Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 06/2002
Juni 2002

Inhalt
Auf zwei rasenden Rädern die Nerven kitzeln lassen
Mit dem Umweltstadtrat auf Tour durch Müggelheim
"Flaniermeile zwischen den Einkaufszentren"
Die Erde als unsere Heimat
Vom hölzernen Handschwengel zur modernen Technik
Schönefeld: Dioxin-Umweltkrimi bei Flughafenplanung
Struktur des Luftraumes über Müggelheim
Pirschen, gucken, lauschen
"Für ein schönes Müggelheim"
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Leserbrief
Aus den Vereinen
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Schönefeld: Dioxin-Umweltkrimi bei Flughafenplanung

Der Geschäftsführer der Projektplanungsgesellschaft Schönefeld GmbH (PPS), Herr Pieper, sagte vor mehr als einem Jahr in Zusammenhang mit der geplanten Umsiedlung der Gemeinde Diepensee eher beiläufig, dass die Gemeinde auf jeden Fall umgesiedelt werde, und zwar auch dann, wenn der Flughafen BBI nicht in Schönefeld gebaut werden sollte. Der Widersinn dieser Bemerkung war auffallend und verdächtig. Einige Aktivisten des BVBB machten sich daher auf die Suche nach Hintergründen und fanden – wie sich heute zeigt – einen der größten Umweltskandale in der Geschichte der Bundesrepublik! Bereits im Jahre 1996 machte Greenpeace auf die illegale Lagerung und Entsorgung dioxinhaltiger Klärschlämme in dem bereits 1969 extra für die Entsorgung von Toilettenabwässern aus Flugzeugen gebauten Klärwerk am Ortsrand von Diepensee aufmerksam. Die Umstände, unter denen bis 1996 die Klärschlämme entsorgt wurden, sind nie völlig aufgeklärt worden. Erst nach der Greenpeace-Aktion ließ das Land Brandenburg weitere ca. 2500 t Klärschlamm geordnet entsorgen. Das Klärwerk arbeitete häufig nicht ordnungsgemäß und ist seit 1998 nicht mehr in Betrieb. Einerseits brachten die hohen Schadstoffkonzentrationen den mikrobiologischen Klärprozess regelmäßig zum Erliegen. Schlimmer war jedoch, dass es ebenso regelmäßig zum Überlaufen des Sammelbeckens kam und ungeklärte, dioxinhaltige Abwässer in einen in der Nähe liegenden, frei zugänglichen Tümpel und auch in den Selchower Flutgraben, also in Richtung Dahme flossen.

Eine 1996 gegründete Arbeitsgruppe „Dioxin”, der neben der FBS u.a. auch der Klärwerksbetreiber und brandenburgische Behörden angehörten, sollte das Problem aufklären und lösen. Immerhin war allen Mitgliedern dieser Gruppe durch nicht zu übersehende Hinweise in den Gutachten bekannt, dass die Schlämme extrem hohe Dioxinkonzentrationen aufwiesen. Ebenso wussten sie, dass das Problem der noch heute dort lagernden rund 800 t Klärschlamm mit zahlreichen politischen, finanziellen, umwelt-, straf- und verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten belastet war. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Dioxin” blieben jedoch bis zur Beendigung ihrer Arbeit 1998 entgegen den gesetzlichen Umweltschutzvorschriften inaktiv und haben bisher alle Erkenntnisse aufgrund ihrer Brisanz geheimgehalten. Eins ihrer Ziele war offensichtlich, die Einleitung von Strafverfahren und staatsanwaltlichen Ermittlungen, die sich gegen sie selbst gerichtet hätten, zu verhindern und das Problem durch den Bau des Flughafens buchstäblich zu beerdigen.

Die Dokumente, die Anfang des Jahres vom BVBB im Zuge einer forcierten Akteneinsicht ausgewertet und öffentlich zugänglich gemacht wurden, sprechen eine deutliche Sprache. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in den Antragsunterlagen zum Flughafenneubau das Dioxinproblem nicht nur nicht enthalten ist, sondern vorsätzlich ausgeklammert und während der gesamten Anhörung überhaupt nicht erwähnt wurde. Damit ist nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Anhörungsbehörde über den Umfang der notwendigen Altlastensanierung getäuscht worden. Oder wusste Herr Leyerle gar von Absprachen zwischen dem Antragsteller und der Landesregierung, und hat er die Täuschung der Öffentlichkeit womöglich toleriert? Weil die brandenburgische Staatsanwaltschaft sich um diesen Fall von organisierter Umweltkriminalität bisher noch nicht gekümmert hat, hat der BVBB kürzlich seinen Forderungen mittels Strafanzeige und Untätigkeitsklage Nachdruck verliehen.

Kennt man die Details der Dioxinverseuchung und beobachtet man die aktuelle Reaktion der zuständigen Behörden auf die sich verschärfende Auseinandersetzung, so vertieft sich folgender Eindruck: Der Flughafen BBI soll auch deshalb unbedingt in Schönefeld gebaut werden, weil das seit rund 30 Jahren die Umgebung mit Dioxin verseuchende Klärwerk Diepensee zu einem nicht mehr zu beherrschenden Umweltproblem geworden ist, dessen Bekanntwerden mit allen Mitteln verhindert werden soll. Die Kosten und der Zeitaufwand für die ordnungsgemäße Erkundung und vom Gesetzgeber vorgeschriebene Sanierung dieser Umwelt-Altlast sollten offenbar mit dem Bau des Flughafens eingespart und das Problem hinter Bauzäunen und unter Beton begraben werden.

In diesem Punkt ist die Flughafenplanung jedenfalls perfekt: Exakt an der Stelle des Klärwerkes soll sich später die östliche Schwelle der geplanten neuen südlichen Start- und Landebahn befinden. Der Beton dieser Bahn liegt jedoch vier bis fünf Meter über der derzeitigen Höhenlage des Klärwerkes. Diese Schicht aus Kies und Beton schien den Planern ausreichend dick zu sein, um das Problem Klärwerk Diepensee endgültig zu lösen – wie man sieht, nicht dick genug für einen sorgfältig arbeitenden Bürgerverein! Gunnar Suhrbier, BVBB Müggelheim, FON 65942753, www.planfeststellungsverfahren.net