Jaczas Wanda ins rechte Licht gerückt

Müggelheimer Sagen auf den Zahn gefühlt

von Kurt Wernicke

Durch das Müggelland spukt unverdrossen die Legende von des Slawenfürsten Jacza Gemahlin Wanda, die ihres christlichen Glaubens willen von dem heidnischen Wüterich verfolgt wurde und in den Teufelssee geflüchtet sei – ein Kunstmärchen aus der Romantik. Wann die Schildhorn-Sage (nach der Jacza 1157 auf der Flucht vor dem siegreichen Albrecht dem Bären in der Havel zu ertrinken drohte und in seiner Not gelobte, Christ zu werden) erstmals gedruckt wurde, ist bekannt: 1831! Die Teufelssee-Sage mag nicht viel älter sein.

Beide Sagen werden jetzt mit der historischen Forschung konfrontiert. Danach bleibt von einem Faktenkern nicht mehr übrig, als die Tatsache, dass es im 12. Jh. einen in Köpenick einige Jahrzehnte hindurch residierenden Slawenfürsten Jacza gab, der in der Tat mit einer polnischen Hochadligen verheiratet war – aber die hieß Agatha und wurde ihm etwa 1147 angetraut. Als Tochter eines polnischen Granden war sie natürlich Christin (die Polen hatten 966 das Christentum angenommen), und sie wäre nie und nimmer die Ehe mit einem Heiden eingegangen. So ist da 1157 - wenn überhaupt – kein Heide durch die Havel geflüchtet, sondern ein Christ. Der hatte ab 1150 um die Herrschaft im Gebiet zwischen der Havel-Nuthe-Linie und der Elbe mit dem Hauptort Brandenburg mitgemischt, war aber trotz polnischer Unterstützung einer Allianz aus dem askanischen Markgrafen Albrecht und dem Erzbischof von Magdeburg unterlegen. Nach dieser Schlappe residierte Jacza aber wenigstens noch ein Dutzend Jahre in Köpenick, wo er seinen Herrschaftsanspruch durch eigene Münzprägung unterstrich. Erst um 1170 zog er sich auf seine angeheirateten Ländereien in Kleinpolen (nördlich Krakau) zurück, stiftete mindestens ein Kloster und starb 1176, von den polnischen Klerikern "dux" (Herzog) benannt. Agathe – die demnach nicht im Teufelssee versunken war – lebte noch bis mindestens 1203.

Das alles erfährt man jetzt aus der wissenschaftlichen Untersuchung eines Mittelalterspezialisten, der sich seit Jahrzehnten an der Berliner Akademie der Wissenschaften der Erforschung und Edition deutscher Mittelalter-Urkunden widmet – dem Müggelheimer Michael Lindner. Er hat – im Gegensatz zu einigen Vorläufern – auch die Ergebnisse polnischer und tschechischer Wissenschaftler herangezogen und so ein schlüssiges Lebensbild des Jacza von Köpenick vorgelegt. Ob es ihm damit gelungen ist, der Köpenicker Identifikationsfigur "Hauptmann" einen Partner beizugesellen, wird die Zukunft zeigen müssen.

Michael Lindner, Jacza von Köpenick Ein Slawenfürst des 12. Jhs. zwischen dem Reich und Polen, viademica verlag, Berlin 2012, 215 S. mit Illus., 19.80 € ISBN 978-3-939290-17-9