Denkmal wird zerstört

Bau der Gaspumpstation verhindert Blick auf Denkmalensemble

Von Simone Jacobius

JACOBIUS

Protest gegen das Bauvorhaben: Spontandemo, Unterschriftenaktion und ein Transparent am Bauzaun der Baugrube.

Die Gemüter vieler Müggelheimer kochen hoch. Grund ist die neue Baustelle auf unserem Dorfanger. Jeder, der Alt-Müggelheim aus Richtung Köpenick betritt, kann es sehen. Eine eingezäunte Baustelle ist auf der Freifläche des Dorfangers errichtet worden. Bauherr ist die GASAG, die an dieser Stelle ein Gebäude zur Installation einer Gasdruckregelanlage errichtet. Das Gebäude wird den Blick auf das denkmalgeschützte Ensemble gänzlich verwehren und unsere Dorffeste erheblich einschränken, so die Befürchtungen. Neben einer Unterschriftensammlung und einer Spontandemo hat der Müggelheimer Heimatverein (MHV) auch bereits einen Baustopp beantragt. Doch aus dem Bezirksamt ist offiziell kein Statement zu bekommen. Trotz mehrfachen Nachfragens durch den Müggelheimer Boten und anderer Engagierter gab es bis zum Redaktionsschluss am 29. Juni keine Antworten auf unsere Fragen.
„Wir wollen nichts unversucht lassen, diesen Skandal und die Zerstörung des Flächendenkmals Dorfanger zu verhindern“, sagt der MHV-Vorsitzende Lutz Melchior. Seit einigen Wochen hängt deshalb auch ein Transparent am Bauzaun: „Hier wird Denkmal zerstört“. doch weitergebaut wurde trotzdem. Erst nach mehreren Telefonaten mit Bauamt, Tiefbauamt und Gartenamt, wo niemand von dem Müggelheimer Bauvorhaben wusste, hat eine Privatperson die Information von der Denkmalpflege Köpenick bekommen, dass dort eine Pumpstation der Gasag entstehen soll. Sie wurde bereits vor langer Zeit von der Denkmalpflege bewilligt. Den Bauzeichnungen nach wird das Gebäude 2,88 Meter hoch und eine Fläche von drei mal acht Metern haben. „Die Bauarbeiter meinten, das was da drin ist, könnten sie auch in dem alten Haus unterbringen, aber hier ist es ein Typenbau, der überall gebaut wird”, erzählt der Anwohner Martin Jahn. Als Flachgebäude wird der Bau den Anger sicherlich maßgeblich verschönern...
Auch Irene Kruschke von der Bürgervertretung Müggelheim hat sich hinter die Sache geklemmt und beim Bezirksamt und der Gasag nachgehakt. „Was ich besonders negativ finde ist, dass wir im Vorfeld wieder keinerlei Information vom Bezirksamt bekommen haben. Mit der entsprechenden Aufklärung über den Müggelheimer Boten hätte man vielleicht den Wirbel jetzt vermeiden können“, sagt sie. Eine Kritik, die sie bereits seit vielen Jahren immer wieder äußert, ohne Erfolg. Auch sie sieht die Verschandelung des Dorfangers durch das neue Bauwerk, ist aber zugleich pragmatisch: „Es gibt keine Alternative zu dem Standort, wurde mir gesagt. Es ist für die Gasversorgung von Müggelheim existenziell wichtig.“ In Müggelheim lagen vor der Wende nur im Ortskern und ein kleines Stück des Krampenburger Weges entlang Gasleitungen. Dafür steht das kleine Häuschen mit Spitzdach auf dem Anger. Wegen der anstehenden Gasdruckerhöhung (immer mehr Häuser haben Gasanschluss) ist die Erneuerung dieses Häuschen dringend nötig – und der Anger sei das einzige Stück Land im Besitz des Bezirksamtes, wurde Irene Kruschke mitgeteilt. „Es handelt sich um einen Ersatzbau, denn das alte Häuschen mit dem Spitzdach wird dann abgerissen. Da gewinnen wir auch wieder Fläche zurück für unsere Feste", beruhigt Irene Kruschke, räumt aber auch ein, dass der Abriss wohl eine Weile dauern würde.
Doch diese Gasdruckstation an so exponierter Stelle verändert das Eingangsbild des denkmalgeschützten Dorfensembles gravierend und beschädigt den Eindruck des Dorfangers, argumentiert Lutz Melchior. Darüber hinaus werde gerade diese Fläche für traditionelle Veranstaltungen wie das „Angerfest“ und das „Erntefest“ genutzt. Diese Events haben eine Bedeutung über Müggelheim hinaus und würden durch das Bauvorhaben zu einer Verarmung des kulturellen Lebens im Ortsteil und in Köpenick führen. „Hier wird ein Denkmal praktisch zerstört“, sagt der MHV-Vorsitzende. In seinem Antrag auf Baustopp stellt er auch Fragen nach Bürgerbeteiligung bzw. -information und ob es nicht möglich wäre, das vorhandene Gebäude aufzurüsten.
Am Freitag den 19. Juni trafen sich spontan etwa 40 Müggelheimer auf dem Anger, um gegen das Bauvorhaben zu protestieren – mit Mund-Nase-Schutz und Abstand – und eine Unterschriftenaktion zu starten. „Wir haben bei so ziemlich allen Gewerbetreibenden in Müggelheim Protest-Unterschriftslisten ausgelegt”, sagt Lutz Melchior. Bis zum Redaktionsschluss sind bereits 350 Unterschriften zusammengekommen. Der Heimatverein prüft zudem, ob rechtliche Schritte eingeleitet werden können. Auch die Politik hat sich eingeschaltet: So hat der Linken-Bezirksverordnete Philip Wohlfeil eine schriftliche Anfrage ans Bezirksamt gestellt. Auch er fragt nach Bürgerbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung, aber auch, ob alternative Standorte geprüft wurden und warum das bestehende Gebäude nicht ertüchtigt werden konnte.
Wer es noch nicht weiß: Müggelheim ist das einzige noch so gut erhaltene Angerdorf in Berlin, das gilt es zu schützen. Bereits in der Bauordnung von 1927 wurde der friderizianische Anger unter Schutz gestellt, was 1988 auf Antrag der Müggelheimer durch die Denkmalpflege Köpenick erneuert wurde. Der Dorfanger mit Kirche und Alter Schule steht sowohl als Ensemble unter Denkmalschutz, als auch in verschiedenen Einzeldenkmalen (Nr. 3, 5, 9, 21, 22).