Müggelheimer Bote
6. Jahrgang, Ausgabe 03/2000  
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Inhalt

Recyclinghöfe werden mobil: BSR sammelt vor der Haustür

Erfolgreiche Spendensammlung für Kinder in Krisengebieten

Kirchengrundstück verkommt zur Sandwüste

Grab dritter Klasse für zersägten Lenin

Karneval im "Urum"

Wichtig: Ständig Kosten beim Bauen überwachen

Flughafen: Vernunft gegen Umweltzerstörung

Flughafen: Hilfestellung für Einwendungen gegen den Flughafenausbau

Gesundes, friedlichen Leben in Gefahr?

"Der Weg ist alles, das Ziel ist nichts"

"Tante Reni" sagt Tschüss

Ringen um neue Englischlehrerin

Mitraten erlaubt!

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© 2000 Müggelheimer Bote

Zuletzt aktualisiert am 03.03.2000

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Gesundes, friedliches Leben in Gefahr?

Es ist wieder März. Der vergangene Winter war in unseren Breiten so gut wie keiner. Die Ruhephase für Flora und Fauna war zu kurz. Nur für Stunden hatten wir winterliche Schneepracht, kaum Eis auf den Gewässern. Zugvögel sind verunsichert, der verfrühte Frühling lässt sie in Brutstimmung kommen. Winterschläfer werden vorzeitig wach. Zunehmend wird uns klar, das sind die Folgen der Klimaveränderung.

Bisher wurde mit abschlagender Handbewegung behauptet: Das erleben wir nicht mehr! Wer ehrlich daüber nachdenkt muss erkennen, dass das auch Folgen von unserem Wohlstandleben sind, das wir unbedingt haben wollten.

Vater, Mutter, Sohn und Tochter, jedem sein Auto und noch dies und das . . .

Jeder weiß, wir gefährden mit unserem Mobilitätswahn in wachsendem Maße Weltklima und Gesundheit. Es geht um unsere existenziellenGrundlagen, die bewusst oder unbewusst der Wirtschaft und ihrem Wachstum untergeordnet werden.

Die Politik trägt die Verantwortung - ihre Macht ist Kapitalgesteuert! Angeblich ist der Rat der EU-Verkehrsminister ernsthaft besorgt über die rasche Zunahme des Straßengüterverkehrs und des Luftverkehrs.

Auch Müggelheim als ehemaliges Bauerndorf ist davon betroffen. Die Verbindungsstraßen von Köpenick über Müggelheim nach Gosen wurde 1896 fertiggestellt. Damals, der Verkehrssituation entsprechend, für Pfedewagen und die ersten Autos. Heute rollt Tag und Nacht der Verkehr, auch Schwerlastverkehr, für den diese Landstraße gar nicht ausgelegt ist. Über die Beeinträchtigung von Menschen und Gebäuden durch Lärm, Abgase und Erschütteungen schrieb ich vor genau zwei Jahren (Müggelheimer Bote März 1989).

In der DDR wurden Personen und Fracht größtenteils über die umweltfreundlichere Schiene transportiert. Nach der Wende stellte man zur Freude der Autokonzerne zielstrebig auf die Straße um und machte Bahnen durch starke Preisanhebung unattraktiv. Folge: Wertvolle Naturräume werden vermehrt durch neue Verkehrswege zerschnitten. Tierverluste an Straßen sind erschreckend in die Höhe geschnellt. Davon betroffen sind beispielsweise Igel, Füchse, Hasen, Marder, Dachse, Fischotter aber auch Greifvögel, die Tierkadaver als Nahrung zu sich nehmen. Natürlich auch Rehe, Hirsche und Wildschweine.

Ich habe schon etliche totgefahrene Tiere von der Straße gezogen. Ihre stöhnenden, letzten Atemzüge, ihr ausströmendes Blut, die letzten Zuckungen erlebt, ihre Qualen mitgelitten. Es findet eine erschreckende Naturentfremdung statt!

Wie sehr sich Müggelheim vom Bauerndorf zur Gartenstadt gewandelt hat und wie bedauerlich und unwiederbringlich die beschauliche, natürliche Lebensweise sich verändert hat, beschrieb Peter Augustinski (Müggelheimer Bote Juli 1999) sehr eindringlich. Auch ich habe mich mit gleichem Anliegen (Müggelheimer Bote Juni 1999) damit befasst.

Das vergangene Jahrhundert hat weltweit unwahrscheinliche Entwicklungen auf allen Gebieten gebracht. Dies hatte auch weltweite Folgen. Das Sozialgefüge driftet immer mehr auseinander. Wohlstand und Reichtum - Arbeitslosigkeit und Armut. Hoher Ressourcen- und Landschaftsverbrauch, hoher Energieverbrauch, steigende Umweltprobleme vor allem durch CO2-Ausstoß, steigende Atom und Müllprobleme. Verlust von Natur- und Kulturräumen. Dramatisches Tier- und Pflanzenartensterben.

Wir können die Zeit nicht zurückdrehen.

Wie schön, wenn man sich an die unbelastete und naturverbundene Kindheit erinnern kann. Erinnerungen sind die Wurzeln unseres Lebens und gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, die Lehren für die Gegenwart und die Zukunft daraus zu ziehen! Was wird unsere Zukunft sein?

Kapital und Wirtschaft sehen „Verkehrsengpässe” und fordern Großprojekte, Verkehrsprojekte deutsche Einheit. Die Politik schafft sodann die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu ihrer Durchsetzung (Beschleunigungsgesetz, Planungsvereinfachungsgesetz). Genau so wurde das Wahnsinnsprojekt „Großflughafen Schönefeld” begründet und in die Wege geleitet. Denn das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens, das Schönefeld als ungeeignet einstufte, wurde völlig ignoriert. Dubiose große Grundstückskäufe im Umfeld von Schönefeld sollten sich hier Gewinn bringend für die Käufer rechnen.

Glauben Sie den Politikern, dass sie unser Bestes wollen?

Das geplante Ziel der Flughafenbetreiber ist ein uneingeschränkter 24-Stunden-Flugbetrieb! Das bedeutet etwa 360 000 Starts und Landungen im Jahr. Das häufig missbrauchte Argument bei den Befürwortern, es würden viele Arbeitsplätze entstehen, ist doch ganz schön blauäugig gedacht. Deutsche Löhne sind einfach zu hoch. Und wenn Tegel geschlossen würde, würden die Abeitsplätze von dort nach Schönefeld verlagert.

Die Belastungen und Beeinträchtigungenwürden für etwa 100 000 bis 200 000 Menschen, aber auch Tiere und Naturräume im weiteren Umfeld von Schönefeld in jeder Art und Weise gravierend sein! Ein Leben wie bisher ist dann für immer vorbei.

Bestimmte Gebiete werden also durch den nächtlichen Güterluftverkehr und durch den folgenden, verstärkten Güterlastverkehr auf Autobahnen, Landstraßen und durch Wohngebiete doppelt beeinträchtigt. Dazu wird auch Müggelheim gehören.

Seit bekannt werden der Planungen zum Ausbau des Großflughafens Schönefeld organisierten sich mehr als 3000 Betroffene. An erster Stelle der Bürgerverein Brandenburg Berlin e.V. (BVBB).

Bis jetzt haben viele Einwohnerversammlungen in allen betroffenen Orten stattgefunden. Diskussionen eskalierten oft. Demonstrationen zu Fuß, per Rad und per Auto wurden durchgeführt. Petitionen an den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen übergeben, Informationsbriefe an alle wichtigen Ämter geschrieben. Informationen und Erkenntnisse von kompetenten Wissenschaftlern, Fachleuten und Ärzten wurden in öffentlichen Versammlungen an die betroffene Bevölkerung vermittelt. Vereinsbeiträge und Spenden wurden für Anwälte, Papier- und Druckkosten, Plakate, Transparente und anderes verwand. Mehr als 130 Mitglieder haben eine Informationsschulung durch Experten erhalten. Dies waren Bürger aus 14 Gemeinden und Ortsteilen, die vom geplanten Großflughafen beeinträchtigt wären.

Aus dem Umweltkreis der evangelischen Kirche hat jeder schon Artikel oder Briefe geschrieben oder Infoblätter verteilt.Es konnte ein Beratungsbüro zur Information der Bürger in Müggelheim eröffnet werden. Außerdem finden Gesundheitsverträglichkeitstest statt. Gunnar Suhrbier, Sprecher der Müggelheimer Gruppe des BVBB, wird sich eine Woche Urlaub nehmen, um sich bei der Sichtung der Planungsunterlagen genaue Kenntnisse zu erlesen. Alle Aktivitäten sind ehrenamtlich und hoch motiviert um diese drohende Katastrophe über unseren Köpfen abzuwenden.

Wir hoffen, dass Sie durch dieses große Engagement bisher gut informiert wurden.Wir gehen davon aus, dass Sie den Ernst der Situatuon begriffen haben. Wir alle entscheiden damit ganz wesentlich über unsere Zukunft in unserem immer noch schönen Müggelheim.

Wir haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wenn die Kapitalträger, Politiker und Flughafenbetreiber das nicht so sehen, müssen wir als Betroffene nicht als Wehrlose dieses durch unseren Widerspruch bei der Planauslegung klarmachen. Marianne Schäfer

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