Haus und Hof im Laufe der Jahrhunderte

270 Jahre Müggelheim

von Peter Belitz

Das Gehöft Alt-Müggelheim 7 von der Straßenseite her um 1930 Repro: Belitz (2)
Alt-Müggelheim 5 auf der Hofseite um 1930

Den 20 Odernheimer Familien wurde bei ihrem Eintreffen in Berlin im Mai 1747, wie in der Erbverschreibungsurkunde vom 1. Juni 1747 beschrieben auf dem Cöpenickschen Werder ein Platz zugewiesen. Hier sollten sie ein neues Dorf mit dem Namen Müggelheim aufbauen.
Von der Kriegs- und Domänenkammer kam der Plan, welche Form das Dorf bekommen sollte: ein Angerdorf, an jeder Seite zehn Häuser, an einer Längsachse, der heutigen Chaussee von Köpenick nach Gosen und einer Querachse zwischen dem jeweils fünften und sechsten Hof, heute: Odernheimer und Sobernheimer Straße. Dadurch ergab sich die Form eines langgestreckten Rhombus, mit vier mal fünf Höfen. Diese Form ist noch heute erhalten.
Die Fläche des Dorfangers diente der Hütung, gegenüber von Haus Nr. 4 wurde später der erste Friedhof angelegt. 1763 wurde auf Drängen der Colonisten der Bau eines Schulhauses auf der Dorfaue angeordnet, realisiert wurde er erst 1779. Durch den Anbau eines weiteren Raumes 1784 wurde das Schulhaus zu einem Schul- und Bethaus erweitert. Der Bau der Kirche auf der Dorfaue erfolgte 1805 und der Bau einer Schule in Backstein neben der Kirche 1890.
Der Cöpenicksche Werder war ein Stück unkultiviertes Land mit Sträuchern und Bäumen bewachsen und teilweise Wiesen und Sumpfgelände. Die Kolonisten mussten, bevor sie mit dem Bau der Häuser beginnen konnten, die vorgesehenen Ackerflächen roden. Der König wies im August 1747 die Bauern der umliegenden Dörfer an, beim Roden, Pflügen und Eggen in Müggelheim zu helfen. Ebenso wurden Handwerker der umliegenden Gemeinden angewiesen, beim Bau der Häuser mitzuwirken. Das Holz für den Hausbau hatte Landjäger Bock aus Köpenick aus dem Königlichen Forst unentgeltlich bereit zu stellen.
Die Form der Höfe und die Maße für die Gebäude wurden ebenfalls von der Kriegs- und Domänenkammer vorgegeben. Ein Gehöft bestand aus dem Wohnhaus, der Scheune und dem Stall. Das Wohnhaus stand mit der Längsseite zur Straße, Scheune und Stall waren getrennt vom Haus, die Scheune begrenzte den Hof zum Garten hin. Diese Anordnung war für die Zeit modern, da bei einem Brand nur das betreffende Gebäude abbrannte.
Das Haus war nach dem Vorbild des „Märkischen Mittelflurhauses“ konstruiert, d.h. der Flur ist durchgehend von der Straßenseite zur Hofseite und teilt das Haus. Die Ausführung der Gebäude erfolgte in der Bauweise ihrer Pfälzer Heimat, als Fachwerk, mit Lehm ausgemauerte Fächer und Stroh gedeckt. Die Fenster in den Oberlichtern der Türen sorgten für Tageslicht im Flur. Vom Flur führte eine Treppe zum Boden, der jedoch nicht ausgebaut war. Die Küche hatte einen großen Herd mit Kamin-Schornstein. Neben der Küche befand sich eine nicht beheizbare Kammer, vermutlich der Schlafraum. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flures befand sich ein zweiter Schornstein für den großen Kachelofen der Wohnstube, der in eine weitere Kammer (das Altenteil) hineinreichen konnte. Das Haus hatte zwei größere Stubenfenster und drei Kammerfenster, der Fußboden war gedielt, Küche und Flur mit Backsteinen ausgelegt.
Für den Bau der Häuser ist Holz von hoher Qualität verwendet worden. In den im Ursprung noch erhaltenen Häusern, fand man bei Bauarbeiten im 20. und 21. Jahrhundert noch die Ursprungsmaterialien im Dachgebälk und in den Dielen.
In harter Arbeit rodeten die Pfälzer das Land, bauten ihre Häuser, schafften die lebende Hofwehr und Ackergeräte aus eigenen Mitteln an, nachdem einige von ihnen im Herbst 1747 nach Hause gefahren waren um ihr restliches Vermögen zu holen. In einem Bericht vom August 1748 heißt es, dass 14 Häuser fertig sind, drei in Arbeit und drei noch nicht angefangen.
1860 wütete ein Brand im Dorf. Es wurden die Häuser Nr. 2, 3, 4 und 5 vernichtet. Im Jahre 1886 ein weiterer Brand durch Blitzschlag. Es brannten die Häuser 16, 17 und 18 auf der anderen Seite des Angers ab. Sie wurden wieder aufgebaut, in Anlehnung an die ursprünglichen Maße, aber in Steinbauweise. Möglicherweise stammten die Ziegel aus der Müggelheimer Ziegelei an den ehemaligen „Tonkuten“ im Hirseländer Weg. Zu erkennen sind diese Häuser noch heute daran, dass sie im Eingang drei Stufen bis zur Haustür haben. Als Lagermöglichkeit wurden diese neu erbauten Häuser mit einem Keller versehen.
Die Häuser Nr. 6, 9, 12, 16 und 19 sind in ihrer ursprünglichen Bauart an ihrem ebenerdigen Eingang zu erkennen. Bei Bauarbeiten stößt man noch heute gelegentlich auf das ummauerte Fachwerk. In den folgenden Jahrzehnten brannten im Dorf durch Blitzschlag Scheunen und Ställe ab.
Anfang der 1930er-Jahre wird das Haus Nr. 7 abgerissen. Es bestand bis zu dieser Zeit in der ursprünglichen Bauweise. An seiner Stelle entsteht ein Geschäftshaus.
Das Haus Nr. 8 (das Geburtshaus von J. J. Baeyer) wurde im Weltkrieg stark beschädigt und in den 50er-Jahren abgerissen. An seiner Stelle wurde das Ärztehaus aus Betonfertigteilen errichtet.
Auf der Hofstelle Nr. 16 wurde ein zweigeschossiges Geschäftshaus in den 1930er-Jahren gebaut. In ihm befanden sich bis in die 80er-Jahre eine Drogerie (heute Blumenladen) und eine Fleischerei (heute Bäckerei). In Nr. 17 befand sich ein Wohnhaus, in Nr. 17a eine Bäckerei. Beide wurden durch einen Zwischentrakt verbunden. Darin war in den 70er- und 80er-Jahren das Konsum-Cafe Müggelheim untergebracht.
Die Häuser Nr. 19a und 20 wurden im Kriege zerstört (anstelle von Nr. 20 befindet sich heute ein Wohn- und Geschäftshaus).
Schon zu DDR-Zeiten wurde das Ensemble Dorfanger Müggelheim, wegen seiner Einzigartigkeit der Bausubstanz im Berliner Umland, zum Flächendenkmal erklärt, mit den Einzeldenkmalen Haus Nr. 3, 5, 9 sowie 21 (Alte Schule) und Nr. 22 (Dorfkirche). Am 6. März 2008 wurde zudem die Erhaltungssatzung für das Gesamtensemble „Dorfanger Müggelheim“ erlassen.