Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 07/2002
Juli 2002

Inhalt
Frust und Spaß gingen Hand in Hand beim Angerfest
Weg frei für die Müggel-Therme?
Viel Spaß mit Polizei und Feuerwehr in der Kita
Gemeindeabend für Umwelt und mehr Zusammenarbeit
Guitar People: Neues Zupforchester sucht Sponsoren
Analyse juristischer Gutachten des BBI-Planfeststellungsverfahrens
NEIN-Plakatierung zum Großflughafen Schönefeld
Heimatverein hat Dorfklub übernommen
Krampe II: Sommerquartier für Großstadt-Nomaden
Anschlusszwang an die öffentliche Kanalisation
Platz schaffen auf dem Waldfriedhof
Wenn die Erde bebt: Baustart in Neu-Helgoland
Weitere Meldungen
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Krampe II: Sommerquartier für Großstadt-Nomaden

Campingplatz darf bleiben - Angst vor Preiserhöhungen

Gemütliche Bänke stehen direkt am Ufer, Badeleitern laden zum Hineinspringen ein, auf den Wellen schaukeln kleine Boote und mit einem durchdringenden Tuuuut, legt die Fähre am Betonsteg an: Natur pur am Ufer der Großen Krampe. Dort haben etwa 480 Zeltler unter hohen Kiefern ihr Sommerdomizil. Zeltplatz „Große Krampe II.” ist größer als der Nummer I und erstreckt sich etwa 1,5 Kilometer weit bis zum Ufer des Seddinsees. Der Zeltplatz liegt jwd, Ortsfremde werden nur durch Zufall auf ihn stoßen, aber das ist dem Platz bis heute gut bekommen.

„Feuerlöschbaum”: Gerätschaften zum Löschen von Waldbränden hängen an diesem Pilz. Fotos: Jacobius

Von Müggelheim aus geht es nur ohne Auto über den vier Kilometer langen asphaltierten Winterweg. Bequemer ist es von der anderen Seite: Von Schmöckwitz aus fährt eine BVG-Fähre und legt nach zehnminütiger Überfahrt direkt am Campingplatz-Kiosk an.

„Ich zelte hier schon seit 37 Jahren”, erzählt „Platz-Chef” Paul Hofmann. Der Vorsitzende des Campingclubs Köpenick e.V. hat mit seinen Camperfreunden bereits Höhen und Tiefen des ursprünglichen Zeltlagers miterlebt, das schon in den 20er-Jahren als preiswertes Arbeiter-Freizeitvergnügen angelegt wurde. Auch zu DDR-Zeiten war der 5,4 Hektar große Platz sehr beliebt. „Wer zu uns kam, hatte kein Geld für eine Datsche”, erzählt Hofmann von der Tradition des Wald-Campens. Wer zeltete, hatte nicht viel Geld im Portemonnaie - und das ist auch heute noch häufig so.

Nach der Wende sollte es den Zeltplätzen zunächst an den Kragen gehen. Damals gab es in der Gegend zwölf davon und den großen Intercamping am Krossinsee. 1991 kam das Aus für sieben Zeltplätze - die „Große Krampe” durfte weiterleben. Von da an hangelte sich der Campingclub von einem Pachtvertrag zum nächsten, mal fünf Jahre, mal nur ein Jahr, mal gab es gar nichts. Der letzte läuft jetzt im Oktober diesen Jahres aus. Doch das Forstamt hat bereits signalisiert: Ihr dürft bleiben, wir verlängern den Vertrag um zehn Jahre. Doch zu Freudensprüngen ist Hofmann noch nicht aufgelegt, schließlich hat das Amt in dem vorläufigen Brief noch nichts über die Kosten geschrieben.

Platz-Chef Paul Hofmann

Schon jetzt müssen die Zeltler etwa 20 000,- Euro Pacht an Forsten zahlen, dazu kommen noch etwa 500 Euro Straßennutzungsgebühr für jeweils zwei Wochen zum Auf- und Abbau der Zelte. Jetzt geht die Angst um, dass die Preise hochgesetzt werden - was fatal wäre für die meisten nicht stark betuchten Wald-Zeltler. Noch ist das Zelten auf diesem Platz vergleichsweise günstig. Die Preise sind an der unteren Grenze kalkuliert. So müssen für ein Zelt bis 60 m2 55 Euro pro Saison gezahlt werden, ebensoviel für jeden Erwachsenen. Schüler kosten 25 Euro, bis sechs Jahren sind die Kinder frei.

Auch die Auflagen für den Platz im Landschaftsschutzgebiet sind seit der Wende strenger geworden. Stege, Treppen und Zelte müssen zum Saisonende wieder abgebaut , Uferzonen geschützt werden. Neubauten sind völlig ausgeschlossen. Die Folge: Plumpsklos wie anno dunnemals. Freiwerdende Plätze dürfen nicht mehr besetzt werden. Klar, dass das oberste Gebot ist, die Natur zu erhalten, Anpflanzungen sind auch tabu und Lagerfeuer oder Grillen am Wasser ist strengstens verboten. Gerade der Propangasgrill im Vorzelt ist noch gestattet. Es ist alles noch sehr urtümlich auf dem Platz. Ganze Familienclans haben sich dort angesiedelt: So wie Familie Hofmann mit zwei Töchtern, drei Enkeltöchtern und zwei Urenkeln. Gegenseitige Rücksichtnahme wird groß geschrieben, bei Verstößen gibt es schon mal eine Rüge vom Platz-Chef. Die Rentner, wie Paul Hofmann und seine Frau Helga, sind im Sommer eigentlich jeden Tag draußen. Den Tag beginnt der Vorsitzende immer zwischen 6 und 7 Uhr mit einem Sprung in den See. Nur alle zwei bis drei Wochen fahren sie nach Hause, das ist in Nauen. An den Wochenenden wird es dann voller, lebendiger auf dem Platz. Dann kommen die Berufstätigen und Schulkinder. Das Gros der 480 Mitglieder ist zwischen 25 und 45 Jahre alt.

20 Brunnen stehen auf dem Platz verteilt. Dort versorgen sich die Zeltler mit Wasser zum Kochen, Waschen, Abwaschen und allem anderen. Jedes Jahr werden sie auf Hygiene überprüft. Auch steht in jedem Platzabschnitt ein Feuerlöschset aus Schippen parat. „Brandherde werden immer zuerst von uns Zeltlern entdeckt. Dann gibt es sofort einen Alarm und alle sind aufgerufen, mit Eimern und Schippen zum Löschen zu kommen”, sagt Hofmann. Pflicht ist auch, dass neben jedem Zelt ein Eimer Wasser zum Löschen steht.

Noch vor einigen Jahren hatten die Camper immer Erlebnisse der gruseligen Art. Die Wildschweine kamen bis in die Zelte hinein: die Kühlkisten hatten es ihnen angetan. Inzwischen erobern sie sich den Platz erst wieder zurück, wenn die Zeltler alle abgereist sind. Dann finden sie es dort so richtig saugut. sip

Zeltplatz am „Fjord”

Bereits 1930 wurde der Zeltplatz in dem Buch „Berlin - wie es nur wenige kennen” von Dr.E.R. Uderstädt erwähnt.Er beschreibt die Große Krampe als einen „dieser Strahlen des Wassersterns von Schmöckwitz, enger als die anderen, schneidet tief ins Land ein und verliert sich im Walde (...) Fjord auf stadtberliner Boden. Ruhehafen für alle, die es vorziehen, ihr Boot in stillen Buchten, unter hängendem Gelaub zu vertäuen, die sich ein wenig eigenwillig selbst siedeln, sich ihr „Hüsung” aus luftigem Leinen schaffen. Es gibt viele solcher Zeltsiedlungen im ausgedehnten Wasserumkreises Groß-Berlins. (...) Ein friedlicher Kommunalsinn herrscht. Die, die sich scheinbar so disziplinlos am märkischen Ufer ansiedeln, unterwerfen sich freiwillig der Ordnung, eines selbstgewählten ‚Gemeindevorstehers’. (...) Was man einem ‚Kavalier’ zu Hause kaum zumuten dürfte, übernimmt er hier in selbstgewählter Pflicht: Teller werden im Wasser gespült, Pilze gesucht und gesäubert.

Hauptort des Fjordes ist Müggelheim, wo noch die rohrgedeckten alten Häuser der pfälzischen Siedler stehen. (...) Lebendige Freude, die auch wirtschaftlice Nöte nicht zu unterdrücken vermag, herrscht in dem Fjorde und an seinen Ufern.”