Tanzen – geht auch mit Abstand

Corona eröffnet neue Wege in vielen Bereichen

Von Marion Heinrich

MARION HEINRICH

Nach elf Wochen endlich wieder tanzen!

Das Virus Covid-19 schuf ganz eigene, neue Choreografien für Nähe und Distanz in unser aller Leben. Niemand kannte vorher seine Kraft und Wirkung und sicher hofften alle, „es“ könnte ganz schnell wieder „vorbei sein“. Jede und Jeder wünschte das eigene Leben sollte wieder „normal“ sein, halt so wie früher. Dabei hatten wir Müggelheimer es im Vergleich zu anderen Berliner Stadtteilen noch gut. Wir konnten raus. Wald, Wasser und Luft, waren für uns im „lockdown“ immer verfügbar. Obgleich eine brutale Einschränkung gab es von März bis Mai dennoch. Wir wurden einsame Wanderer.
Covid-19, das kleine fiese Virus, ist ein seltsamer Verwandlungskünstler, sorgte dafür, dass unsere Gaststätten, unser Dorfklub, unsere Musikschule und unser Ballettstudio wochenlang geschlossen blieben. Die Ungewissheit des Schreckgespenstes Pandemie machte ängstlich, mürbe und zeigte deutlich, was uns im Alltag fehlte, was wir so dringend brauchen: Gemeinschaft, Berührung, Nähe, Austausch, vor allem Freunde.
Das Telefon von Brigitte Bätz stand in dieser Zeit nie still. Täglich gab es Anfragen, wann das Tanzstudio wieder öffnen würde. Viele sorgten sich darum, wie und ob es überhaupt mit Abstand weiter gehen kann. Mitunter lagen die Nerven blank. Eltern und Großeltern leisteten Unglaubliches im „Homeoffice” und „Homeschooling”. Aber Heranwachsende lassen sich nicht darauf reduzieren, nur Schülerinnen und Schüler zu sein. Sie brauchen Bewegung, Musik und die Herausforderungen, Neues zu erlernen, einen Tanz in der Choreografie der Gemeinschaft zu erarbeiten. Und genau daran mangelte es – gefühlt ewig lang.
Aber dann stand über Nacht an den Rollladen des Studios mit weißer Farbe die Nachricht gepinselt: „Ab 2. Juni wieder geöffnet“. Diese eine Zeile war wie ein Geschenk, auf das man lange gewartet hatte. Die allermeisten Mitglieder des Ballettstudios blieben bei der Stange, hielten Brigitte Bätz und ihren Tanzpädagogen die Treue. „Ich bin meinem Team und allen, ob aus Müggelheim, Lichtenberg oder anderen Stadtbezirken, ob aus Gosen oder Neu Zittau sehr dankbar“, sagt sie. Das sei nicht selbstverständlich und ja, einige wenige Kündigungen habe es auch gegeben.
Die erste Woche Tanzbetrieb war aufregend für alle Beteiligten. Wie würden Abstandsgebot und Hygieneregeln in unserem Ballettsaal einzuhalten sein? Tanzen mit Maske oder ohne? Kreuze auf dem Parkettboden, mit gelb-schwarzem Band getrennter Ein-und Ausgang, virentaugliche Desinfektionslösung beim Betreten des Studios, keine Umkleide. Was zunächst unlösbar schien, funktioniert. An alles war gedacht und perfekt organisiert. Wie gut, dass das Studio versteckte Möglichkeiten aus dem „Vorleben“ des Gebäudes zu bieten hat.
Erstaunlich, wie gut sich Kinder und Jugendliche trotz großer Wiedersehensfreude und Ausgelassenheit an die Codes der Krise halten. Geteilte kleinere Klassen – denn immer nur sieben Kids dürfen den Saal betreten. Dann wird getauscht, die nächste Gruppe legt los. Eigentlich so wie immer und doch anders. Die Minis, die Fortgeschrittenen, die Hip-Hoper, die Jazz- und Salsa-Tänzerinnen ebenso wie die Ballettis haben sich schnell daran gewöhnt: Keine Umarmung, kein High five und dennoch sind sich alle nah, ohne konkrete körperliche Berührung. Das geht eben nur mit Tanz und Musik, meint Brigitte Bätz lachend und ergänzt: „Tanzen ist nicht nur Sudoku für Körper und Geist. Wir können durch Choreografien, durch Tanz und Training, das Gefühl für Gemeinschaft vermitteln.“
Das Müggelheimer Ballettstudio bleibt sogar in den Sommerferien bis zum 24. Juli geöffnet, so können ausgefallene Unterrichtsstunden zum Teil nachgeholt werden. Es scheint, dass Covid-19 mit seinen Regeln auch mehr Achtsamkeit für die Bedeutung von Bewegung und Bewegungsfreiheit brachte. Dann hätte diese Krise auch etwas Gutes.