Serie für den Natur- und Gartenfreund

Erinnerungen

von Marianne Schäfer

Der Krieg war vorbei und unsere Wohnung in der Stadt war kaputt gebombt. Wie gut, das unser Papa vor Jahren ein Grundstück gekauft und ein Wochenendhäuschen darauf gebaut hatte. Nun wohnten wir zwar sehr beengt, aber besonders wir Kinder hatten hier im Garten und in der uns umgebenden Natur eine schöne Zeit.

Nachdem unser Vater aus der Kriegsgefangenschaft wieder bei uns zu Hause war, bemühte er sich sehr, etwas Essbares zu besorgen, denn es war alles rationiert. Für alles gab es Lebensmittelkarten. Brot, Fett, Fleisch und alle Nährmittel waren so knapp bemessen, dass man versuchen musste, irgendwie etwas Essbares noch von irgendwo zu bekommen. Das war die Zeit, in der unser Papa im Garten ein Stück Land umzugraben begann.

Auch meine Schwester und ich bekamen ein kleines Beetchen, wo wir lernten Radieschen auszusäen und auch Kohlrabi-Pflänzchen zu pflanzen, alles zu gießen und zu pflegen. Meine Schwester war so ungeduldig, dass sie schon ein paar Tage danach mit den Fingern in der Erde wühlte. Sie suchte die Radieschen und konnte nicht glauben, das ihr Wachstum so lange dauert. Ich habe oft abends meinem Vater im Garten etwas geholfen. Dabei habe ich viel gelernt. Auf dem großen Gemüseland half ich die Stangen für die Kletterbohnen aufzurichten, Reisig für die Erbsen zu stecken und kleine Kohlpflanzen in Reihe ordentlich mit gleichem Abstand zu pflanzen. Es hat mir Freude gemacht die reifen Beeren zu ernten. Diese gab es nach dem Abendbrot als Nachtisch. Trotz allem war das, was wir zu Essen hatten zu wenig. Hunger hatten wir immer.

Manchmal bin ich zu meiner Freundin Hannelore gegangen. Ihre Eltern hatten einen viel größeren Garten. Daher bekam ich von ihrer Mutti manchmal einen kleinen Teller voll Suppe ab. Auch unvergessen war das Naschen von reifen Süßkirschen in der Haiga. Dicht am Zaun stand der Kirschbaum. Ich kletterte vom Zaun in den Baum und steckte mir die süßen Kirschen in den Mund. Da wurde ich entdeckt. Ich sprang mit einem riesigen Satz zurück auf den Weg. Aber leider blieb mein Kleid am Zaun hängen und ich hatte einen langen Riss in meinem Kleid.

Zur Schule gingen wir im Sommer ohne Schuhe. Im Winter passten manchmal die Schuhe nicht mehr, die Füße waren gewachsen. Aber zu Weihnachten bekam ich ein Paar, für mich neue Schuhe. Die waren von der Nachbarin Helga.

Wie gut geht es uns heute! Wir haben ausreichend zu Essen und ich denke wir haben keine lebensbedrohlichen Situationen. Müggelheim ist zwar kein Bauerndorf mehr, weil die Landwirtschaft auf dem armen Boden nicht mehr ausreichend Erträge bringt ist. Unsere Einwohnerzahl ist ständig gestiegen. Und trotzdem sind wir ein Dorf!

Wenn ich so mit meinem Fahrrad durch die Straßen in Müggelheim fahre, sehe ich viele Grundstücke mit neuen, überdimensionierten Häusern. Breite Betoneinfahrten für die Autos. Keine Obstbäume. Nur Rasenflächen und rings um das Grundstück ein überhöhter Bretterzaun.

Was für arme, ängstliche Menschen leben jetzt hier? So ängstlich dass sie keinen Menschen sehen und grüßen wollen? Noch vor wenigen Jahren hatten wir im Ort ein Klima offener Freundlichkeit! Als Siedler war es nicht selten, dass man sich gegenseitig half. So auch heute noch. Guten Tag, oder guten Morgen wünschen, mit einem offenen Blick und vielleicht einem kleinen Lächeln tut so gut! Probieren Sie es einmal!

Aus der kleinen Schilderung meiner Nachkriegserinnerungen ist hoffentlich eine freundliche, kleine Zeitreise bis zum Jetzt geworden.

Ich bin eine alte Müggelheimerin und ich wünsche Ihnen allen ein frohes und gesundes Osterfest und uns allen eine freundliche Nachbarschaft!