskurs. Zunächst spielte er Fußball und wurde 1955/56 mit seiner Mannschaft (SC Aufbau) Bezirksmeister der Knaben im Stadtbezirk Mitte. Hier lebte er mit seiner Mutter, denn der Vater kehrte aus dem Krieg nicht zurück. Dieses Schicksal trugen in jener Zeit tausende Kinder und Mütter in Deutschland.

„Schorsch” Ehrentraut, wie man ihn heute kennt. Foto: Winkelmann

„Wald und Wasser zogen mich immer magisch an. So richtig austoben konnte ich mich als Kind und Jugendlicher auf der Wannsee-Insel Schwanenwerder. Dort hatten wir ein Grundstück direkt am Wasser“, erzählt „Schorsch“ Ehrentraut. Doch damit war 1961, nach dem Mauerbau, Schluss. Als Ersatz zogen Mutter und Sohn von Mitte nach Köpenick ins Grüne. Bereits 1962 fing der Junge mit dem Kanurennsport bei Dynamo-Köpenick an - und erpaddelte sich schnell die ersten Erfolge.

Nach der Schulzeit lernte der Kanute Bau- und Möbeltischler. Doch das genügte ihm nicht, von 1969 bis 1971 absolvierte er eine Zusatzlehre zum Bootsbauer. Lehrmeister war der bekannte Bootsbauer und Europameister im Motorsport, Günter Seidel.

Ehrentrauts sportliche Laufbahn war immer eng verknüpft mit seinem Beruf. Die sportliche Karriere begann im Sportclub Grünau. Dort wurde er als Bootsbauer angestellt. Später, 1980, war er Bootswart der Kanu-Nationalmannschaft und rüstete die Mannschaft mit Kanadierpaddeln aus. Doch das war erst nach einem fünfjährigen Fernstudium zum Diplom-Ingenieur für Holztechnik. „Als alleiniger Hersteller dieser Spezialpaddel trug ich auch allein die Verantwortung für diese Geräte. Vom Entwurf, der Entwicklung, der statischen Berechnung bis hin zum Bauen war ich eingespannt. Ein Paddel kostete damals 300 Mark. Die passenden Boote dazu fertigte die Yachtwerft Berlin“, erinnert sich der Müggelheimer. Schorschs Paddel waren bei Vereinen in Dresden, Rostock, Magdeburg, Brandenburg und Berlin gleichermaßen begehrt.

. . . und damals, mit einem selbstgebauten Boot, das es heute noch gibt. Foto: privat

Einen nicht geringen Anteil an seiner lernfreudigen, beruflichen Entwicklung hatte die damalige Sportstudentin Elke von der DHfK. „Mit Karacho rammte eines Tages eine zierliche junge Frau den Bootssteg. Ihr Boot hatte natürlich einige Blessuren und sie kam zu mir in die Werkstatt zur Reparatur. Zwischen uns hat es sofort gefunkt“, erinnert sich Georg Ehrentraut noch heute gern an das Kennenlernen. Elke Ehrentraut war von 1975 bis 1984 Kanutrainerin. Das Paar feiert noch in diesem Jahr seine Silberne Hochzeit. Zielstrebigkeit und Eigeninitiative sind und waren immer sein Motto. Bei der Firma „Müggelspree“ baute Georg Ehrentraut Polizei- und Sportboote. Im Wintertrainingslager in Johann-Georgen-Stadt betreute er von 1976 bis 1983 die Kanumannschaft als Techniker. 1976 musste er ein halbes Jahr wegen eines Unfalls aussetzen. „Im Trainingslager Klingenthal fuhr ich mit den Skiern beim Abfahrtslauf frontal auf einen schneebedeckten Betonhaufen. Schulterabriss und Schlüsselbeinbruch waren die Folgen. Durch Schwimmen und viel Bewegung war ich nach sechs Monaten wieder fit“, so der unermütliche Sportler.

Seine wichtigsten Siege und Platzierungen
1963: 3. Platz 500m und 1000m XI. Kanu-Regatta in Eberswalde;
Sieger über 500m, Dresdner- Kanu-Regatta;
2. Platz 10.000m Bezirks- meisterschaft Kanu-Berlin
1964: Sieger 4x5000m, III. Berliner Langstreckenstaffel und Sprinterregatta;
Sieger 1000m, Knappensee bei Cottbus;
Sieger 1000m, II. Meissner Kanu-Regatta;
2. Platz 10.000m, Bezirks- meisterschaft Kanu-Berlin;
Sieger 1000m, XII. Kanu- Regatta in Eberswalde
1968: Sieger, Staffel 4x500m IX. Kanu-Regatta in Finow;
Sieger 10.000m, Bezirks- meisterschaft Kanurennsport Berlin
1970: 3. Platz 500m, Bezirksmeister schaft Kanurennsport Berlin

Vergessen wird Schorsch auch nie, als 1978 ein Ruderachter vom Trainingslager der Sportschule Grünau bei einem heimtückischen Sturm auf dem Müggelsee kenterte. Sechs Sportler kamen dabei ums Leben.

Obwohl Georg Ehrentraut ein „alter Kanuhase“ ist, hatte er vor jedem Start Wettkampfangst.

Als er in der Forschungs- und Entwicklungsstelle seines Betriebes arbeiten sollte, lehnte er ab. Dafür wäre eine Parteimitgliedschaft nötig gewesen. 1987 bis ‘88 war er also arbeitsloser DDR-Bürger. Das kam ihm nicht ungelegen, denn seine zweijährige Tochter Claudia war krippenunfähig. Papa Schorsch versorgte ein Jahr lang Kind und Haushalt als Hausmann. Danach arbeitete er beim DFF (Fernsehfunk). Als Dekorationsbauleiter gestaltete er das Jugendstudio 1199 mit aus und war Lehrer an der Betriebsakademie beim DFF. Sein Einfühlungsvermögen für Jugendliche und sein Optimismus befähigten ihn auch für die Arbeit als Ausbilder beim Internationalen Bund für Sozialarbeit (IB bis 1998).

Heute ist er Berufsschullehrer für Holztechnik. Das Kanutraining vernachlässigt er trotzdem nicht. Jeden zweiten Tag sind zehn bis 15 Kilometer mit seinem Kanu auf dem Müggelsee angesagt. Seit zwei Jahren treffen sich die ehemaligen Kanusportler von Rotation Köpenick zweimal in der Woche zum Training. Im Winter hält sich der durchtrainierte Mann mit Ski-Langlauf und Schlittschuhlaufen auf der Krummen Lake fit.

Auf dem Grundstück der Familie Ehrentraut in Spreewiesen gibt es zwar immer viel Arbeit an Haus und Garten. Doch sein Hobby sind die Motorräder: eine BMW, die Yamaha und eine Oldtimer-Sport AWO. Daran bastelt Schorsch in seiner knappen Freizeit.

„Unser Sohn Lutz ist schon fast selbstständig, er studiert Physik. Tochter Claudia war 2001/02 als Austauschschülerin ein Jahr lang in Denver/USA. Mit den Gasteltern haben wir noch gute Kontakte. Im Juni wollen sie uns besuchen. 2004 planen wir dann einen Gegenbesuch - zu meinem 60. Geburtstag. Dort soll es allerdings nur ein kleines Gewässer geben, so dass ich wohl einige Zeit auf meinen geliebten Kanusport verzichten muss“, meint der Sportler schmunzelnd.