Trügerische Stille

Wenn durch Corona über Schallschutz und BER geschwiegen wird

Von Hilla Uppenkamp

In Müggelheim und seinen angrenzenden Bezirken und Gemeinden ist es sehr ruhig geworden. Der im wörtlichen Sinne himmlische Friede steht im krassen Gegensatz zum Entsetzen, dass ein winziges Virus unser aller Leben komplett aus dem Tritt bringen kann. Und so passiert es, dass wir uns alle bemühen, die AHA (Abstand, Hygiene, Atemschutzmaske) –Regeln in unseren Alltag zu integrieren, uns täglich zum Anstieg von Infektionszahlen zu informieren – und beim Thema BER nur noch zur Kenntnis nehmen, dass dieser am 31. Oktober eröffnet werden soll.

Monatlich informiert die Flughafengesellschaft (FBB) in ihrem Schallschutzbericht über den Fortschritt bei der Durchführung des Schallschutzprogramms. (https://www.berlin-airport.de/de/nachbarn/schallschutzprogramm/weitere-informationen/sachstandsbericht-schallschutz/index.php). So liest man dort, dass für mehr als 22.000 Wohneinheiten (WE) Schallschutzanträge gestellt wurden und davon mehr als 95 Prozent „abgearbeitet“ seien. Aber was heißt das konkret? Ist eine Bestätigung des Antrageingangs schon eine Abarbeitung? Und wenn die FBB selbst schreibt, dass bei etwa 13.000 WE Ansprüche zur baulichen Umsetzung von Schallschutzmaßnahmen ermittelt, davon bisher aber weniger als 3700 ganz oder teilweise realisiert wurden, liegt es dann an den Betroffenen?

Unbestritten ist, dass schon vor dem Baubeginn die unter dem künftigen Flughafen leidenden Anwohner mit Hilfe des BVBB vor Gericht ziehen mussten, um den geplanten 24-Stunden-Non-Stopp-Betrieb zu kippen. Die uns vom Bundesverwaltungsgericht zugesprochene Nachtruhe wird nach dem Urteil von 2006 ab dem Start des BER fünf Stunden betragen. Dann musste der BVBB vor Gericht ziehen, um durchzusetzen, dass mit behördlicher Baugenehmigung gebaute Häuser schützenswert sind, selbst wenn die FBB die Küche als zu klein oder die Deckenhöhe als zu niedrig ansieht.

Wenn es zurzeit auch eher ruhig am Himmel über dem künftigen BER zugeht, darf nicht verschwiegen werden, dass die geringe Zahl der Umsetzung von baulichen Maßnahmen zum Schallschutz kein Verschulden der Betroffenen ist. Vielfach sehen sich Anspruchsberechtigte außerstande, die genehmigten Baumaßnahmen zu von der FBB festgesetzten Kosten umsetzen zu können. Denn da gerade durch die erhöhte Bautätigkeit in der Immobilienbranche Handwerksbetriebe unserer Region rar sind, müssen sie nicht zusätzliche Aufträge zu Dumpingpreisen übernehmen. Die FBB hat schon immer knapp kalkuliert, wenn es um den Schutz der Anwohner ging. Jetzt aber, wo die Spatzen von den Dächern pfeifen „Drohende Insolvenz der FBB! Drohende Insolvenz der FBB!“ ist deren Geldbeutel noch enger geschnallt. Bis zu 15 Betroffene wenden sich pro Woche an den BVBB, der mit seiner Vorsitzenden Christine Dorn diese in ihren „Scharmützeln“ mit der FBB unterstützt. In den oft enervierenden Schriftwechseln müssen Bürger zusätzliche Dokumente beibringen, obwohl behördliche Baugenehmigungen beurkundet sind. Dann streitet man mit dem Anwohner über Bauschall-Berechnungen oder begehrt eine weitere Begehung zur erneuten Feststellung des zu genehmigenden Schallschutzes.

Und so ist gut zu verstehen, dass auch zum 31. Oktober die Zahl der umgesetzten Schallbaumaßnahmen die 30 Prozent bei den bisher genehmigten Anträgen nicht überschreiten wird.

Uns wird die Pandemie wohl noch länger im Griff haben. Und es ist nicht damit zu rechnen, dass die Häufigkeit von Starts und Landungen in Berlin wieder bekannte Dimensionen oder aber auf längere Sicht neue Höhen erreicht. Es bleibt zu befürchten, dass die etwa 4000 Anspruchsberechtigen im Umfeld des BER, die bisher noch keinen Antrag auf Schallschutz gestellt haben, sich deshalb gar nicht so gestört fühlen und die (fast) himmlische Ruhe als eine für die Ewigkeit geltende empfinden.  

Diese Anwohner sollten nicht vergessen, dass nach dem Planfeststellungsbeschluss (13.8. 2004/ 5.1.07) der Antrag auf Schallschutz innerhalb von fünf Jahren nach Inbetriebnahme des BER zu stellen ist – danach hat man gegenüber der FBB keine Ansprüche mehr. Merken Sie sich also den 31.Oktober 2025 – falls wir bis dahin noch nicht unter dem Lärmteppich begraben wurden.