Gedanken aus Müggelheim

Von Hilla Uppenkamp

Kennen Sie das? Sie wollen einen Kuchen backen und dann ist kein Backpulver im Haus;  es ist später Samstagabend, morgen kommt die Familie zum Kaffee, – was tun? Wie fast alle hier im Dorf werden Sie wahrscheinlich zum Nachbarn gehen und den bitten, Ihnen auszuhelfen. Wenn der kein Backpulver mehr hat, gehen Sie zum nächsten, richtig? Bei uns in der Nachbarschaft funktioniert das mit der „Akuthilfe“ ganz wunderbar.

Nachbarn und Familie kann man sich ja nicht wirklich aussuchen, aber arrangieren kann man sich mit allen, oder? Nicht alle Nachbarn müssen meine Freunde sein. Ich würde auch nicht unbedingt jeden Nachbarn ansprechen, wenn mir etwas fehlt, aber im Umgang sollten wir (nicht nur in der Nachbarschaft) einen akzeptablen Ton mit- und füreinander finden. 

Vor einigen Wochen begrüßte ich einen Nachbarn, der jeden Montagabend – so wie ich – zu einer Demonstration am Dorfanger ging. Wir gingen – wie immer – zu gesonderten „Veranstaltungen“. Auf meinen Gruß: „Hallo!  Guten Abend!“ erwiderte er laut (mit wutverzerrtem Gesicht): „Ich verbitte mir, von Ihnen angesprochen zu werden!“ Zugegebenermaßen, politisch sind wir nicht Freunde, aber wir leben in derselben Nachbarschaft, haben eine gemeinsame gute Freundin, sehen uns auch mal auf deren Grundstück – kurzum, ich war bestürzt. 

Diesem Vorfall hätte ich gar keine große Bedeutung zugemessen, ich sehe diesen Herrn jeden Montag, ich grüße, er schaut weg. Nun aber gab es von der Gruppe, mit der er immer montags den Spaziergang absolviert, eine sehr aggressive verbale Attacke (unter Jubelrufen einiger Spaziergänger) gegen eine Journalistin des Tagesspiegels, die in einem Artikel auch über die Müggelheimer Spaziergänger-Demo berichtete, auf der am 25. Juli ein Plakat der „Freien Sachsen“ gezeigt wurde. Im Tagesspiegel war darauf hingewiesen worden, dass die „Freien Sachsen“ vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet werden. Ob das der Grund für den verbalen Angriff war, ist nicht zu klären, da die Gruppe mir keine Erklärung geben wollte.  

Jede Wahl zeigt, wir Müggelheimer sind keine homogene Gruppe, wir haben sehr viele Menschen, die glauben, dass linke Politik unserem Land helfen wird. Und mehr als 20 Prozent der Wähler meinen, dass die rechten Parteien (AfD/NPD) es richten können. Wo die Spaziergänger stehen, kann ich nicht sagen. Was ich aber weiß, ist: mein Nachbar marschiert mit einer Gruppe, die offenbar die freiheitlich-demokratische Grundordnung in unserem Land in Frage stellt. Und, mein Nachbar stellt sich zu einer Gruppe, die es als ihr Recht der freien Meinungsäußerung ansieht, unserer kleinen angemeldeten Montagsdemo ein Plakat vor die Nase zu stellen, auf dem steht: „Der größte Lump in diesem Land, das ist und bleibt der Denunziant“. Wenn das der Ton in Müggelheim werden sollte, ist das mit der guten Nachbarschaft wohl nur noch „Schnee von gestern“, oder?     

siehe auch: Leserbriefe

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