Gedanken aus Müggelheim

Von Simone Jacobius

Am letzten August-Wochenende ist wieder demonstriert worden. Eigentlich gegen die Corona-Einschränkungen, aber in Wirklichkeit gegen alles: Politik und Regierung, Ausländer, Impfungen, Bill Gates und andere krude Dinge. Im Vorfeld sollte die Demo abgesagt werden, wurde aber letztlich gerichtlich erlaubt. Das ganze Drumherum um Verbot oder Nicht-Verbot hat den Demonstranten eine Bühne gegeben – und viel mehr Aufmerksamkeit als gut ist. Demonstrationen sind ein hohes Gut der Demokratie und eine Demokratie muss auch so etwas aushalten. Wenngleich ich das Verbot durchaus als gerechtfertigt angesehen hätte, denn rückblickend wurde ja klar, dass die Auflagen nicht eingehalten wurden. Ist ja auch logisch, wenn man gegen Abstandhalten und Maskentragen antritt, will man die Dinge einfach nicht berücksichtigen.
Ich hätte mich wohler gefühlt, wenn nicht Tausende Corona-Leugner gemeinsame Sache mit Reichsbürgern und rechten Gedankengutträgern gemacht hätten, dabei sämtliche Abstands- und Hygieneregeln missachteten und so womöglich den Sars-Covid 19-Erreger weiter verbreiten. Das was alle gemein hatten, war die Abneigung gegen das „System“.
Ich habe auch ein Problem damit, wenn die Pressefreiheit behindert wird und, wie am 1. August bei der ersten großen Demo geschehen, Journalisten beschimpft, bespuckt und an der Ausübung ihrer Arbeit – nämlich der freien Berichterstattung (auch ein hohes Gut der Demokratie) – gehindert werden.
Wir leben gerade in einer Pandemie, die zugegebenerweise bei uns glimpflicher abgegangen ist als in anderen Ländern. Aber vermutlich wegen der rechtzeitig erhobenen Einschränkungen, die das Infektionsschutzgesetz auch rechtfertigt.
Fakt ist: In einer Demokratie kann man seine Meinung frei äußern und Lösungsvorschläge anbieten, sie mitgestalten im Rahmen des Rechtes nach den Regeln der Gesellschaft. Wir leben in keiner „Meinungsdiktatur”, sondern in einer, wie es ein Kollege ausdrückte, „Kompentenzdiktatur”, nämlich in einer Demokratie, in der man bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss, um die Gesellschaft mitbestimmen zu können.
Dank der sozialen Medien fühlt sich aber heutzutage jeder als sein eigener Herrscher, lebt in seiner Blase, die nun plötzlich angesichts seiner Bedeutungslosigkeit geplatzt ist. Denn nicht der Einzelne bestimmt die Demokratie, sondern die Mehrheit. Und wenn die meisten Menschen kein Problem mit dem Tragen der Maske haben (79 Prozent laut Umfrage), trägt man in einer Demokratie die Mehrheit mit.
In ihrer Kompetenzlosigkeit verstehen die Leugner nicht einmal, welche Kompetenzen ihnen fehlen. Plötzlich ist jeder von ihnen Epidemiologe, Virologe, Klimaforscher und Jurist. Dabei haben die meisten nicht einmal das Grundgesetz verstanden. Vielleicht haben wir schon eine zu lange Phase an Frieden und Freiheit, so dass einige vergessen haben, was das überhaupt ist.
Sie demonstrieren für Freiheit und merken noch nicht einmal, dass sie gerade dabei sind, eine der größten Freiheiten auszuüben. Sie kommentieren im Internet den Verlust der Meinungsfreiheit und merken noch nicht einmal, dass sie selber das gerade widerlegen. Vor lauter Freiheit haben sie vergessen, was Unfreiheit eigentlich bedeutet!

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