Eine schwierige Zeit

Von Dr. Horst König

Es ist eine schwierige Zeit, in der wir jetzt leben, vor allem sicher durch Corona, aber nicht nur deswegen. Kürzlich wurde ich angesprochen, ob ich gelegentlich etwas im Müggelheimer Boten schreibe. Als ich dies bejahte und wir uns verständigt hatten, wer ich sei, kam es: „Ich habe Ihren Artikel, in dem Sie im März auch über Monika Maron geschrieben haben, herausgeschnitten und aufgehoben“.

Nun, damals konnte ich noch nicht wissen, daß ich mich bald noch intensiver mit Monika Maron beschäftigen würde. Freilich, seit den 80er Jahren, seit „Flugasche“ haben mich ihre Werke immer – mal mehr, mal weniger – begleitet. Das in der Berliner Zeitung „Zeitenwende“ abgedruckte Interview mit ihr vom 19. Juli veranlasste mich schließlich, ihren neuesten bei S.Fischer erschienen Roman „Artur Lanz“ sofort nach Erscheinen zu kaufen. Ich habe das Buch fast verschlungen. Es sind viele Themen angesprochen worden, die einem unter den Nägeln brennen. So erfährt man u.a. auch: Die Titelfigur Artur Lanz, ein Physiker, hat am Institut, an dem er arbeitet, einen Freund. Dieser hält die Theorie vom menschengemachten Klimawandel und der Wirkung des Gases CO2 für Schwindel und vertritt dies auch noch auf Facebook. Durch die Denunziation einer Kollegin kommt es am Institut zum Eklat, der Kollege beharre nicht nur auf einer unwissenschaftlichen und politisch falschen Position, sondern schade damit auch unmittelbar dem Institut, für das er arbeite.

Bei der entscheidenden Sitzung erhebt sich nun die Frage, ob der stille und schüchterne Artur Lanz, obwohl er nicht die wissenschaftliche Sicht seines Freundes teilt, im Namen der Meinungsfreiheit doch für ihn eintreten wird. Er tut es. In einer Besprechung von Manuela Reichert gleich nach Erscheinen des Romans in August hieß es u.a. „Der Roman zur Zeit: Ein Plädoyer für Unterschiede und Debatten, gegen ideologische Rechthaberei und Identitätspolitik. … Gut wäre es, wenn die Menschen, die über andere Meinungen nicht mehr reden wollen, die andere Überzeugungen für nicht diskussionswürdig halten, diesen Roman lesen und der Autorin nicht vor allem – wie geschehen – reflexartig die falsche politische Haltung vorhalten würden.“ Und in der Wiener Zeitung vom 5. Oktober heißt es einleitend: „Was man sagen darf und was nicht – ein Roman als Lehrstück zu Beschränkungen der Meinungsfreiheit.“ Für mein Empfinden ein sehr aktueller Roman.

Da traf die Nachricht wie ein Blitz: z.B. in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Oktober: „Kein Platz für Maron – umstrittene Schriftstellerin“. Der S.Fischer-Verlag beendet die fast 40-jährige Zusammenarbeit – seit „Flugasche“ –  mit der Schriftstellerin.  Im Artikel heißt es u.a.: „Eine traurige, ja tragische Geschichte also. Monika Maron besitzt, wie manche Intellektuelle, die in beiden deutschen Staaten gelebt und Karriere gemacht haben, eine unerschütterliche Treue zur eigenen Überzeugung. Das ist nicht zynisch gemeint, sondern es bezeichnet eine Charaktereigenart, die sich von der Diskurswendigkeit vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen unterscheidet“. Und der Artikel endet: „Ich bin traurig und fassungslos”, schreibt Monika Maron, eine der ganz großen deutschsprachigen Schriftstellerinnen, „dass ich mich in einer Situation befinde, in der ich vor vierzig Jahren mit, Flugasche‘ schon einmal war. Nur war ich damals eben vierzig Jahre jünger.”

Ich selbst habe damals vor vielen Jahren dank guter Beziehungen „Flugasche“ gelesen und einiges Bemerkenswerte herausgeschrieben. Ich nehme mir mein altes Heft vor und lese: „Ich soll mir abgewöhnen, ich zu sein. Warum können sie mich nicht gebrauchen, wie ich bin?” Im kommenden Jahr wird Monika Maron 80 Jahre alt.