Die Schule in Müggelheim

Ein historischer Exkurs über den 1934 begonnenen Bau

Von Dr. Michael Braun, Hönow

MICHAEL BRAUN

Die hübsche Müggelheimer Grundschule verdankt ihre Existenz kurioserweise einem der ersten von den Nazis nach ihrer Machtergreifung gestarteten Arbeitsbeschaffungsprogramme. Dieses Programm war nach dem damaligen Finanz-Staatssekretär Fritz Reinhardt benannt, hieß also seinerzeit noch nicht ABM. Ein Programm-Bestandteil war eine enorme Schulbau-Initiative. Die sagenhafte Zahl von 50 neuen Schulen sollte innerhalb kurzer Zeit dem diesbezüglichen Mangel abhelfen.
Außer einer größeren Schule im Berliner Stadtteil Heinersdorf war zum Beispiel auch in Müggelheim eine Schule mit 16 Klassen auf einem 14.000-Quadratmeter-Grundstück an der Odernheimer Straße 28 vorgesehen. Der Ausführungsentwurf stammte von dem Architekten Richard Ermisch, die Ausführung von der Firma B.R. Hopf. Ermisch hatte zu jener Zeit bereits etliche Wohnbauten in Berlin und das Freibad am Wannsee verantwortet .
Am 16. Oktober 1934 konnte von der Müggelheimer Schule ein erster Bauabschnitt eingeweiht werden. Er entsprach in etwa einem Zehntel des anvisierten Bauvolumens.
Schon 17 Jahre später war die Schule zu klein geworden und musste erweitert werden. Die Art und Weise dieser Erweiterung wurde von Architekturkritikern sehr gelobt, sie stand beispielgebend für den zaghaften Versuch der DDR, bauhaus ähnliche Strukturen anzuwenden [2, 3].

Seit 1977 dann war die Schule nach dem Kommunisten Fritz Selbmann (Bild rechts, Foto Bundesarchiv )benannt. Selbmann war der typische Vertreter eines hemdsärmligen Funktionärs, der in der frühen DDR bis zum „stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrates“ aufsteigen konnte.
Dort war Selbmann bei der SED für die Heldentaten des Sozialismus, wie das Hüttenkombinat an der Oder und das Großgaswerk bei Schwarze Pumpe, zuständig. Hier posierte er gern wildwestmäßig, hackte kühn die störende Fichte um oder fuhr mit der Planierraupe den Mutterboden beiseite. Ehefrau Käte half derweil mit, den sozialistischen Frauenbund zu gründen.
Größere Bekanntheit erlangte der Lenin-Schul-Absolvent und 20-fache Ordenträger unfreiwillig beim Arbeiteraufstand 1953. Immerhin besaß er dort – als einziger von der gesamten SED-Kamarilla – den Rücken, sich in dieser Situation in der Leipziger Straße den 11.000 aufgebrachten Arbeitern zu stellen. Auf einem Tisch stehend gelang es ihm aber schlecht, deren Schreie zu übertönen. Seine Botschaft interessierte offenbar niemanden mehr. Chefs von ihm waren blitzschnell zu ihren russischen Beschützern geflüchtet.
Die Schulbenennung nun war nicht etwa seinem flammenden Einsatz am Potsdamer Platz geschuldet, sondern der Tatsache, dass Selbmann nach seinem Auszug aus einer schicken Fabrikanten-Villa im russisch besetzten Karlshorst seit 1965 mit seiner zweiten Frau zehn Jahre lang in Müggelheim wohnte. Seine Villa stand und steht im Enkenbacher Weg 66 (die Straße wurde 1942 nach einem Ort im heutigen Bundesland Rheinland Pfalz benannt). Die nach Selbmann benannte Müggelheimer 16. Polytechnische Oberschule bekommt bei einem Bewertungsportal immerhin noch heute gute Zensuren. Ihren „Ehrennamen“ übrigens musste sich diese Schule teilen mit einer Ingenieurschule im sächsischen Mittweida. Heute trägt sie ihn selbstverständlich nicht mehr, ist inzwischen eine reine Grundschule und heißt ganz profan „Müggelheimer Grundschule”. Der Schulbau wurde bereits mehrfach erweitert und soll demnächst wieder um- und ausgebaut werden. Der starke und kinderreiche Zuzug nach Müggelheim macht es nötig.