Ein Herz für die Müggelheimer

Der Verein Sozialbündnis feiert seinen 30. Geburtstag und freut sich über neue Mitglieder

Von Simone Jacobius

Der Verein Sozialbündnis Müggelheim arbeitet seit 30 Jahren unverdrossen und ohne viel Aufhebens für die älteren Müggelheimer. Was für die engagierten Vereinsmitglieder selbstverständlich ist, soll nun nach drei Jahrzehnten auch einmal öffentlich gewürdigt werden. Und somit schon einmal an dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle ehrenamtlichen Helfer!
In der Aufbruchstimmung der 90er-Jahre hatten die meisten Menschen mit sich selbst zu tun. Man musste sich neu orientieren, für manche standen Arbeitsplatz und Existenz auf dem Spiel. Eigentlich nicht die Zeit für ehrenamtliche Arbeit. „Aber ich dachte mir, es kann doch nicht sein, dass sich in Müggelheim niemand mehr um ältere, behinderte, alleinstehende und kranke Menschen kümmert, dass diese Gruppe einfach durch den Rost fällt“, erinnert sich die Vereinsvorsitzende Irene Kruschke an die Anfangszeit und beschloss kurzerhand selbst aktiv zu werden. „Ich wollte einen Verein, der ältere und benachteiligte Menschen berät und in gewissem Maß auch zusammenführt“, erläutert sie ihre damalige Vorstellung. Schon der Name „Sozialbündnis” sollte das Miteinander und die gegenseitige Hilfe von Alt und Jung ausdrücken.
Zuerst war „Klinkenputzen” angesagt. Irene Kruschke ging buchstäblich von Haus zu Haus, um für ihre Idee zu werben. „Durch meine 30jährige Tätigkeit als Kitaleiterin in Müggelheim kannte ich natürlich auch viele Menschen, ehemalige Kinder, ihre Eltern und Großeltern. Dies machte das Werben um Unterstützung etwas einfacher”, sagt die rührige Rentnerin.
Sieben Mitglieder musste ein Verein mindestens haben, um gegründet zu werden. Sie schaffte es schnell auf 17. Eine Satzung wurde erarbeitet, und vom verantwortlichen Gericht Charlottenburg wohlwollend abgenickt, so dass der Verein ins Vereinsregister eingetragen werden konnte. Das war am 30. März 1990 – das Gründungsdatum vom „Sozialbündnis”. „Deshalb wollen wir das Ereignis auch am 18. März feiern, unseren 30. Geburtstag“, sagt Irene Kruschke.
Schon Ende des Jahres 1990 hatte der Verein 37 Mitglieder. Die Vereinstreffen wurden gut besucht. Überwiegend durch Mundpropaganda kamen immer mehr Müggelheimer dazu. Rasch tauchte ein Problem auf: Der Anteil der jüngeren Müggelheimer, die helfen und betreuen wollten, wurde im Verhältnis zu den älteren Bürgern, die eintraten, immer geringer. Es wurde extra ein ganz niedriger Mitgliedsbeitrag bestimmt, damit sich jeder den Verein leisten konnte.
Das Sozialbündnis veranstaltet mindestens einen Seniorennachmittag im Monat. Dazu kommen gemeinsame Ausflüge per Bus und jährlich eine kleine Reise. So konnten die Vereinsmitglieder schon schöne Gegenden in Deutschland, Polen, Österreich und der Schweiz kennenlernen. „Wir haben ein richtiges Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt”, freut sich Irene Kruschke.
Fasching, Herbst- und Sommerfest sowie Weihnachten werden gefeiert und zwei Mal im Jahr die Geburtstagskinder. Zu jedem Seniorennachmittag gibt es für die Vereinsmitglieder kostenlos Kaffee und Kuchen, zu Musik wird geschunkelt, getanzt und mitgesungen.
„Nach einer Veranstaltung höre ich oft ,Das war wieder ein schöner Nachmittag! Besser als alleine Zuhause rumzusitzen.‘ Zu meiner Freude haben sich sogar schon etliche Freundschaften entwickelt”, so die Vereinsvorsitzende.
Das Motto lautet: „Keiner wird allein gelassen“. Auch wenn der Verein nicht alle Probleme selber lösen konnte und kann, kann er doch Hilfsangebote vermitteln. Im April 1993 erfolgte dann ein Aufruf in der Presse – in allen Ortsteilen Berlins sollten sogenannte Sozialkommissionen gebildet werden. Aufgrund der ziemlich identischen Aufgabengebiete meldete sich Irene Kruschke sofort für diese ehrenamtliche Aufgabe an. Sechs weitere Mitstreiterinnen konnten gewonnen werden, die ebenfalls von der BVV Köpenick berufen wurden. „Da es dasselbe Klientel betrifft, konnten wir Sozialbündnis und Sozialkommission gut miteinander verbinden“, erinnert sich Irene Kruschke. Allerdings kam eine neue Aufgabe hinzu: Den Altersjubilaren im Namen des Bezirksbürgermeisters zu gratulieren. Das gilt zum 80., 85., 90. und danach jeden weiteren Geburtstag zu dem mit einem Glückwunschschreiben, Blumen oder einem kleinen Präsent gratuliert wird.
Unterstützung für die Durchführung der Veranstaltungen bekommt der Verein nicht. „Meine Anträge, dass der Dorfklub Alte Schule doch als Kiezklub eingestuft werden solle, wurden immer abgelehnt, weil der Bezirkshaushalt das nicht hergeben würde. Dabei unterhält der Bezirk bereits zehn Kiezklubs mit finanzieller Zuwendung und zum Teil sogar Festangestellten. Unser nächster Kiezklub wäre das Haus der Begegnung in Wendenschloss, viel zu weit weg und nur mit zwei Mal umsteigen zu erreichen. Für ältere und vor allem gebehinderte Müggelheimer nicht zu bewältigen“, klagt die rührige Seniorin.
Davon hat sich Irene Kruschke in den drei Jahrzehnten jedoch nicht unterkriegen lassen. Zusätzlich zu den festen Veranstaltungen hat der Verein noch zahlreiche Freizeitgruppen ins Leben gerufen oder zumindest angestoßen. Ab 1995 gab es eine Gymnastikgruppe, die erst aufgelöst wurde, als das Fitnessstudio Michel eröffnet (inzwischen auch geschlossen). Seit 1999 gibt es einen Seniorenchor, gestartet mit sieben Sängern, heute sind es fast 40. Im selben Jahr wurde die Seniorenbowling-Liga ins Leben gerufen, die jede Woche in Müggelhort trainierte und nach dessen Schließung ins Hotel Müggelsee auswich. Weil es auch dort nicht mehr weiterging, hat die Seniorenbowling-Liga sich nun an der Seelenbinderstraße beworben. Im Februar 2010 kam schließlich eine Qigong-Gruppe unter der Leitung von Frau Dr. Binde hinzu und im November 2011 startet noch ein Tanzkreis für Gesellschaftstanz (Standard und Latein) dazu – jeden Dienstag um 11 Uhr im Dorfklub. Genug Alternativen für jeden Geschmack also.
Doch der Verein bietet nicht nur Freizeitmöglichkeiten an, sondern setzt sich auch für die ältere Generation ein. So hat er über den Kiezkassenfond seit 2013 bereits drei Ruhebänke für die Senioren „erkämpft”, die besonders relevant für die rechts Ortsseite waren, wo kein Bus fährt, aber die Straßen stark ansteigen. „Für viele ältere Müggelheimer war der Weg ohne Pause zwischendrin einfach nicht machbar“, begründet Irene Krusche die Initiative. Als nächstes Projekt streben die Vereinsmitglieder einen generationsübergreifenden Outdoor-Fitness-Platz an der Busschleife am Krampenburger Weg an. Vom Sportausschuss wurde die Idee bereits befürwortet, finanzielle Mittel fehlen jedoch noch.
Infolge der leider meist altersbedingten rückläufigen Mitgliederzahlen von fast 200 auf nur noch 148 und der steigenden Preise mussten in diesem Jahr erstmals in seiner Geschichte die Vereinsbeiträge erhöht werden – auf jetzt 15 Euro im Jahr. „Vielleicht hat der eine oder andere Müggelheimer ja zumindest Lust, unsere soziale Arbeit mit seinem Beitrag zu unterstützen. Uns ist schon bewusst, dass junge Leute, die noch arbeiten, uns in der Regel nicht tatkräftig unterstützen können. Aber der Jahresbeitrag von 15 Euro würde schon helfen““, wirbt Irene Kruschke um neue Mitglieder. Jüngere und ältere Interessenten können sich bei ihr unter der Telefonnummer 659 55 53 melden – ein Anrufbeantworter ist geschaltet.