Erinnerungen an die "Müggelbaude"

Beliebtes Ausflugslokal wäre im Dezember 100 geworden

Robert Carl (Mitte) mit Ehefrau Frieda und dem Familienhund auf einer Aufnahme von etwa 1919.

Nur alteingesessene Müggelheimer können sich noch an sie erinnern, die kleine Ausflugsgaststätte auf dem Kamm der Müggelberge. Seit fast 25 Jahren gehört die "Müggelbaude" ins Reich der Historie. In diesem Jahr wäre sie 100 Jahre alt geworden. Zahlreiche Unterlagen, die dem Müggelheimer Boten vorliegen und im Original jetzt im Heimatmuseum zu finden sind, erzählen von der Geschichte des beliebten Ausflugslokals.

Zuerst war es nur eine kleine Bretterbude neben der ehemaligen Bismarckwarte – die es heute auch nicht mehr gibt. Am 24. Juni 1911 erhielt der Kaufmann Fritz Meyer die Zusage, eine "Unterkunftshalle auf den Müggelbergen neben der Bismarckwarte" zwecks Ausschanks alkoholfreier Getränke errichten zu dürfen. Am 4. Dezember gab es dann die endgültige Genehmigung. Meyers erster Kellner war Robert Carl, der ihm den Ausschank dann später abkaufte und ab 1919 auch alkoholische Getränke ausschenken durfte. Er machte diese Gaststätte zu seiner Lebensaufgabe, baute sie auch in den Jahren weiter aus. Die "Müggelbaude" wurde zum beliebten Treffpunkt der Berliner und ihrer Besucher an den Wochenenden. "Mein Großvater baute die Gaststätte 1928/29 um und erweiterte sie gleichzeitig um eine kleine Wohnung. Mein Vater Siegfried spielte als Kind gerne unter den Tischen im Schankraum und lauschte den Gesprächen der Erwachsnene", erzählt Enkel Wolfgang Carl, der jetzt die Unterlagen zur Müggelbaude im Nachlass seines Vaters fand. Als sein Vater Siegfried bei der Einschulungsuntersuchung statt eines Kinderliedes "Trink, trink Brüderlein trink und lasse die Sorgen zuhaus…" schmetterte, entlockte das den Prüfern ein Schmunzeln, aber auch den Hinweis an Großvater Robert Carl, mehr Wert auf die sittliche Erziehung seines Sprösslings zu legen.

In den kommenden Jahren entwickelte sich die Gaststätte immer weiter. Die Bismarckwarte mit ihrem herrlichen Blick über den Müggelsee und Berlin lockte immer mehr Gäste an – der Umsatz stieg. Die alten Geschäftsbücher zeigen, dass die Gaststätte jeden Tag geöffnet war. Der Wirt war schließlich auch dafür zuständig, die Türen zur Bismackwarte morgens zu öffnen und abends wieder zu verschließen. Eigentlich wollte er 1939 die "Müggelbaude" erweitern, aber alle Bauanträge wurden während des Krieges zurückgestellt.

Das Jahr 1945 leitet dann für Robert Carl den Untergang ein. Die Bismarckwarte wurde in den letzten Kriegstagen gesprengt und dem Wirt wurde durch die Besatzer, ebenso wie allen anderen Berlinern, das Betreten der Wälder verboten. Als er Mitte 1946 endlich wieder Heim und Gaststätte betreten durfte, fand er beides ausgeplündert und schwer beschädigt vor. Köpenicker Handwerker und ehemalige Gäste halfen beim Wiederaufbau – es ging wieder aufwärts. Doch im November 1946 kam es zu einem Raubüberfall, bei dem der Wirt so schwer am Kopf verletzt wurde, dass er sich davon nicht mehr erholte.

"Als mein Vater 1947 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück nach Hause kam, gab es für ihn keine Zukunft mehr. Schweren Herzens verkaufte mein Großvater die Gaststätte an Alfred Schmitz", erzählt Wolfgang Carl. 1980 wurde die Müggelbaude noch einmal renoviert und wechselte nach drei Jahren erneut den Besitzer. 1988 wurde das Ende der schon seit einiger Zeit leerstehenden Baude eingeläutet. In der Ausstellung, die es im Heimatmuseum Köpenick zur "Müggelbaude" gab, hieß es zum Schluss: "Trotz aller Bemühungen wurde die Müggelbaude letztlich für immer geschlossen und 1988 vollständig abgetragen. Heute erinnert ein kleiner Rastplatz an den ehemaligen Standort." sip/WoC