Geschichte des Gosener Grabens – Teil II


Von Harald Kampffmeyer für den Umweltkreis

JACOBIUS

Bildunterschrift

Friedrich II. ließ ab 1743 den 1605 bereits begonnenen Finowkanal wieder her- und fertigstellen.

Dazu wurde für Planung der Profile und Schleusen erstmals ein ‚Normschiff‘ kreiert: Der Finowmaßkahn (Länge 40,2 m, Breite 4,6 m, Tiefgang 1,4 m, Traglast 170 t).   Schiffsbauer boten schnell solche Kähne an und andere Wasserbauvorhaben großer Bedeutung – z.B. der Brombergkanal – übernahmen das Maß. Es wurde mitteleuropäischer Standard. Aber ältere Wasserwege genügten dem eben nicht. Es begann der allgemeine Ausbau.

Um den Dämeritzsee als ‚Stauraum‘ für wartende Kähne zu erschließen, erfolgte 1858 eine Spreelaufänderung. Der Fließ „Dämeritz Babe“ (in Bild 2 zu erkennen) wurde begradigt, erweitert und so die Spree erstmals in den Dämeritzsee geleitet. Der alte Spreelauf wurde teils zugeschüttet.

Jetzt, in den 1850er Jahren war aber schon das „Finowmaß“ durch den „Groß-Finowmaßkahn“ ergänzt worden (Länge 41m, Breite 5,1 m, Tiefgang 1,75 m, Tragfähigkeit 270 t). In dieser Zeit fand auch eine kleine technische Revolution statt, da nun mit den Dampfkraftschleppern gut stromauf gefahren werden konnte und Staken, Treideln und Segeln verzichtbar wurden. Jedoch brauchten lange Schleppzüge auf den Wasserwegen zwingend Kurven mit sehr weiten Radien.

In Köpenick erstellte der Wasserbaumeister Natus 1872 einen Plan (Natus-Plan), der die Wasserwege östlich von Köpenick verbessern sollte. Eine Idee war, den Gosener Graben durch Begradigung und Profilausbau zu einem größeren Kanal zu machen. Benannter Hauptgrund war, die Gefahr der Querung des Müggelsees zu bannen. Die Werte des ‚Gosener-Graben-Neukanals‘ auf 2,8 Kilometer Länge sollten sein: Sohlbreite 10,6 Meter, Tiefe 1,25 Meter. Ersichtlich genügte das nicht dem „Finowmaß“ und schon gar nicht dem „Groß-Finowmaß“. Der Plan wurde aufgegeben, jedoch der Bedarf wurde dringender.

Von und zu den Großbetrieben Rüdersdorfer Kalk- und Zementwerke, den Mörtelwerken Niederlehme, den Storkower Mühlen, Eisenwerke Finow-Eberswalde und anderen liefen große Transportmengen. Es wurde eine Tangente gebraucht, die den Weg westlich um Köpenick herum abkürzte. Der Köpenicker Wasserinspekteur Tolkmit errechnete 1891 die Rentabilität eines Kanals zwischen Dämeritzsee und Seddinsee. Entscheidend dafür war die Frage, würde da eine teure Schleuse gebraucht? Vorher – in den 1870er und 1880er Jahren – waren schon genaue Pegelmessungen an beiden Seen gemacht worden. Ergebnis: Der Spiegel des Dämeritzsee mit der Spree liegt gewöhnlich um 10 bis 15 Zentimeter über dem des Seddinsees mit der Dahme (was die oft erwähnte starke Strömung von Nord nach Süd im damaligen Gosener Graben erklärt). Gemessene Extremwerte waren ein Stand von 55 Zentimeter Dämeritz über Seddin und einmal sieben Zentimeter Dämeritz unter Seddin. Eine Schleuse wurde dennoch für verzichtbar gehalten. Jedoch wurde erwartet, dass der Kanal dann 50 Prozent der Spreewassermenge nach Süden zur Dahme umleiten würde und somit der Müggelsee einen erheblichen Wasserentzug erleiden würde (so kam es später auch).

Realisiert wurde auch dieser Kanalplan nicht. Denn 1891 wurde der neue Oder-Spree-Kanal über Schleuse Wernsdorf an den Südteil des Seddinsees angebunden. Der inzwischen gewaltige Warenstrom vom riesigen oberschlesischen Industrierevier nach Berlin und Hamburg berührte Müggelspree und Müggelsee jetzt nicht mehr.

Der erreichte Zustand um die Jahrhundertwende ist in dem Kartenauszug links von 1902 dargestellt. Die Straße Müggelheim-Gosen ist angelegt. Der Gosener Graben erhielt dort 1880 erstmals eine Holzbrücke, an die sich die Alten vielleicht noch erinnern können. Vorher wurde durch eine Furt gefahren. Oben ist die 1858 erbaute, künstliche Einführung der Spree in den Dämeritzsee zu sehen. Die Müggelspree hat alle Inseln verloren, sie ist begradigt und kanalartig ausgebaut. Der Durchstich durch Hessenwinkel (neue Spree) ist auch schon vorhanden.

Das ganze Gebiet nördlich von Gosen bis zum Dämeritzsee ist noch immer Wiesenlandschaft und nicht wie heute Urwald. Das ist in dem Bild (oben) aus einer Illustrierten um 1900, die über eine Vergnügungsbootstour auf dem Graben berichtete, zu sehen.




Der Gedanke des Kanalbaus aber blieb. 1920 wurde Groß-Berlin gebildet und auch das Areal der Gosener Wiesen fiel in die Zuständigkeit des Berliner Magistrats und seiner Verwaltung. Anfang der 20er-Jahre begannen Vorbereitungen für den Kanalbau. Grob sollte er immer noch da verlaufen, wo der Gaben war, ihn also begradigen und erweitern. Mit mehr als 100 Eigentümern von Kleinstreifen der Gosener Wiesen wurde über einen Bodenankauf verhandelt. Einige waren bereit, andere wollten Mondpreise, wieder andere sagten, sie würden nie etwas verkaufen. An Enteignung dachte man aber nicht. Man beschloss, etwas nach Westen auszuweichen. Da waren die Berliner Forsten Eigentümer. Da gab es Einvernehmen.

Aber es wurde wieder nichts. Gigantische Reparationsforderung aus Versailles, Zusammenbruch der Währung in der Hyperinflation 1923 und dann Wirtschafts- und Sozialkollaps in der Weltwirtschaftskrise verhinderten die Finanzierung auch dieses Projektes.

Teil I in der November-Ausgabe
Teil III in der Januar-Ausgabe