Müggelheimer Bote
17. Jahrgang, Ausgabe 1/2011
Januar 2011
Müggelheimer Bote

Inhalt
Winterdienst für Straße zum Müggelhort
Schärferes Winterdienst-Gesetz
Gedanken zur Flughafenpolitik
Initiativen gegen Fluglärm
Winterimpressionen in Müggelheim
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Aus der BVV
Polizeibericht
Leserbriefe
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Mir reichts!

Gedanken aus Müggelheim zur Flughafenpolitik

von Klaus Breiler, Pilot i.R.

Die Geschichte begann am 19. Januar 1989 mit einer Pressekonferenz und folgender ADN-Meldung: "In enger Zusammenarbeit zwischen Interflug und Lufthansa soll ein weiterer Großflughafen entstehen. Darüber informierte in Schönefeld der Präsident der Interflug Dr. Klaus Henkes und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa AG, Heinz Ruhnau. Bis 1995 sollen alle Vorbereitungen abgeschlossen sein, so dass der Bau des modernen Airports beginnen wird".

Mit den politischen Veränderungen stieg die Verantwortung der Interflug für umweltschützende Maßnahmen. Gleichzeitig entstand eine starke Protestbewegung im Stadtteil Bohnsdorf. Am 11.01.1990 empfing Dr. Henkes die Vertreter von Bürgerinitiativen und von neuen politischen Bewegungen. Der Sprecher der Basisgruppe Neues Forum Bohnsdorf verlas eine Erklärung, die u.a. besagte, "...dass ein weiterer Ausbau des Flughafens Schönefeld aufgrund seines siedlungsnahen Standortes im Interesse der Menschen und ihrer Umwelt nicht zu verantworten ist...".

Im Konsens entstand ein 3-Stufen-Programm.

Als 1. Stufe und Sofortmaßnahme wurde u.a. realisiert:

- Arbeitsaufnahme des Umweltschutzbüros der Interflug im Raum 16 des Fliegertrainingszentrums mit der Aufgabe, Erfassung aller Forderungen und Vorstellungen der Bürger ab 22. Januar 1990.

- Übergabe aller Messdaten und aller benötigten Dokumente an die Spezialisten der Bürgerinitiativen (dazu zählten auch Interflug-Angehörige) mit dem Ziel, weitere Vorschläge zur Reduzierung der Umweltbelastung zu erhalten.

Die 2. Stufe waren Maßnahmen zur Harmonisierung der Auswirkungen des Reisegesetzes und zur umweltfreundlichen Gestaltung des Flughafens. In Erkenntnis, dass die Landeanflüge die stärksten Umweltbelastungen verursachen, wurden bei Sichtflugbedingungen mit steilerem Gleitwinkel und späterem Ausfahren von Landeklappen und Fahrwerk (Low-Power- und Low-Drag-Approach) getestet.

Die 3. Stufe war die "Standortsuche und Planung der Errichtung eines internationalen Flughafens, der durch seinen umweltfreundlichen Standort und seiner großen Kapazität zu einer maximalen Entlastung der jetzigen Flughäfen Tegel und Schönefeld führt".

Beide Chefs von Interflug und Lufthansa waren gegen den Standort Schönefeld und für eine schnelle Entwicklung eines "Flug-Drehkreuzes". Mit der Inbetriebnahme der Lufthansa-Werft ab 1. März 1991 und der ILA 1992 war klar: Schönefeld wird als Regionalflughafen, Werft- und Messeflughafen erhalten.

Mit der Liquidierung der Interflug wurde das 3-Stufen-Programm liquidiert. Das Luftverkehrsgesetz in der Fassung von 1990 wurde verändert. Der neue §71 Abs.1 Luft VG verfügte, dass die Anlage und der Betrieb in Schönefeld "luftrechtlich genehmigt und als im Plan festgestellt" gilt. Nachtflüge wurden von Tempelhof und Tegel nach Schönefeld verlegt. Die ehemalige Nordbahn wurde 2009 geschlossen. Sie brachte für die Bohnsdorfer eine Entlastung. Die Hauptbahn wurde jedoch von 3000 Meter auf 3600 Meter verlängert. Damit wurden der Gleitweg-Sender und die lichttechnische Gleitweganzeige versetzt. Somit wurden die Siedlungsgebiete von Müggelheim bis Bohnsdorf tiefer überflogen.

Für diese Betroffenen gilt nun die 70%-Faustformel: 70 % aller Landungen, 70 % aller Flugunfälle beim Anflug und Landung, 70 % aller landenden Luftfahrzeuge haben Fracht an Bord. Als Airport of Entry und Single-Airport empfiehlt sich Schönefeld als Zielscheibe des Terrorismus.

Erlebte kommunale Flughafenpolitik zur Erinnerung

Der Sprecher der Bürgerbewegung von Müggelheim, Dr. Werner, stellte am 30.10.2003 zur Anhörung auf der BVV den Antrag für die Errichtung einer ständigen Fluglärmmessstelle für den Ortsteil Müggelheim. Es sollte der gegenwärtige Lärm gemessen werden, da die Dauerschallpegelwerte nicht die Belastung ausdrücken. Als ehemaliger Flugkapitän und Betroffener begründete ich den Antrag schriftlich und mündlich. Es wurde eine gemeinsame Stellungnahme zu den ergänzenden Unterlagen zum Standort Schönefeld von den Bürgern, die im Geinsheimer Weg wohnen für die Anhörungsbehörde verfasst. Als längste Straße in Ost-West-Richtung liegt sie direkt unter der Anflug-Grundlinie, wird in etwa 450 Meter überflogen, aber als Tagesschutzgebiet nicht erfasst. Bei allen Initiativen der Müggelheimer ging es um die Sicherheitsbedürfnisse für unsere Familien, für unser Eigentum und für unsere schöne Natur.

In den Baugenehmigungen erhalten die Bürger von Müggelheim wasserwirtschaftliche Auflagen und werden auf die Risiken durch den Großflughafen hingewiesen. Kein Kommunalpolitiker beteiligte sich am alles entscheidenden Planfeststellungsverfahren. Und so kam es, dass ich als ehemaliger Sachverständiger für die Untersuchung von Flugunfällen für die Gemeinde Mahlow tätig wurde, dem damaligen Wirtschaftssenator von Berlin, Dr. Gysi, die Probleme zum Flughafenprojekt mitteilte, einen Antrag aus Sorge um das Trinkwasserschutzgebiet Müggelheim stellte und den Vorsitzenden Richter des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, Herrn Dr. Paetow, als Passivkläger umfangreiches Beweismaterial zu seiner Entscheidungsfindung schickte. Dass die Entscheidung der obersten Behörde heute unterlaufen wird, bedeutet für mich, dass die Demokratie zur leeren Hülle wurde.

Gegenwärtig werden die Startrouten diskutiert. Man kann nicht über Flugrouten reden ohne die ICAO-Verfahren zu kennen. Eine Flugroute ist eine beabsichtigte Weglinie. Die Flugpraxis ergibt die tatsächlichen Weglinien. Mit der politischen Entscheidung für den Großflughafen innerhalb des Berliner Autobahnringes liegt Berlin zwangsläufig im Verkehrsbereich und hat die Lärmfolgen zu ertragen. Ein Flugzeug, was auf der Nordbahn in der Hauptlanderichtung 250° landet und ein Fehlanflugverfahren und Warteverfahren einleiten muss, kann nur nördlich, also über Berlin abkurven, um den startenden Verkehr auf der Südbahn nicht zu kreuzen.

Es ist wichtig zu wissen, dass mit der einseitigen Betrachtung des Lärmproblems von den sonstigen Umweltbelastungen abgelenkt wird. Umweltgifte und Strahlenbelastung sind bedeutungsvoller als allgemein bekannt. Vogelschlagrisiko und Windscherungen durch die Nähe zum Müggelsee sind Besonderheiten speziell für die Nordbahn. Auch das sind Denkanstöße. Keine geeigneten Vorschläge kommen vom BVBB und dem Gutachter da Costa, weil die Flugsicherheit gefährdet wird. Die Vorschläge des Stadtrates Schneider als Vertreter des Bezirks in der Fluglärmkommission sind ebenfalls nicht durchdacht. Eine Routenführung über das Gebiet, wo die Pumpen der Tiefbrunnen das Trinkwasser fördern, ist nicht erlaubt. Offensichtlich wurde das letzte Flugvorkommnis mit dem Großflugzeug A 380 und das Notablassen von Kraftstoff, was schon bei der Katastrophe bei Königs Wusterhausen eine Rolle spielte, nicht beachtet. Der Sinn der Flugunfallstatistik besteht in vorbeugenden Maßnahmen und nicht in der Hoffnung auf Einmaligkeit.

Es bleibt festzustellen, dass der landende Verkehr auf der Südbahn sinnvoller ist. Da Berlin, wie auch andere Großflughäfen, niemals auf Dauer mit zwei Pisten auskommt, muss untersucht werden, ob eine dritte Piste (evtl. als Nachtflugpiste) Sinn macht und möglich ist.

Nachtflugverbot laut Gerichtsentscheidung muss eine Sofortmaßnahme sein. Alle Post- und Frachtflugzeuge müssen als Übergangslösung auf dem Frachtflughafen Halle-Leipzig landen, bis ein zwei-ter Flughafen im Nordosten von Berlin entsteht, wo sich Berlin laut Flächennutzungsplan großflächig erweitern soll.

Es bleibt festzustellen, dass der VDGN, der VUV und der Umweltkreis Müggelheim sachlich und sachkundig die Bürgerinteressen vertreten.