Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius

Meine Mutter war jüngst völlig perplex, dass ihr jemand im Bus seinen Platz angeboten hatte, so dass sie sicher sitzen konnte ohne Gefahr zu laufen, in der nächsten Kurve aus der Balance gebracht zu werden. Das war allerdings in Salzburg. Die Österreicher scheinen, was nicht wirklich verwundert, auch heute noch mehr Wert auf Etikette zu legen als die Deutschen, insbesondere die Berliner. Auch die Kellner in den Restaurants und im Hotel, selbst die Marktfrauen zeichneten sich dadurch aus.

Charakteristisch war dagegen das Willkommen in Berlin. Zu dritt standen wir nach unserem entspannten, von Höflichkeit und Freundlichkeit geprägten Salzburg-Wochenende in Schönefeld an der Bushaltestelle. Mit uns viele zum Teil auch fremdsprachige Touristen. Der Busfahrer hatte seine Tür bereits geöffnet – wahrscheinlich zur besseren Durchlüftung, weil er drinnen paffte (1. Negativpunkt). Als immer mehr Menschen ihn fragten, wie sie zum Alexanderplatz kämen – für Touristen eine durchaus berechtigte Frage – blaffte er nur "lasst mich doch in Ruhe!". Auf die nächste Frage haute er wütend seine Fahrertür zu (zwei weitere Negativpunkte). Letztendlich halfen wir Berliner den Touris. So viel zum ersten "guten" Eindruck von Berlin. Ich habe mal gelernt, es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck…

Aber damit waren wir ja noch nicht durch. Beim Umsteigen in Köpenick in unseren heimatlichen Bus hatten wir den zweiten "freundlichen" Busfahrer. Weil mein Mann die Fahrscheine hatte, ging ich freundlich lächelnd an ihm vorbei – und wurde prompt zurückgepfiffen. Auf meine Bemerkung, dass mein Mann die Tickets hätte blaffte er im schönsten Berlinerisch "Schön, das se mir Bescheid jesacht haben. Und dann heißtet wieda wir doofen Busfahra".

Ich vergaß zu erwähnen, dass alle Fahrgäste vor uns ohne Vorzeigen ihrer Tickets in den Bus marschierten (Negativpunkt Nummer 4 innerhalb von einer halben Stunde). Also wird es wohl an den Trollys gelegen haben, die uns als vermeintlich doofe Touris auswiesen. Ja, mit denen muss man ja auch so umspringen, gibt schließlich viel zu viele Fremde in unserem dörflichen Berlin. Ach, großstädtisch wollen wir sein, eine Metropole? Da muss ich wohl etwas verwechselt haben. Irgendwie kam mir jedenfalls das nur 120.000 Einwohner zählende Salzburg weltstädtischer vor als Berlin Wie der Eindruck doch trügen kann – aber es war ja der erste, und der zählt bekanntlich.