Schule mal anders

Homeschooling im Zeichen von Corona klappt – aber nervt viele

Von Simone Jacobius

Marie und Moritz (Klasse 3b und 6b). Beide vermissen die Schule, da die Eltern beim Homeschooling nerven! Moritz fehlt zudem sein Fußballtraining. Er spielt mit Leidenschaft beim 1.FC Union Berlin.

Fabian , Klasse 2b: Ich würde gern wieder zur Schule gehen, weil ich meine Klassenkameraden vermisse. Besonders fehlt mir mein Fußballtraining.

Seit dem 17. März sind die Schulen in Berlin geschlossen, auch die Müggelheimer Grundschule. Erst am 4. Mai geht es langsam wieder los. Dazwischen gab es nur eine Notbetreuung für Kinder mit Eltern in systemrelevanten Berufen. Von den 20 angemeldeten seien bis Ende April täglich zwischen zwei und 17 Kinder dagewesen, die in kleinen Gruppen ihre Aufgaben machten, betreut wurden und gemeinsam Mittag aßen, so Schulleiterin Ute Samper.
Auch wenn in diese Zeitspanne zwei Wochen Osterferien fielen, müssen die Kinder und Jugendlichen dennoch beschult werden. Homeschooling ist das Zauberwort, analog zum Homeoffice für die Erwachsenen. Alle arbeiten und lernen sie jetzt von Zuhause aus, soziale Kontakte sind, so die Anordnung des Senats, auf die eigenen vier Wände zu beschränken. Nicht einfach für Familien, alles unter einen Hut zu bringen: Ersatzlehrer für die Kinder zu spielen, sich gleichzeitig immer neue Beschäftigungsmöglichkeiten einfallen zu lassen (schließlich haben auch Vereine, Musikschulen & Co. geschlossen, bis letzte Woche auch die Spielplätze) und dann noch ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. „Wir sind uns der Probleme bewusst, können sie aber leider nicht ändern“, sagt Ute Samper. Doch wie funktioniert das Homeschooling ?
„Unsere Lehrer haben die unterschiedlichsten Unterrichtsformen gewählt. Die Jüngeren haben Materialien in Form von Arbeitsblättern mit nach Hause bekommen, für die Älteren gibt es Lernplattformen mit Materialien zu allen Fächern oder auch mal ein selbst aufgenommenes Youtube-Video“, erzählt die Schulleiterin. Manche Lehrer haben einen Online-Chat eingerichtet, um den Schülern bei der Bewältigung der Hausarbeiten zu helfen, andere rufen ihre Schüler einmal die Woche an oder helfen bei Fragen per Email. Seit Ende April stehen Kästen im Foyer der Schule, wo die Schüler ihre Arbeitsblätter zur Korrektur und Bewertung abgeben sollen. Neue Aufgabenblätter wurden nach den Ferien auch schon durch die Fenster der Schule herausgereicht. Fächer wie Musik und Kunst fallen allerdings im Moment hinten runter.
„Wir sind uns bewusst, dass eine Bewertung der Arbeiten nicht vergleichbar und daher nicht gerecht ist. Denn keiner kann überprüfen, wer die Aufgaben wirklich gelöst hat – waren es die Eltern, ältere Geschwister, die Schüler selbst?”, weiß Ute Samper um die Schwierigkeiten. Ziel sei es jedoch, dass die Kinder dranbleiben am Lernen. Das später Defizite aufgearbeitet werden müssten, sei allen klar.
„Ich bin positiv überrascht, wie sich fast alle Lehrer vom ersten Tag an auf diese Herausforderung eingelassen haben“, sagt der Gesamtelternsprecher der Müggelheimer Grundschule, Gordon Wähler. Das die Situation schwierig sei und Eltern keine geborenen Pädagogen, sei klar. „Aber die Situation trifft uns alle, Lehrer, Eltern und Schüler – und nicht nur in Müggelheim“, plädiert er für Verständnis und Geduld. Alle müssten sich derzeit an die Senatsvorgaben halten und säßen im selben Boot.
„Für die Verhältnisse die wir haben und den Altersdurchschnitt der Lehrer ist das Engagement top. Es richten plötzlich Lehrer, von denen ich das nie gedacht hätte, digitale Klassenzimmer ein“, sagt Wähler. Das Feedback der Eltern sei auch überwiegend gut. Dass die Situation für alle belastbar sei, stünde aber außer Frage. „Auch die Kids unterliegen einem höheren Stresslevel, weil sie durch die Eltern stärker unter Beobachtung stehen“, hat Gordon Wähler auch bei seinen beiden Kindern festgestellt. Glücklicherweise sind er und seine Frau relativ viel zu Hause zum Arbeiten und können so für einen festen Tagesrhythmus sorgen. Gleich nach dem Aufstehen sitzen der Fünft- und der Zweitklässler an ihren Schreibtischen und arbeiten sich durch ihr Pensum. Nach einer längeren Frühstückspause gibt es dann die zweite Lerneinheit, in der Regel bis mittags. Dann ist Feierabend. „Während der Kleine seinen Arbeitsstoff gut alleine bewältigt, braucht der Große doch ein bisschen Hilfestellung und Erklärung durch uns. Der Stoff in der fünften Klasse ist halt schon anspruchsvoller.” So wie er es mit seinen Kindern hält, würden es die meisten Eltern machen, zu denen er Kontakt hat. "Die meisten Eltern legen viel Wert auf Bildung und unterstützen ihre Kinder", hat er beobachtet.
Am Montag gehen die ersten Schüler wieder regulär in den Unterricht: die Sechstklässler. Die anderen folgen sukzessive. Sie werden in Kleingruppen aufgeteilt und in unterschiedlichen Räumen nach Stundenplan unterrichtet. Dafür sind dann natürlich auch mehr Lehrer nötig. Eine Herausforderung, sind doch etwa zehn Lehrer und Erzieher offiziell freigestellt, weil sie mit einem Alter über 60 Jahren zur Risikogruppe gehören.
Aber auch sonst gibt es neue Abläufe an der Schule. So werden die Schüler versetzt in die Pausen gehen, damit nicht alle auf einmal rausstürmen. Der Reinigungsdienst wird in jeder Pause Toiletten, Handläufe und Klinken putzen. Wenn Masken kommen, werden auch Masken getragen werden. „Aber bis Ende April hatten wir noch keine“, sagt Ute Samper. Die unterrichtsfreie Zeit wurde jetzt auch dafür genutzt, die Malerarbeiten zu beenden, die Buddelkasteneinfassung zu machen und einen Spielzeugcontainer einzuräumen, „damit alles fertig ist, wenn die Schule wieder richtig los geht.” Wann das ist, steht noch in den Sternen.
Übrigens braucht kein Schüler Versetzungsangst zu haben. „Wir werden alle Schüler versetzen, außer eventuell diejenigen, die ohnehin schon auf der Kippe standen und bei denen das auch bereits mitgeteilt wurde. Und dann werden erstmal alle Defizite aufgearbeitet“, sagt die Schulleiterin.

 

Yannick , Klasse 4b: Ich finde es nicht gut, dass kein Lehrer da ist, der mir mal etwas erklären kann. Aber dafür kann ich die Aufgaben jetzt in aller Ruhe machen und mich auch besser konzentrieren. Cool ist auch, dass ich einen recht lockeren Tag habe. Aber ich freue mich schon darauf endlich meine Freunde in der Schule wiederzusehen und auf meinen Sport. Ich spiele nämlich Hockey bei der KHU.

GORDON WÄHLER (3), OLIVER ALBRECHT (1)

Philip, Klasse 5b: Homeschooling ist in Ordnung. Nur das ich auf mein Fußballspielen im Verein verzichten muss, fällt mir schwer.