Gedanken aus Müggelheim
von Simone Jacobius
Kennen Sie Bushido? Nein? Ist auch nicht wirklich schlimm. Aber damit Sie mitreden können ein paar kurze Infos: Bushido ist ein Berliner Hiphop-Sänger. Das ist dieser komische Sprechgesang, für den man nicht wirklich eine gute Stimme braucht. Zum Teil macht er ziemlich grenzwertige Texte, so, dass zumindest ein Radiosender seine Lieder nicht mehr spielt.
Nächste Frage: Biene Maya kennen sie doch aber alle, oder? „Und diese eine kleine Biene nennt sich Maja, kleine freche Biene Maja...“. Das hat der Tscheche Karel Gott geträllert. Brav und bieder, wie man ihn kennt. Und nun - singen Bushido und Karel Gott gemeinsam. Verrückt, nicht wahr? Heile-Welt-Biedermann trifft auf Böse-Buben-Hiphopper. Verkehrte Welt? Was bringt einen Bushido dazu, mit einem Karel Gott zusammen zu singen?
Und noch mehr Merkwürdigkeiten sind in den letzten Wochen passiert. Paul Potts ist mit seinem Hit „Nessun Dorma“ in die Top Ten der Popmusik gekommen. An sich nichts besonderes - wenn es sich da nicht um ein klassisches Opernstück handeln würde, das jedoch mit seiner voller Pathos vorgetragenen Weise, die Herzen von jung und alt berührt. Selbst die Werbemacher haben das erkannt und ihn erfolgreich eingesetzt. Noch mehr Beispiele gefällig?
Wie wäre es mit - mal was anderes als Musik - der Präsidentschaftswahl in Amerika? Noch nie hat eine US-Wahl so viel Aufsehen in Europa erregt, noch nie wurde sie so medienwirksam umgesetzt. Warum fieberten wir alle mit, schalteten teilweise mitten in der europäischen Nacht die Fernseher an? Barack Obama ist ein Präsident in spe, der für den Wandel steht. Für den Wechsel zu mehr Liberalität, zu mehr Zusammengehörigkeitsgefühl und für die Loyalität eines gebeutelten Volkes. Ein Präsidentschaftskandidat der Hoffnung versprüht, dass, was den Menschen abhanden gekommen war und der sie wieder aufrüttelt, nach dem Motto gemeinsam schaffen wir es. Yes, we can!
Was will ich mit all dem sagen? Ich denke, wir stehen vor einem Richtungswechsel unseres sozialen Miteinanders. Gefühl ist wieder angesagt. Gefühle, die sich in den letzten Jahren nur durch harte Bässe und bittere Töne ausdrückten und von Resignaton, Missgunst und Neid sprachen, haben sich gewandelt. Positive Gefühle sind wieder angesagt. Gefühle, die von Hoffnung sprechen und Trost spenden, die aufrütteln und zu Engagement animieren - nicht nur in der Musik, sondern auch verbal, wie anhand von Barack Obamas haushohem Sieg zu erkennen ist.
Es mag sein, dass ich zu viel in die Musik und die Präsidentschaftswahl hineininterpretiere. Aber beides ist ein Novum, und zwar eins, was urplötzlich gehäuft auftritt und - die Menschen anspricht. Jung und alt treffen sich auf der Ebene der gleichen Musik, jung und alt reden über den gleichen Präsidentschaftskandidaten. Das macht Hoffnung, Hoffnung auf eine neue, bessere Gesellschaft.
|