Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius

Geht es Ihnen auch manchmal so, dass Ihr Gehirn zu langsam denkt, um in einer Situation schnell genug zu reagieren? Mir schon. Und dann ärgere ich mich über mich selbst, wenngleich ich es eigentlich immer schaffe, mich noch aus diesem Ausgebremstsein hinauszulavieren.

Was geschehen ist, möchten Sie wissen? Neulich auf dem Heimweg nach der Arbeit, ein Sonntag um 20 Uhr im fernen Wannsee, nahm ich aus dem Augenwinkel einen Menschen wahr, der einfach auf dem Bürgersteig lag - der Rucksack ein Stück von ihm entfernt. Doch die Rädchen in meinem Gehirn griffen nach einem harten Tag erst spät ineinander. Erst an der nächsten Kreuzung machte ich eine rasche Wende und fuhr zurück. In der Zeit hatte sich bereits ein Pärchen um den hilflos am Boden liegenden Mann gekümmert. Aber auch sie waren erst einmal vorbei gefahren, hatten genauso wie ich eine Wende gemacht. Der Mann war stark alkoholisiert, nicht ansprechbar, also riefen wir die Feuerwehr.

Auf der einen Seite fand ich es toll, dass gleich zwei vorbeifahrende Autos gewendet und angehalten haben. Auf der anderen Seite denke ich: Wenn das Gehirn so lange braucht, um eine Situation einzuschätzen, kann ganz schön viel passieren in der Zeit. Mal ganz zu schweigen von den vielen Menschen, die nach dieser Denk-Verzögerung gar nicht mehr wenden – oder vielleicht sowieso nie angehalten hätten.

Jedenfalls war für mich diese Situation wieder Anlass darüber nachzudenken, wieso es in unserer Welt immer weniger hilfsbereit zugeht. Warum denken die meisten Menschen nur noch an sich selbst? Das fängt auf dem eigenen Grundstück an: Wenn der Nachbar sägt oder Rasen mäht zur Mittagszeit, geht das gar nicht, finden die meisten Menschen. Aber wenn sie selbst das machen, weil ihre Zeit das angeblich anders nicht zu lässt, ist das etwas ganz anderes… Es geht weiter mit den Flugrouten. Hier geht es bei den meisten Menschen immer noch um das "Hauptsache nicht über meinem Kopf". Dabei sind auch durchaus mal Kniffe und Tricks erlaubt, um die eigene Betroffenheit stärker in den Fokus zu rücken und vielleicht so das Unheil noch abzuwenden.

Und letztlich mündet es in die Hilfsbereitschaft in wirklich wichtigen Dingen – beim körperlichen Wohlergehen. Bei Familienmitgliedern oder unmittelbaren Nachbarn mal nach dem Rechten zu schauen, wird dabei noch eher gemacht, als einem wildfremden Menschen unter die Arme zu greifen. So wie meinem Betrunkenen, der hilflos auf einer Brücke lag…

Ich denke nicht, dass ich irgendwann einmal so betrunken bin, dass ich hilflos irgendwo liegen bleibe. Hoffentlich. Aber es können ja auch mal Krankheiten der Grund sein, oder auch ein Überfall – und dann würde sich, glaube ich, jeder von uns wünschen, dass jemand anhält und hilft.

Es ist doch schön, wenn es immer mal wieder Anlässe im Leben gibt, sich über so etwas Gedanken zu machen…