Drei Klezmerschicksen in der Kirche

Während am 22. September auf dem Müggelheimer Anger Stände mit bunten Angeboten und Karussells zur Freude der Kinder aufgebaut werden, kommen bereits die ersten Gäste des Erntefestes, um Bratwürste und Fischbrötchen zu probieren. In der geöffneten Kirche ist es noch ruhig. Einige Besucher kommen herein, werfen einen flüchtigen Blick in den Innenraum und verschwinden schüchtern. Wenige wollen Einzelheiten wissen und bedanken sich für die informativen Gespräche. Diese Zurückhaltung ändert sich am Abend. Besucher strömen in die Kirche und füllen die Plätze bis fast auf die letzte Bank. Angekündigt waren Musik und Texte von Freude und Schmerz. Offenbar wissen die Kommenden, was sich hinter den seltenen Bezeichnungen Klezmer und Schicksen verbirgt. 

Die Glocken sind gerade im Verklingen, da ertönen von der Empore her tiefe Töne einer Klarinette. Zugleich kommen drei Damen die Treppe herunter und beginnen mit Gesang im Altarraum. Von Anfang bis Ende begeistern die Musikerinnen die Zuhörer. Nach dem ersten Musikstück erklären sie, warum sie sich für diesen Kunstnamen "Klezmerschicksen" entschieden haben.

Klezmer werden Musiker genannt, die traditionelle osteuropäische jiddische Musik spielen. Als Schickse werden abwertend Dienstmädchen auch weiblich christliche Hilfskräfte benannt. In salopp-jüdischer Gaunersprache verwendet, kann auch ein leichtlebiges Mädchen oder ein attraktives nichtjüdisches Flittchen gemeint sein. Eine, die sich übertrieben "schick" aufgemacht hat, könnte für jüdische Männer eine Versuchung darstellen. Davor wird gewarnt.

Die drei Künstlerinnen in der Müggelheimer Kirche stammen weder aus Osteuropa noch sind sie Jüdinnen. "Schick", wie das Wort fälschlicher Weise im Deutschen abgeleitet wird, sind die Drei allemal und begeistern mit ihren Darbietungen uneingeschränkt. Das macht der Applaus nach jedem Stück deutlich. Am Ende wurden sie durch die lang anhaltenden Ovationen zu mehreren Zugaben herausgefordert. Hinzu kommt, dass sie mit Textvorträgen, Gesang und der Beherrschung mehrerer Instrumente (Klarinette, Gitarre, Keyboard, Geige, Schellen, Trompete) überzeugen. Zuhörer hätten sogar mittanzen dürfen. Obwohl manche die Melodien mitsummten, wagte sich doch keiner aus der Bank heraus. Lautes Lachen erfüllt den Kirchenraum, als von den Narren die Rede ist. "Hast du eine Frau, bist du ein Narr. Hast du keine Frau, bist du auch ein Narr. Hast du zwei Frauen, bist du erst recht ein Narr. Am Ende ist eine nicht besser als die andere. - Wir sind schließlich alle Narren…" und so weiter.

Unsere Müggelheimer Pfarrerin Anke Schwedusch-Bishara erinnerte an eine Bibelstelle, in der von Paulus die Rede ist, der um seines Glaubens Willen im Gefängnis sitzt. Ihm hilft, dass er mit seinem Zellengenossen erst zaghaft und dann immer lauter Lieder singt. Auf diese Weise bezwingen beide ihr Leid. Zum Leid überwinden rief dann auch Sabina Rogge auf, denn die Kirchengemeinde unterstützt Aidswaisen in Äthiopien. Bereits mit 10 Euro kann einem Kind für einen Monat wirksam geholfen werden. Alle Spenden kommen diesem Zweck zugute, zumal die drei Klezmerschicksen auf ein Honorar zu Gunsten der Kinder in Äthiopien verzichteten.