Müggelheimer Bote
14. Jahrgang, Ausgabe 12/2007
Dezember 2007
Müggelheimer Bote

Inhalt
Gaststätte Rübezahl ist abgerissen
Naturspielplatz in Müggelheim
Streit um den Darsteiner Weg
Petition gegen Flughafen an Platzek übergeben
Jahresrückblick der Jugendfeuerwehr
Unsere Weihnachtsseite
Alt-Köpenicker Weihnachtsmarkt
Künstler im Porträt: Team 70
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Gedanken aus Müggelheim
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Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius


Endlich war es mal so weit: Müggelheim hatte es auf die Titelseite einer großen Berliner Tageszeitung geschafft. Doch der neugewonnene Ruhm war mehr als zweifelhaft. Denn Müggelheim hatte ab diesem Zeitpunkt ein Problem: es ist etwa 600 Meter lang und heißt Darsteiner Weg. Historiker haben sie ans Licht geholt, die Geschichte dieser, meiner, Straße. Und ich wohne hier und wusste von nichts...

Angeblich haben die Nazis unserer Straße den Namen verpasst, anno 1936. Weil der Ort Darstein der erste Ort in ganz Deutschland war, der zu 100 Prozent die NSDAP gewählt hat - bereits 1930. Keine schöne Vorstellung, ich gebe es gerne zu. Aber trotzdem für mich kein Grund, den Straßennamen zu ändern.

Meine Gründe dafür will ich Ihnen gerne erläutern. Zum einen war Darstein mit seinen 106 Wahlberechtigten vielleicht der erste Ort, der zu 100 Prozent die Nazis wählte, aber mit Sicherheit nicht der letzte. Ob sie nun aus Überzeugung braun wählten, oder weil ihnen vollmundige Wahlversprechen gemacht wurden, ist eine Frage, die dabei unbeantwortet bleibt. Außerdem glaube ich, dass die NSDAP mit der Benennung einer Straße nach diesem Ort nur notgedrungen ihrem Versprechen nachgekommen ist. Wie sonst ist es möglich, dass sechs Jahre zwischen Wahl und Straßenbenennung liegen? Wie sonst ist es möglich, dass dafür die letzte Straße Berlins gewählt wurde, die damals 100 Meter lang war und fünf Häuser hatte. Wahrlich keine große Ehre.

Wenn ich jemanden ehren wollte, würde ich eine prunkvolle Straße in der Mitte Berlins gewählt haben. Stattdessen wurde der Darsteiner Weg zeitgleich mit zwei anderen Straßen ohne Prunk und Reden benannt - in aller Stille wurde die Straße 693 zum Darsteiner Weg. Pflicht und Schuldigkeit wurden damit Genüge getan, und der Name passte auch noch hierher, gab es doch in Müggelheim bereits eine Reihe Pfälzer Straßennamen.

Es ist gut, die Hintergründe zu kennen. Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir in Deutschland genug „Bilderstürmerei” betrieben haben. So manch wertvolles Zeugnis der Geschichte ist heute verschwunden. Es kommt immer darauf an, wie man mit diesen „Zeugnissen” umgeht nicht darauf, sie einfach auszuradieren. Wo sollte man auch anfangen, wo enden? Gräueltaten sind nicht nur in der Zeit zwischen 1933 und 1945 passiert - wenngleich sie dort ungleich heftiger waren. Mehr als 100 Straßen Berlins haben ihre Namen von den Nazis bekommen, schätzt die Berliner Geschichtswerkstatt. Gerade eine Handvoll sind umbenannt worden.

Wer sich die Mühe macht, einmal mit den Anwohnern des Darsteiner Weges zu sprechen, wird rasch, wie ich, zu dem Ergebnis kommen, dass eine Umbenennung der Straße nicht gewünscht wird. Und das hat beileibe nichts damit zu tun, dass wir uns neue Visitenkarten drucken lassen, bzw. den Ausweis auf Kosten des Amtes umschreiben lassen müssten. Es hat auch nichts mit unserer politischen Gesinnung zu tun - ganz im Gegenteil. Einfach nur mit unserem logischen Menschenverstand.

Der Name passt hierher, er fügt sich nahtlos in unsere Gründungsgeschichte ein und steht für unsere Pfälzer Urväter. Und der Hintergrund dieser Namensgebung ist auch ein Zeichen der Geschichte, ein Zeichen für den Totalitätsanspruch und die Selbstbeweihräucherung des Naziregimes. Ein erklärendes Zusatzschild wäre sinnvoller - sofern es so abgefasst wird, dass es den „Ewiggestrigen” nicht als Heiligenschrein dienen kann.