Es ist herrlich dort oben, ein paar Meter über dem Erdboden: Das Gesicht in der Sonne, eine sanfte Brise um die Nase und die Aussicht – einfach grandios! Dass Frank Rheinwald sich in luftigen Höhen wohlfühlt, liegt auf der Hand, andernfalls wäre der 54-Jährige nicht professioneller Baumpfleger geworden.
Doch auch von seiner persönlichen Vorliebe abgesehen, kann der Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung gut nachvollziehen, warum sich Kletterpflanzen oft viele Meter durchs Geäst quälen, bis sie endlich aus der Baumkrone herausgucken. „Ganz einfach: weil sich der Energieeinsatz für sie lohnt! Die meisten Kletterpflanzen benutzen Bäume, um an bessere Photosyntheseplätze zu kommen – also an hellere Plätze. Denn je mehr Licht sie erhalten, desto höher ist ihre Photosyntheseleistung und desto mehr Energie können sie in Wachstum und Vermehrung stecken.“
Für gesunde, gut gewachsene Bäume ist ein „baumfremder Bewuchs“, wie ihn die Fachleute nennen, erst mal kein Problem. Bis sich beispielsweise Efeu so ausgebreitet hat, dass er einem Großbaum in nennenswertem Umfang Licht raubt, vergehen Jahre und selbst dann arrangiert sich der Baum in der Regel mit der Konkurrenz.
„Ökologisch gesehen sind derart bewachsene Bäume sogar etwas sehr Positives, denn sie bieten unzähligen Insekten, Spinnen, Vögeln und Kleinsäugern Schutz, Nahrung und Brutplätze – da bildet sich ein eigenes kleines Ökosystem“, schwärmt Rheinwald. „Efeu ist dabei besonders wertvoll. Erst liefert er Bienen und anderen Insekten Nektar und Pollen, danach bildet er blauschwarze Beeren, über die sich viele Vögel freuen – und viele brüten in dem Dickicht auch gleich.“
Weniger vorteilhaft kann ein dichter Bewuchs allerdings sein, wenn es sich um Bäume im Siedlungsraum handelt und die gesetzlich vorgeschriebene „Verkehrssicherungspflicht“ ins Spiel kommt. Jeder Baumbesitzer, ob Kommune oder Privatmensch, muss sicherstellen, dass durch die Gehölze niemand zu Schaden kommt. Bäume müssen daher auf ihre Standsicherheit und das Risiko für Astbruch beurteilt werden. Aber Spannungsrisse, Rindenablösungen, Verfärbungen oder Pilzfruchtkörper lassen sich nun mal nur entdecken, wenn Stamm und Äste auch richtig gesehen werden können. Wenn geprüfte Baumpfleger also auf efeubewachsene Bäume treffen, müssen sie zuerst einmal die Kletterpflanzen entfernen. Während man Waldreben oder Kletterrosen noch beiseiteschieben kann, bleibt beim am Stamm anhaftenden Efeu oder auch einem Gewirr aus Knöterich keine Wahl als sie zu entfernen.
Efeu, aber auch der mitunter an Bäume gesetzte Blauregen, können zudem auch direkt zu Astbruch führen: „Sie verursachen oft Einschnürungen und damit potenzielle Sollbruchstellen. Und sie können durch ihr schieres Gewicht Astbruch hervorrufen, vor allem in äußeren Kronenbereichen und besonders im Winter, wenn die Bäume selbst unbelaubt sind und der Wind die bewachsenen Bereiche ganz anders angreifen kann.“
Für die Baumexperten gehen regelmäßige Baumkontrollen, Efeubeseitigung im Bedarfsfall und fachgerechter Schnitt daher Hand in Hand. „Je früher wir mit im Boot sind, desto besser, und zwar für alle Beteiligten“, empfiehlt Frank Rheinwald: „Der Baum kann sich im künstlichen Lebensraum bestmöglich entwickeln. Die Baumbesitzer können sich entspannen und sparen Kosten, weil es erst gar nicht zu teuren massiven Eingriffen kommt.“

GMH/FgB