Müggelheimer Bote
8. Jahrgang, Ausgabe 06/2002
Juni 2002

Inhalt
Auf zwei rasenden Rädern die Nerven kitzeln lassen
Mit dem Umweltstadtrat auf Tour durch Müggelheim
"Flaniermeile zwischen den Einkaufszentren"
Die Erde als unsere Heimat
Vom hölzernen Handschwengel zur modernen Technik
Schönefeld: Dioxin-Umweltkrimi bei Flughafenplanung
Struktur des Luftraumes über Müggelheim
Pirschen, gucken, lauschen
"Für ein schönes Müggelheim"
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
Leserbrief
Aus den Vereinen
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
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Struktur des Luftraumes über Müggelheim

Auf Bitten der Gemeinden Blankenfelde/ Mahlow nahm ich am 11.Dezember vergangenen Jahres als Sachbeistand an der Erörterung teil. Dabei ging es u.a. um Sicherheits-Mindestflughöhen. Im Gutachten M21 wurde festgestellt, dass aus flugtechnischen Gesichtspunkten kein besonderes Risiko besteht. Dem habe ich widersprochen, weil ein Überfliegen der dichten Siedlungsgebiete unter der Mindesthöhe bei Starts und Landungen ein Risiko und eine erhebliche Umweltbelastung darstellt. Im Raumordnungsverfahren wurde als Ergebnis festgestellt: „Vor allem bei möglichen Störfällen im Flugbetrieb sind 10- bis 20-mal mehr Einwohner in Mitleidenschaft gezogen, als an den Standorten Jüterbog-Ost und Sperenberg.” Die Beachtung der internationalen Flugunfallstatistik habe ich angemahnt. Meine Argumentation führte zu folgendem Ergebnis (Protokoll vom 11.12. Seite 14): „Herr Leyerle antwortet, dass grundsätzlich die Bewohner im Bereich des An- und Abflugsektors bei Unfällen sehr stark gefährdet sind”. Das ist eine Aussage eines Dezernatsleiters des zuständigen Landesamtes, die man im Zusammenhang mit den gewachsenen Sicherheitsbedürfnissen sehen sollte. Neue Sicherheits- und Umweltstandards sind erforderlich. Es kann nicht sein, dass für ein Kleinflugzeug die gleiche Sicherheits-Mindestflughöhe gilt wie für einen A 380 mit 290 t Kraftstoff in den Tanks.

Die Karte verdeutlicht die Flughafenkontrollzone: Zusätzlich zu den bestehenden Pisten kommen drei weitere Start- und Landebahnen südlich angrenzend an die bestehenden (zwei schwarze Balken in der Mitte) hinzu.

Vom Träger des Vorhabens wurde mir entgegnet: „... dass der Flughafen bereits besteht und daher die Lage der Start- und Landebahnen vorgegeben sind. Damit wird ein optimaler Flugbetrieb bei höchster Sicherheit gewährleistet.” Diese Aussage ist falsch. Wenn dichte Siedlungsgebiete für Start und Landung „neu erschlossen” werden, kann man nicht von höchster Sicherheit sprechen. Sicherheit bedeutet immer Sicherheit für Passagiere und Anwohner. Eine grundsätzlich andere Auffassung haben die Träger des Vorhabens Leipzig. Die Startrichtung wurde hier nach Sicherheits- und Umwelterfordernissen optimiert und deshalb verläuft die neue Piste im Winkel von 20° zur alten Piste. In Schönefeld spielen Sicherheit und Umwelt eine untergeordnete Rolle, denn es geht hier um Rationalisierung und Privatisierung. Es geht um die Erhöhung der Verkehrsdichte, um kommerzielle Gründe. Deshalb soll auch wider jeder Vernunft ein Single-Airport entstehen. In der Endausbauphase stehen dann vier Pisten zur Verfügung, die auch Simultan-Flüge erlauben, d.h. zwei Flugzeuge können gleichzeitig starten und landen. Die „Durchlassfähigkeit eines Flughafens” ist natürlich bei parallelen Bahnen und bei dem vorgesehenen 24- Stunden-Betrieb am größten. Der Flächenbedarf ist mit 2900 ha angegeben. Dies bedeutet auch die Vernichtung von hochwertigem Ackerland, obwohl es genügend Flächen mit märkischem Sand gibt. Ein Wahnsinnsprojekt, wenn man weiß, wieviel Aufwand andere Länder betreiben um Ackerland zu gewinnen oder zu erhalten.

Bei genauer Beurteilung des Flughafens Schönefeld geht es um zwei getrennte Probleme. Zum einen um den Neubau der 4000-Meter-Piste und die Folgevorhaben. Hier ist nach wie vor der BVBB die einzige Kraft, die der Flughafenlobby die Stirn bietet. Zum anderen sind es der gegenwärtige 24-Stunden-Betrieb und seine Umweltbelastung. Hierfür gibt es noch keine Kraft, die Bürgerinteressen vertritt. Nach meiner Überzeugung ist die Übernahme der Nachtflugerlaubnis der ehemaligen DDR unzulässig. Sie hatte analog der Grenzmauer politische Gründe. Die DDR benötigte jede Valutamark und nahm deshalb auf die Anwohner keine Rücksicht. Da ich selbst die „Gastarbeiterflüge” nach Istanbul mit Startzeit zwischen 0.30 und 2.00 Uhr miterlebt habe, kenne ich die Zusammenhänge. Zu diesem Zweck wurde ein spezielles Abfertigungsgebäude in Schönefeld gebaut, was heute von Condor genutzt wird. Die Grenzmauer ist weg und das ist gut so. Die Nachtflugerlaubnis für Schönefeld muss weg und das ist Vergangenheitsbewältigung.

Einige Bemerkungen zur Luftraumstruktur:

Mit der Schaffung einer einheitlichen Flugsicherung und der Übernahme der Funktionen von den Alliierten ergab sich eine neue Situation. 1994 übernahm die Regionalstelle Ost der Deutschen Flugsicherung mit Sitz in Tempelhof die Kontrolle über den Luftraum der neuen Bundesländer. Der Verkehr von Westen und Norden wird zum Anflugpunkt Röddelin (nördlich Berlins) und von Osten und Süden zum Anflugpunkt Klasdorf (südlich Berlins) geleitet. Von dort leitet die Flugsicherung den direkten Anflug auf die Flughäfen. Damit wurde der Fluglärm über dem Stadtgebiet deutlich vermindert. Mit dem Singleairport Schönefeld wird der gesamte Fluglärm von Berlin nach Brandenburg verlagert. Das betroffene Gebiet ist die Flughafenkontrollzone (siehe Abb.). Hier wird dann eine Umweltbelastung stattfinden, die Tempelhof und Tegel nie erlebt haben. Deshalb ist die neue Forsa-Umfrage über den Flughafen Schönefeld (SXF) eher eine Meinungsmanipulation als eine repräsentative Aussage. Mit dem Bau der Pisten Nr. 2, 3 und 4 wird sich diese Kontrollzone in südlicher Richtung bis etwa Sperenberg erweitern. In dieser Zone gibt es keine Gebiete mit Flugbeschränkungen. Nur die Sicherheitsmindestflughöhe von 300 m über Ortschaften- sonst 150 m- stellt eine untere Begrenzung des Luftraumes dar.

Die verantwortungsvolle Aufgabe der Fluglotsen ist die Leitung des steigenden und sinkenden Verkehrs, die Einhaltung der Mindestabstände zwischen den Luftfahrzeugen bei Beachtung der unterschiedlichen Fluggeschwindigkeiten, der meteorologischen und sonstigen Bedingungen. Nach Angaben des Vorhabensträgers finden hier 360 000 Flugbewegungen im Jahr statt, also 180 000 Starts und 180 000 Landungen. An- und Abflugrouten dienen zur Programmierung der Bordcomputer und legen die beabsichtigten Wege und Höhen fest. Entsprechend der Verkehrssituation werden durch die Lotsen Abweichungen angewiesen. Deshalb stimmen die beabsichtigten und die tatsächlichen Flugwege häufig nicht überein. Bei dieser Verkehrsdichte sollte die gesamte Flughafenkontrollzone für die Arbeit der Lotsen zur Verfügung stehen, da besondere Situationen im Luftraum auch besondere Entscheidungen erfordern, d.h. ein Überflug sensibler Gebiete wie Krankenhäuser, Wasserwerke usw. ist nicht auszuschließen. Wenn dieses in 300 m Flughöhe erfolgt, ist das gesetzlich noch erlaubt, obwohl ein Flugzeug wegen seiner Funk-, Navigations- und Radarausrüstung eine starke Strahlungsquelle darstellt. Es geht also nicht nur um Fluglärm. Je dichter der Verkehr desto größer sind das Sicherheitsrisiko und die Umweltbelastung. Und wenn nicht der richtige Standort gewählt wird, sind die Probleme und Kosten entsprechend größer. Mit dem mutmaßlichen Scheitern des Projektes von CargoLifter in Brand, besteht für die Luftverkehrspolitiker die Möglichkeit eine „elegante” und kostengünstigere Lösung für den BBI zu finden. Klaus Breiler