Der Dichter Gerhart Hauptmann

Eine Spurensuche in Müggelheim

von Dr. Michael Braun, Hönow

In diesem Haus am Grünstadter Weg sollte das Hauptmann-Museum entstehen

Am 6. Juni 1946 starb der deutsche Dichter Gerhart Hauptmann im schlesischen Agnetendorf auf seinem Landsitz „Wiesenstein“. Sein Tod kam nicht unerwartet, Hauptmann war schon längere Zeit krank. Dass er überhaupt noch im seit einem Jahr zu Polen gehörenden ehemaligen Teil Deutschlands weilen durfte, verdankte er russischen Gönnern. Als nach seinem Tod die Polen auf seinen Weggang drängten, erreichten die Russen für ihn opulente Sonderbedingungen. So durfte seine Witwe seinen gesamten beweglichen Besitz in die damalige sowjetische Besatzungszone Deutschlands (SBZ) überführen, die Dinge füllten immerhin einen kompletten Eisenbahnzug von sieben Wagen.
Die russischen Besatzer, die Hauptmann nicht zuletzt wegen seines „Weber“-Epos enorm schätzten, hatten ein stark politisch geprägtes Interesse gehabt, Hauptmanns Nachlass in ihrem Einflussbereich zu halten, um daraus ein Gerhart-Hauptmann-Museum zu schaffen, das eine Stätte ewigen Andenkens an einen der größten Humanisten unserer Zeit sein sollte.
Noch während der Überführung von Hauptmanns Kondukt von Hirschberg nach Ostberlin hatte die zweite Ehefrau Hauptmanns, Margarete, testierte Alleinerbin und spätere Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, dem mitreisenden Korrespondenten der russischlizensierten Tageszeitung „Tägliche Rundschau“ Gustav Leuteritz versprochen, nach der von ihrem Mann gewünschten Beisetzung auf der Insel Hiddensee „unverzüglich die Gestaltung eines Gerhart-Hauptmann-Museums vorzubereiten, das infolge des reichen Nachlasses den Charakter seines Agnetendorfer Heimes weitgehend zu wahren imstande wäre“.
Zunächst einmal aber hatten die Russen für Frau Hauptmann nach ihrer Ankunft in Müggelheim die Villa des Gartenbauingenieurs Ulrich Loth im Grünstadter Weg 16 auf Dauer zur Verfügung gehalten, immerhin keine profane Adresse am Waldrand. Für ein angedachtes Museum war das Anwesen nach Frau Hauptmanns Auffassung zwar nicht geeignet, immerhin wurde im dortigen großen Vorderzimmer vorerst Hauptmanns Sarg, umgeben von fünf aus Schlesien mitgebrachten Bäumen aufgebahrt, das mitgebrachte Mobiliar etc. unter Einsatz von fünfzehn zwangsverpflichteten ehemaligen NS-Parteigenossen in zwei Garagen gelagert. Die Besitzerin des Anwesens, Charlotte Loth, war bereits im Juli 1945 von den Russen aus ihrem Haus exmittiert worden. Ihren Ehemann hatten die Russen aufgrund einer Denunziation wegen seiner Mitgliedschaft im NSKK mitgenommen. Ihn hat man nie wieder gesehen. Anschließend zogen „Sozialisten“ in die Villa und hinterließen ein Schlachtfeld.
Im April 1946 durfte Frau Loth nach neun Monaten wieder in ihr Haus, hatte derweil in dem kleinen Gartenhaus von Freunden mit ihren fünf Kindern unterkommen müssen. Sie sollte wie selbstverständlich die Hausreparatur selbst bezahlen. Nur einen Monat später wollten die Russen ihr Haus erneut, diesmal wegen Hauptmann. Erst im folgenden November hatte die Odyssee für Frau Loth mit der endgültigen Haus-Rückgabe ein Ende. Auf den Reparaturkosten indes blieb sie sitzen.
Wenig später ist der Hauptmann-Sarg zur Insel Hiddensee weiter befördert, und dort dann bestattet worden. Nach der Aufregung zog in Müggelheim wieder Ruhe ein. Frau Hauptmann indes kehrte von der Ostsee nicht mehr dorthin zurück, sondern reiste mit amerikanischer Hilfe weiter nach Bayern. Avancen der Russen hatte sie dankend abgelehnt.
Als man mehrere Monate später die Müggelheimer Garagen sichtete, stellte man fest, dass alles, was aus dem Nachlass des Dichters irgendwie wertvoll ist, bereits weggeführt und angeblich nach Berlin-Tempelhof auf einen Speicher gebracht worden war. Laut Protokoll einer Magistratssitzung taugte die magere Ausbeute nicht für eine repräsentative Verwertung: Zurückgeblieben sind einige Möbelstücke aus dem Arbeitskabinett von Gerhart Hauptmann sowie eine größere Anzahl von Büchern, die aber nicht unmittelbar mit dem Werk des Dichters in Beziehung stehen. Zum Aufbau eines Gerhart-Hauptmann-Museums, wie es sich die Vertreter des Kulturbundes, der Zentralverwaltung für Volksbildung und des Magistrats der Stadt Berlin gedacht hatten, reichten diese Restbestände nicht aus. So wurde Müggelheim um den Ruhm eines Gerhart-Hauptmann-Museums gebracht. Die wenigen Möbel kann man sich in Erkner anschauen, seit einigen Jahren „Gerhart-Hauptmann-Stadt.
Der Schlüssel zu der unerwarteten Wende ist die grundhafte Abneigung der Hauptmann-Familie den Russen gegenüber. Der Dichter selbst hatte sterbenskrank noch seine wichtigsten Archivalien von der SS im Frühjahr 1945 nach Bayern schaffen lassen. Benvenuto Hauptmann, der einzige Sohn aus der Ehe mit Margarete, hat später die Millionenwerte in Müggelheim unter aller Augen skrupellos geplündert.
Immerhin hatte der große deutsche Schriftsteller so tatsächlich für etwa zwei Tage in Müggelheim geweilt, allerdings leider nur als sterbliche Hülle.