Die Vorteile der Steinzeiternährung

von MR Dr.med.Rolf Förster

Wenn wir an Steinzeitnahrung denken, kommen uns meistens Bilder der Familie Feuerstein in den Sinn, wie sie riesige Fleischstücke von Urzeitechsen braten. Doch was hat es genau mit der sogenannten Steinzeiternährung auf sich?
Als sich in der Altsteinzeit, auch Paläolithikum genannt, vor rund 200.000 Jahren der heutige Mensch, entwickelte, war das Überleben keine einfache Sache. Um zu überleben, waren unsere Vorfahren Jäger und Sammler, die täglich der Suche nach Nahrung nachgingen. Entgegen einiger Annahmen war ihr Speiseplan aber alles andere als eintönig. In der freien Natur fanden sie eine große Auswahl an Früchten, Hülsenfrüchten, Wurzeln, Sprossen, Samen und Beeren, Gemüse, Rinden und Ähnliches sowie Wildtiere, Fisch, Geflügel und Krustentieren. Milch und Getreide gab es hingegen nicht.
Die Befürworter der Steinzeitnahrung, die von dem guten Einfluss auf die Gesunderhaltung des menschlichen Körpers überzeugt sind, begründen ihren Standpunkt damit, dass der Mensch sich während der letzten 2,5 Millionen Jahre genetisch um nur etwa einen Prozent verändert hat. Da die Steinzeit etwa 99 Prozent der gesamten Geschichte der Menschheit ausmacht, sind unsere Gene so eingestellt, dass wir mit dem, was uns in der Altsteinzeit zur Verfügung gestanden hat, heute gut und gesund überleben können.
Die Befürworter dieser Ernährung sind überzeugt, dass viele der heutigen Erkrankungen, besonders die sogenannten Zivilisationskrankheiten wie Herzversagen, Schlaganfälle oder Krebs, durch eine nicht „artgerechte“ Ernährung des Menschen verursacht werden. Besonders die Entwicklung des Ackerbaus und das Sesshaftwerden trugen dazu bei, dass sich die Gesundheit der Menschen verschlechterte. Jäger und Sammler wurden seltener krank und im Durchschnitt älter und größer als ihre sesshaften Nachkommen. Die Ernährung war eben ausgewogener und abwechslungsreicher als die der sesshaften Bauern, die sich hauptsächlich von Getreideprodukten ernährten. Auch waren Jäger und Sammler seltener von Hungersnöten betroffen, da sie der Nahrung hinterherziehen konnten. Vor allem war dabei der Aspekt der täglichen Bewegung ausschlaggebend! Sie liefen pro Tag mindestens 10-20 Kilometer auf der Suche nach Essbarem. In der Zeit der Not sogar mehr. So kämpften unsere Vorfahren sicherlich nicht mit Übergewicht, denn um zu überleben, musste man fit sein!
Auf einen paläontologischen Speiseplan gehören deshalb für die Nachahmer hauptsächlich Obst und Gemüse, Wildfleisch und Fisch, Früchte, Nüsse und Samen. Hingegen vermeiden sie Milch- und Getreideprodukte, da es die Viehzucht bei unseren Ahnen in der Altsteinzeit nicht gab. Sie lehnen auch Zucker und industriell produzierte Fertigprodukte ab, da sie nicht unserem Genmaterial angepasst seien. Sie greifen aber zu Alternativen, die es bereits in der Altsteinzeit gab, wie zum Beispiel Honig und süße Früchte zum Süßen von Speisen. Einige Befürworter der Steinzeiternährung gehen sogar so weit, dass sie Insekten, Würmer und Larven auf Grund ihres hohen Nährstoffgehaltes in ihren Speiseplan aufnehmen.
Und die Vitalstoffe? Wissenschaftler kamen zu dem Entschluss, dass es diesbezüglich große Unterschiede zur heutigen Ernährung gab. Milch und Getreideprodukte kannten unsere Ahnen aus der Altsteinzeit nämlich nicht. Sie ernährten sich, wie gesagt von gesammelten Früchten und erjagtem Fleisch. Während der Bedarf an Kohlenhydraten damals durch eine große Auswahl an Obst und Gemüse gedeckt wurde, wird er heutzutage hauptsächlich durch Getreide gedeckt, was nur wenige Variationen im Speiseplan bringt. Während unsere Vorfahren durch ihre abwechslungsreiche Ernährungsweise viele Vitamine, wie Folsäure oder Vitamin C und Mineralstoffe und Spurenelemente wie Calcium, Magnesium und Eisen, aber auch Omega-3-Fettsäuren durch die Nahrung aufnahmen, ist die Aufnahme bei der heutigen Ernährung viel geringer.
Auch wenn sich unsere Gene insgesamt nur minimal verändert haben, gab es doch ausschlaggebende Genveränderungen, die die Toleranz von Laktose ermöglichten. Unsere Vorfahren hatten jedenfalls eine Laktoseintoleranz, heutzutage können wir meistens Laktose verdauen, eine Folge der Domestizierung von Nutztieren. Auch gewöhnten sich unsere Ahnen allmählich an die vermehrte Aufnahme von Kohlehydraten. Die Nährstoffrelation der Steinzeitmenschen sah in etwa so aus: Fett 50%, Eiweiß 20-30% und Kohlenhydrate 30%., während heute die Nährstoffrelationen empfohlen durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., denen ich mich nicht anschließen kann, sondern auf Grund meiner Erfahrungen eher im gesunden Mittelmaß zwischen beiden sehe, so aussehen: Fett 30%, Eiweiß 15% und Kohlenhydrate 55%. Wenn wir auch heute die Laktose in den Milchprodukten durchaus verdauen können, resultiert die nicht so seltene Laktoseintoleranz dennoch aus unserem nicht angepasstem Genmaterial. Die regelmäßige Bewegung unserer Vorfahren, die man heute endlich wieder als sehr gesundheitsfördernd erkannt hat, hatte eben auch einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Altsteinzeitbewohner.
Wer heute täglich 15 Kilometer läuft, wird nicht mit Übergewicht zu kämpfen haben. Wir begrüßen heute auch wieder die Vitalstoffdichte, die diese Art von Ernährung mit sich bringt. Die Steinzeitnahrung entspricht der ursprünglichen „artgerechten“ Ernährung des Menschen! Nicht zu vergessen ist auch, dass gerade der Gewichtsverlust, wie er heute oft erwünscht ist, während der Steinzeit gar nicht wünschenswert war, da unsere Vorfahren jede Kalorie zum Überleben brauchten. Ich propagiere nicht unbedingt den alten Spruch: „Zurück auf die Bäume, marsch, marsch!“, denke aber doch, dass wir uns bei der Ernährung mehr an unsere Gene und auf den notwendigen Bewegungsdrang der Steinzeitmenschen zurück besinnen sollten.
Kann die Nostalgie, die hinter solchen Trends steht auch Schaden anrichten? Ja, und zwar dann, wenn wir die Mechanismen der Evolution falsch verstehen und glauben, wir dürften dieses und jenes nicht tun, weil die Menschen es eben früher auch nicht getan haben. Beinahe alle Merkmale von Lebewesen sind nämlich durch Abwägung entstanden: Individuen mit längeren Beinen überlebten vielleicht eher, weil sie schneller vor Räubern davonlaufen können. Aber sie kühlen auch schneller aus, weil sie über die Beine mehr Wärme abgeben. Ob etwas vorteilhaft oder nachteilig ist, hängt davon ab, in was für einer Umwelt wir leben – und zwar heute.
Ich denke, nicht unsere heutige Nahrung ist das Hauptproblem, sonder unser Verhalten: Wir essen zu viel und oft zu einseitig und bewegen uns zu wenig! Bleibt die Frage, warum sich die modernen Paläolithiker wirklich so gesund, glücklich, schön und klar im Kopf fühlen. Wie gesund die Steinzeitkost ist, hängt davon ab, wie man dieses Konzept interpretiert. Wer Getreidebrot, Nudeln und Käse weglässt, dafür mengenweise Schweinshaxen, Salami und Koteletts isst, wird kaum eine wundersame Wandlung des Körpers erfahren. Wer dagegen viel Gemüse isst, verziert mit Nüssen, dazu hin und wieder mageres Wildfleisch, der lebt ziemlich gesund. Nur das ist keine neue Erkenntnis, das stimmt mit den gängigen Ernährungsempfehlungen überein. Mancher Effekt ist schlicht damit zu erklären, dass ernsthafte Paläo-Esser auch ihren Alltag umstellen: Outdoor- Sport, kein Alkohol, viel Schlaf.