Vom Gewaff, von Rausch- und Ranzzeiten

Tierisches Leben in unseren Wäldern

Immer im Herbst – und das ist schon lange gute Tradition – lädt der Umweltkreis Förster George Majumder in unseren Dorfklub ein, um Neues aus der Revierförsterei Fahlenberg zu erfahren. Am 22. November war es wieder soweit. Rund zwanzig Müggelheimer waren gespannt, was es Neues und Wissenswertes aus unseren Forsten um Müggelheim zu berichten gibt. George Majumder wählte diesmal das Thema: Welche Tiere leben im Fahlenberger Wald?
Um es gleich vorwegzunehmen: Unser Förster nahm sich fast alle Säugetiere in unser näheren Umgebung vor, vom Fuchs, Waschbär, Reh, Hase, Marder und Wildschwein war die Rede. Und er berichtete ausführlich über deren Bestand, Besonderheiten und Eigenarten. Ausdrücklich seien an dieser Stelle auch die praktischen Tipps zu Umgang und Lebenswandel unserer tierischen Nachbarn erwähnt. Das größte Säugetier in unseren Wäldern um Müggelheim ist das Wildschwein. Es ist bei uns reichlich vorhanden, und so mancher Müggelheimer kann ein Lied davon singen. Aber im Ernst: Wildschweine werden nach Altersklassen unterschieden in Frischlinge, Überläufer und reife Schweine. Frischlinge, das sind die kleinen Schweine unter einem Jahr. Bachen können bis zu zwölf Frischlinge werfen, von denen jedoch nur sechs bis zehn, je nach Witterung und Nahrungsangebot, überleben. Überläufer nennt man jene Schwarzkittel, welche ein Jahr alt sind.
Die Alterung oder Reife eines Wildschweins erkennt man unter anderem an der Pürzellänge (Schwanzlänge), am Habitus, an der Verfärbung der Schwarte und am Gewaff. Was für ein mächtiges Wort für die Zähne des Säugers, die Allesfresser sind, sich aber vorwiegend von Eicheln, Bucheckern, Kleinsäugern und Insekten ernähren. Zeitweise ernähren sie sich aber auch rein pflanzlich. So mancher Landwirt im ländlichen Umfeld kann ein Lied davon singen. Wenn es nicht genügend Waldfrüchte gibt, graben sie den Waldboden um und laben sich an den pflanzlichen Wurzeln als Energieträger.
Der gewöhnliche Keiler, das männliche Wildschwein, schafft es auf die stattliche Länge von 1,50 – 1,80 Meter Länge und hat eine Schulterhöhe von bis zu 1,10 Meter. Das Muttertier, die Bache, bringt ihre Jungen in einem gepolsterten Kessel, einer Kuhle, zur Welt und sie schützt ihren Wurf äußerst energisch. Frischlinge müssen zu Beginn ihres Lebens ein sechsmonatiges Training absolvieren, ehe sie allein im Wald überlebensfähig sind. Wenn die Bache Gefahr wittert kann sie selbst sehr aggressiv werden. Andererseits – auch wenn sich hartnäckig dieses Gerücht hält – gehen Wildschweine nicht grundlos auf Menschen los. Allerdings fühlen sie sich von Hunden bedroht. Wenn es also zu aggressiven Handlungen der Bache kommt, gelten sie in der Regel dem Hund des Menschen. Merke: Begegnet man im Wald – egal ob mit oder ohne vierbeinige Begleitung, die stets angeleint sein muss – einer Rotte, am besten eine andere Richtung einschlagen und ihnen aus dem Weg gehen. Auf jeden Fall sollte man ihnen immer einen Fluchtweg offenhalten.
Wildweine sind ans Wasser gebunden. Sie brauchen es zur Hautpflege und zur Abkühlung in warmen Sommermonaten. Diese feuchten, oft auch schlammigen Stellen sind ihre Suhlen. Auch wenn sie relativ schlecht sehen können, sind ihr Geruchssinn und ihr Gehör wesentlich besser ausgebildet als bei Menschen oder Hunden. Das führt sogar dazu, dass Wildschweine das Knabbern der Engerlinge im Boden hören. Das Wildschwein gräbt den Boden auf und verspeist die Engerlinge. Sie können auch Hindernisse, zum Beispiel Zäune von 1,20 Meter Höhe mühelos überspringen. Und Zäune, die weniger als 30 bis 40 Zentimeter tief in den Boden gesetzt werden, untergraben Wildschweine mühelos, um an Nahrung zu gelangen.
Keiler sind Einzelgänger, außer während der Paarungszeit (Rauschzeit). In den Monaten Ende November bis etwa Januar sucht der Keiler mehrere Bachen, um sich zu paaren. Sind die Bachen rauschig, dann steht der Paarung nichts im Wege. Interessant war es von Förster Majumder auch zu erfahren, dass die Leitbache, die Rauschzeit der auch jüngeren Bachen in der Rotte beeinflusst. Die alte erfahrene Leitbache bestimmt den Zeitpunkt der Rauschzeit. Verunglückt die Leitbache oder stirbt sie, haben die anderen jüngeren Bachen schwer zu kalkulierende Zeiten der Rausche.
Bei genügend Nahrungsangeboten ist es möglich, das die Bachen zweimal jährlich frischen. Doch Frischlinge, die im Herbst oder Frühwinter geboren werden, sind bei ungünstiger Witterung meist nicht überlebensfähig. Die Tragzeit der Bachen beträgt etwa drei Monate, drei Wochen und drei Tage. Im Revier der Försterei Fahlenberg – das sind ca. 750 Hektar – leben ständig 40 bis 60 Sauen. Eine genaue Anzahl ist unmöglich festzustellen, da Sauen sich natürlich nicht an Forstreviergrenzen halten. Auf der Suche nach Nahrung und Tageseinständen, sind sie in der Lage mehrere Kilometer in einer Nacht zurückzulegen.
Es ist das Ziel von Förster Majumder, einen Überschuss an Zuwachs zu verhindern. In harten Wintern reguliert sich der Bestand auf natürlichem Wege. Bei milder Witterung und reichlichem Nahrungsangebot muss die Riege der Jäger den Bestand regulieren. Rund 40 bis 50 Wildschweine wurden in den vergangenen Jahren jährlich im Forstrevier Fahlenberg geschossen. In den letzten Jahren war die Zahl der Verkehrsunfälle mit Wildschweinen, im Revier Fahlenberg deutlich rückläufig.
Auch wenn mancher Müggelheimer es anders sehen mag, Wildschweine – so die Bewertung von George Majumder – sind äußerst nützliche Tiere im Wald. Sie belüften den Waldboden, sie reduzieren Schadinsekten und Mäuse, sie sind Aasfresser und leben, im Normalfall, in der Rotte in strengen sozialen Strukturen. Insofern sind sie sehr beeindruckend. Das findet auch Niederschlag in ihrer Lernfähigkeit, bezüglich ihres unmittelbaren Lebensraumes. Wenn es uns gelingen sollte, ihnen im Siedlungsbereich keine Nahrungsgrundlagen zu schaffen, wäre ein wesentlicher Konfliktpunkt gegenstandslos. Im Forstrevier sind sie Zuhause und willkommen, auch wenn die jagdliche Regulation weiterhin notwendig sein wird, um beispielsweise Schwarzwildkrankheiten vorzubeugen. MH für den Umweltkreis