Serie für den Natur- und Gartenfreund

Gartenplaudereien

von Marianne Schäfer

Der goldene Oktober, mit all seinen wunderbaren, herbstlichen Naturereignissen ist vorbei. An einigen Laubbäumen sind nur noch wenige rot/gelbe oder braune Blätter.

Ich denke mich in meine Kindheit zurück. Ich liebte schon damals das duftende, bunte Herbstlaub. Wenn ein Windstoß kam und viele, viele goldgelbe Lindenblätter durch die Luft schweben ließ, dann hob ich die Arme, hüpfte vor Freude und rief: "Ich bin die Goldmarie, ich bin die Goldmarie." Kleine Glücksmomente, die ich noch heute wach rufen kann. 

Es ist kalt geworden und nun liegen die Blätter auf der Erde. Eifrig werden sie zusammen geharkt und in Säcke gestopft. Nur weg mit dem Schmutz, denken viele Menschen. Das ist schade, denn nur Walnuss-, Eichen-, und Kastanienlaub sind schwer verrottbar. Die übrigen Blätter sind ein wertvolles Material, welches man im Garten zum Bedecken der Stauden und überhaupt des Bodens sehr gut verwenden kann. Ich weiß, es gibt Menschen, bei denen im Garten sogar die Blütenblätter von Ziergehölzen als Schmutz angesehen werden. Darum hätten sie am liebsten keine Bäume im Garten, weil sie nur Schmutz machen.

Dass es nun kälter wird merken auch die kleinen Vögel. Sie suchen die gewohnten Futterstellen auf, immer wieder schauen sie ins Futterhäuschen, bis dann endlich die Sonnenblumenkerne eingefüllt sind... Haselnüsse hat es dieses Jahr nur wenige gegeben, aber dafür eine sehr üppige Apfelernte. Obstbäume im Garten zu pflanzen war früher ein Muss! Die Müggelheimer Bauern bewirtschafteten alle hinter ihrem Hof den "Hausmorgen". Dieses Land war nur dafür da, dass für die Familie einigermaßen ausreichend Kartoffeln, Gemüse und auch Obst heranwachsen konnten. Auf diesem Gartenland stand damals auch ein eigener, kleiner Backofen. Der bekannte Herr Schreber, welcher zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts dafür sorgte, dass kinderreiche Familien einen kleinen Garten bewirtschaften konnten, verfügte damals, dass unbedingt Obstbäume gepflanzt werden sollten. Es entstanden die so genannten "Schrebergärten".

Als unser Vater hier in Müggelheim unseren Garten erworben hatte, war als erstes sein Bestreben, dass Obstbäume angepflanzt wurden. Die drei Grenzseiten des Grundstückes wurden mit Spalierobst bepflanzt. Jedes junge Bäumchen bekam ein Namensschild und darauf stand jeweils der Name der Sorte, die mir heute noch geläufig sind. Eine Geschichte erzählte mir eine Nachbarin. Sie berichtete wie die alten, großen Obstbäume, in meinem jetzigen Garten, damals gepflanzt wurden. Der damalige Gartenbesitzer hat die Obstbäume, welche schon jahrelang bei einem Bauern im Hausmorgen gestanden hatten und dieser sie nun nicht mehr haben wollte, übernommen. Die Bäume wurden stark beschnitten, gerodet, mit dem Pferdewagen in den Garten transportiert. Hier wurden sie wieder eingepflanzt. Es muss eine elende Schufterei gewesen sein. Die Bäume sind angewachsen und die Familie konnte viel Obst ernten. Als ich viel später diesen Garten übernommen habe, waren dann die meisten Bäume überaltert, vergreist, wie man sagt. Beim Renovieren entdeckte ich auf einem Fensterbrett, die von Kinderhand gekritzelten Worte: "Scheiß Apfelbäume".

Von all den Obstbäumen ist nun in diesem Garten, nur noch ein alter Baum-Recke vorhanden. Ich schätze, dass er älter als 90 Jahre ist. Nach einem Rückschnitt ist er wieder kräftig gewachsen, wie es für die Sorte Jakob Lebel zu erwarten war. Diese Apfelsorte ist in Frankreich von Jacqes Lebel, vor 175 Jahren gezüchtet worden. Die Früchte wurden als unansehnlich groß beschrieben. Sie sind etwas schief, mehr flach als hoch. Das Fleisch ist mürbe, saftig und säuerlich süß. Mit diesen großen Früchten beschenkt mich dieser alte Baum jedes Jahr reichlich.

Ich esse schon wochenlang viele Äpfel, was ja gesund sein soll. Ich backe Apfel Kuchen, koche Apfelmus und verschenke auch von den vielen Früchten. Da ich in diesem Jahr, in unserem Müggelheim viele reich tragende Apfelbäume in den Gärten gesehen habe, hatte ich Freude daran, die verschiedensten Sorten der Apfelbäume, nach dem Buch: "Deutscher Obstbau" zu bestimmen. Und siehe da, viele Sorten waren, wie damals bei meinem Vater noch die gleichen.

Die Sorte Klarapfel stammt aus dem Baltikum und wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts gehandelt. Sie ist die bekannteste frühe Sorte. Schon im Juli/August kann geerntet werden. Die Sorte James Grieve stammt aus Edinburgh in Schottland. Sie ist mittelfrühreif und hat eine ansprechende Frucht, welche bis Oktober haltbar ist. In einem Hausmorgen in Gosen fand ich die Apfelsorte Antonowka. Sie stammte aus einem Garten eines russischen Bauern Namens Anton, im Distrikt Kursk. Die Sorte Gravensteiner stammt wahrscheinlich aus Nordschleswig. Der bekannte Apfel Hasenkopf hat viele verschiedene Namen, aber seine walzenförmige Form ist unverkennbar. Ein sehr aromatischer Apfel ist die Cox Orange Renette. Sie wurde in England gezüchtet. Der heute noch sehr beliebte Boskoop wurde vor etwa 150 Jahren in Holland gezogen. Sein Fruchtfleisch ist saftig, fest, später mürbe, weinsäuerlich würzig. Als letzte Sorte möchte ich die Rote Sternrenette erwähnen. Sie wurde ganz im Norden, aus Lüttich kommend, in unsere Baumschulen, im 19. Jahrhundert eingeführt. Die Frucht ist erst gelb. Mit zunehmender Reife wird sie dunkelkarminrot, mit vielen kleinen, Renetten Punkten. Bis Februar kann sie gelagert werden, Daher ist dieser hübsche, rote Apfel der Weihnachtsapfel.

Es gibt noch viele alte Apfelsorten, sie sind auch in den Baumschulen erhältlich. Ich möchte Ihnen vermitteln, wie viel mehr Freude der eigens gepflanzte Apfelbaum im Garten, bei der Pflegearbeit, aber auch an Kulturwert und bei der Ernte und der Verarbeitung für jeden Gartenfreund bedeutet, als die Monate lang unter Industrie- und Chemie gelagerten Äpfel zu kaufen.