Regional und saisonal – Müggelheims kleinem Bauernmarkt auf den Stand geguckt

Von Margot Heinrich

HEINRICH

Rudi Stadie, Nadine Schallert, Stefan Lent (v.l.), die drei vom Freitagsmarkt.

Es ist schon kurios. Im September 2002 war im „Boten“ folgendes zu lesen: „Jedem Müggelheimer sein Supermarkt.“ Dieser Spottvers war berechtigt, bekam unser Ort doch einen weiteren Discounter. Drei Supermärkte für knapp 7000 Einwohner. Nichts gegen Norma, Netto und Aldi, die drei scheinen zu laufen. Aber regional, saisonal, ökologisch und möglichst plastikfrei verpackt Qualität kaufen zu können, da bleibt bei den Discountern vieles zu wünschen übrig. Dass Müggelheim freitags sogar noch einen kleinen feinen Markt zu bieten hat, entstand wohl eher zufällig und aus der Not geboren. 2002 mietete sich die Landfleischerei Dolgelin aus dem Oderbruch bei „Norma“ ein. Fleisch- und Wurstwaren, das Imbissangebot und der Mittagstisch liefen prächtig. Wäre es nach Nadine Schallert gegangen, hätte das noch ewig so bleiben können. Die gelernte Fachverkäuferin für Fleisch- und Wurstwaren mag eigenständiges Arbeiten, die Abwechslung von Verkauf, Imbisszubereitung und Kochen. Doch 2007 ging die Miete für die Wursttheke durch die Decke. Das Aus für das vielfältige Angebot der Landfleischerei war zum Greifen nah. Das Gegenteil war der Fall: Die Idee für den Müggelheimer Freitagsmarkt war geboren. Drei Verkaufswagen hatte die Dolgeliner Landfleischerei am Start. Einer davon kommt nun schon 13 Jahre lang jeden Freitag nach Müggelheim. Dafür nimmt Nadine – wie sie viele Kunden nennen – einiges in Kauf. Ihr Wecker klingelt morgens um halb vier. Eine halbe Stunde später belädt sie bereits ihren Wagen, bereitet die Bestellungen für Kunden vor, die bei Leibe nicht nur aus Müggelheim und der näheren Umgebung kommen. Schweine- oder Rindergehacktes werden vor Sonnenaufgang am gleichen Tag von den Fleischern durch den Wolf gedreht. Die Schweine stammen aus eigener Aufzucht, die Rinder werden von einem Bauern aus dem Oderbruch für die Landfleischerei Dolgelin aufgezogen. Qualität, die man schmeckt und die Nadine Schallert auch gern verkauft. Salate, Soljanka, Salami, Gulaschsuppe oder Königsberger Klopse, Fleisch, Schinken, Speck und andere Köstlichkeiten haben ihren angestammten Platz hinter der Theke.
Schnell trinkt Nadine noch einen Kaffee und belegt für sich ein Brötchen mit einer dicken Scheibe Zungenwurst – die isst sie am liebsten. Gegen sechs Uhr macht sie sich auf den Weg nach Müggelheim. Eine gute Stunde braucht sie dafür. Wenn sie nach 57 Kilometern in Müggelheim angekommen ist, muss Stefan Lent das Mobil von der Fischerei am Kaniswall schon in die schmale Gasse vor dem Dönerladen eingeparkt haben. Der Räucherofen auf Rädern steht zwischen Fleisch- und Fischwagen. Nach kurzer Zeit riecht es würzig nach Erlenholz und frischem Räucherfisch. Auch Stefan Lent hat sein Handwerk von Grund auf gelernt. Er ist Fischer, auch wenn er selbst nicht mehr raus auf den Dämeritzsee, den „Haussee“ der Fischerei am Kaniswall, fährt. Aber auch die Grünheider „Seenkette“ liefert heimischen Fisch – z.B. Zander und Aal. Heilbutt, Steinbutt, Butterfisch, Lachs oder Knurrhahn bereichern zudem das Angebot. Das wird natürlich aus Norwegen oder auch Asien dazu gekauft. Wer mehr über heimische Gewässer, Fischfang und Verarbeitung erfahren will, kann sich zu Räucherkursen, Fischereilehrgängen oder einfach beim großen Fischessen am Kaniswall anmelden. Diejenigen, die schon einmal dabei waren, schwärmen davon.
Vermarktung gehört zur Ausbildung eines Fischers ebenso wie zum Fleischer. Nadine Schallert verkauft mit Herz, kennt ihre Kunden meist mit Namen, merkt sich deren Vorlieben und Geschichten. Sie weiß, bei wem Vierbeiner zur Familie gehören und steckt auch mal eine Wiener extra mit ins Paket. Stefan Lent hat die lockeren Sprüche drauf. Da wird mitunter auch verbal gleich noch ein Rezept mit dem Fisch ins gewachste Papier eingewickelt. Bei den Kunden kommt das gut an.
Doch bevor Nadine und Stefan gegen acht Uhr in die „Vollen“ gehen, wird noch schnell ein Kaffee getrunken und ein „Teilchen“ bei Bäcker Schneider gegenüber verdrückt. In der Zwischenzeit treffen auch Rudi und Mischlingsrüde Max ein. Bauer Rudolf Stadie ist längst berentet. Seinen Acker – 120 Hektar – gab er vor vier Jahren ab. Sich aufs Altenteil zurückziehen war nichts für ihn. Er fuhr über Land und suchte nach einem Standort für sein Obst und Gemüse. Es muss wohl Fügung gewesen sein, als er zufällig in Müggelheim Nadine in ihrem Verkaufswagen entdeckte. Seitdem verkauft er von April bis in den späten Herbst seine Radieschen, Bohnen, Kohlrabi, Blumenkohl, Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Eier, Blumen, Pflanzen. Manches, z.B. Tomaten, kauft auch er von seinen Nachbarn, Bauern im Küstriner Vorland, dazu. Zu Weihnachten bringt er seinen Kunden die bestellten Gänse für den Festtagsbraten. Unser Markt tut rundherum gut. Er ist regional, bietet top Qualität und das hat sich über unseren Ort hinaus herumgesprochen. Allerdings, das bemängeln Berufstätige zu recht, sind die Öffnungszeiten von 8 bis 13.30 Uhr nicht optimal. Vielleicht wäre ein Bestellsystem ein Lösungsansatz. Ein Gewinn wäre es sicher für Kunden und Verkäufer.