"KATTE – Ein Prozeß" im Schlossplatz-Theater Köpenick

von Margard Wohlfarth

"Ich bin Kult!" sagt Friedrich II. in Zelle 1! - In meiner frühen Kindheit war eines der Ziele unserer sonntäglichen Familienunternehmungen der "Alte Fritz", eine Ausflugsgaststätte im Südwesten Leipzigs. Dort beeindruckte mich das lebensgroße Konterfei des preußischen Monarchen. Ich betrachtete es mit Ehrfurcht. Und mein Großvater erzählte dessen Geschichte. - Die Sachsen liebten und verehrten den Preußenkönig, zum einen, weil er auch ihnen die Kartoffel beschert hatte, zum anderen, weil er der Garant ihrer evangelischen Glaubensfreiheit war. Das sächsische Königshaus war katholisch. – Was damals nicht erzählt wurde und ich erst erfuhr, als mir Jochen Kleppers "Vater" in die Hände fiel, der großartige Roman über den Soldatenkönig, waren die Aporien, die menschlichen Zerwürfnisse, die das Königshaus belasteten, die Vater-Sohn-Konflikte, von denen der zwischen Friedrich Wilhelm und dem Thronfolger Friedrich wohl der erschreckendste gewesen ist. Er gipfelte in einer Tragödie, die den musisch begabten Sohn schließlich dahin führte, das Werk des Vaters fortzusetzen und seine Nachfolge in den Dingen anzutreten, die ihm so unmöglich erschienen waren, dass er alles daran gesetzt hatte, sich dem preußischen Hof durch Flucht zu entziehen. Soweit änderte er sich, dass er, dem das soldatische Leben ein Gräuel war, Kriege führte, die sein Vater vermieden hätte, denn dieser hatte seine Armee als Friedenstruppe gewollt. Und er baute weiter an einem starken schuldenfreien wirtschaftlich autarken Staat Preußen durch Aufnahme von Glaubens- und Wirtschaftsflüchtlingen. Damals entstand z.B. auch Müggelheim als Gründung von Umsiedlern aus der Pfalz.

Das Schloßplatztheater hat sich mit seinem Opernprojekt "KATTE – Ein Prozeß" einem wesentlichen Kapitel Köpenicker Geschichte gewidmet: 1730 tagte im Köpenicker Schloss das Militärtribunal, das gehalten war, den Kronprinzen wegen Fahnenflucht und seinen Freund und Helfer Hans Hermann Katte wegen Fluchtbegünstigung zu verurteilen. Der Soldatenkönig hätte um der Gerechtigkeit willen den Sohn unter Schmerzen geopfert wie Abraham den Isaak. Aber die Generäle v. Seckendorff, v. Einsiedel, v.d. Schulenburg u.a. verweigerten sich diesem Ansinnen, erklärten im Falle des Thronfolgers ihre Nichtzuständigkeit, verurteilten jedoch Hans Hermann Katte zu lebenslanger Festungshaft. Der König statuierte ein Exempel und änderte das Urteil. Am 6. November 1730 wurde Hans Hermann Katte in Küstrin hingerichtet. Der Thronfolger musste der Enthauptung von seinem Zellenfenster aus zusehen…

Die Zelle ist der fiktive Ort des Geschehens, wo Friedrich – der Thronfolger, der König – seine Geschichte reflektiert, deren Dreh- und Angelpunkt Hans Hermann Katte ist, auch wenn dieser im Stück nicht auftritt. Zur Seite gegeben sind Friedrich die Menschen, die ihm das meiste bedeuteten, ihn am entscheidensten prägten: sein Vater und Voltaire. Der Schauspieler Ralf Grawe als Protagonist, flankiert vom Bassisten Thorsten Oliver Huth und der Altistin Nadjah Saleh, sind das überzeugende Ensemble.

Ein Königsdrama wird vorgeführt. Man denkt an Hamlet. Wilhelm, der (tote) König mimt und singt wie der Komtur (auch Mozart hatte Probleme mit seinem Vater). Voltaire eine Frau – auch das ein überzeugender Kunstgriff. "Die Oper ist das Gewächshaus unserer Gefühle."

Ein Lob der Umsetzung des vorzüglichen Librettos (Steffen Thiemann) durch Birgit Grimm (Regie) und Agnes Soda (Ausstattung). Und natürlich der Musik (Helmut Oehring/ Torsten Ottersberg/ Daniel Görtz), die elektronisch aufgearbeitet ist, was hier besonders ins Schwarze trifft, weil dem Sparsamkeitsideal des Soldatenkönigs aus guten Gründen folgend. Aber es ist wie immer: der Mangel produziert die besten Einfälle, nicht der Überfluss, den die großen Opernhäuser wohl haben. Licht und Video tun das übrige, behutsam aber konsequent eingesetzt, die Handlung unterstreichend.

Es ist die erste eigene Gesamtproduktion und damit eine Welturaufführung der "Jungen Oper Berlin" gewesen, die jetzt zum Jubiläumsjahr anlässlich des 300. Friedrich-Geburtstages wieder im Spieplan steht. Bis zum 31. März, freitags und samstags jeweils um 20 Uhr, sonntags um 18 Uhr. Keine Vorstellung am 11. März.

Ralph Grawe als Friedrich der Große am Schlossplatztheater. Foto: Felix Grimm