Fülle von Klagen gegen den BER

Trotz heftigen Regens kamen am 24. April auf Einladung des Umweltkreises in der ev. Kirchengemeinde und der Ortsgruppe des BVBB neben vielen Müggelheimern auch zahlreiche interessierte Nicht-Müggelheimer zur Informationsveranstaltung "Unser Leben neben einem Großflughafen" in den Dorfklub in der Alten Schule. Referenten waren der Ehrenvorsitzende des BVBB Ferdi Breidbach sowie aus Müggelheim Gunnar Suhrbier. Gekommen waren neben anderen auch Vertreter des Info-Büros gegen Fluglärm Lichtenrade und der Initiative Gosener Wiesen.

In den Ausführungen beider Referenten ging es neben detaillierten Sachinformationen zum Schallschutz und dem Stand der juristischen Auseinandersetzungen auch ganz wesentlich um die weitere Ausrichtung des Kampfes gegen die Auswirkungen des Flughafens auf das Leben der Betroffenen. Kernfrage ist dabei das Standortproblem. Die entscheidenden Faktoren in diesem Zusammenhang sind, so Ferdi Breidbach, die gesellschaftliche Akzeptanz und die Raumverträglichkeit. Passiver Lärmschutz an Häusern und Verschiebung von Flugrouten lösen die Probleme der Betroffenen nicht grundlegend. Zur Minderung der Belastung der Betroffenen sind jedoch Lärmschutzmaßnahmen auf dem verfügbaren Stand der Technik zu realisieren. Auch das geschieht bisher nur völlig unzureichend, auch wenn der Flughafen (FBB) die Mittel für den Schallschutz erhöht hat. Der Flughafen versucht die Problematik für sich zu entschärfen, indem er bei der Planfeststellungsbehörde Klärungsantrag gestellt hat mit dem Ziel, geringere Schallschutzziele realisieren zu müssen als im Planfeststellungsbeschluss festgelegt.

Bereits seit 1994 sagten Fachbeamte den Politikern: Der Standort Schönefeld ist verfassungsfeindlich, da durch Betrieb eines Großflughafens dort hinsichtlich der Umlandbevölkerung deren Grundrechte, insbesondere nach Artikel 2, Absatz 2 des Grundgesetzes nicht gewährleistet werden können. Auch die Festlegung der Nacht auf die Zeit 0 bis 5 Uhr bedeutet, Menschen bewusst krank zu machen.

Eine Strategie mit Erfolgschancen gegen den Standort Schönefeld muss aus drei Elementen bestehen: Demonstrationen, Diplomatie und rechtlichem Vorgehen.

Demonstrationen sind eine gute Sache, aber es ist vor Illusionen zu warnen. Ein Blick auf die letzten Wahlergebnisse zeigt: Die Menschen sind entweder unzureichend informiert über das, was auf sie zukommt, oder sie machen sich über ihre Zukunft keine Gedanken. Dennoch sind Demonstrationen sinnvoll, wenn sie a) den Betrieb des Flughafens stören (große In-House-Demos im Flughafengebäude mit Tausenden Teilnehmern – wie in Frankfurt), b) Zentrale Orte oder Achsen blockieren (Kudamm, Unter den Linden usw.), oder c) direkt auf verantwortliche Politiker zielen (Wohnung Wowereit, Parteizentralen).

Ein weiteres Mittel ist die verdeckte Diplomatie. Um etwas zu bewirken, müssen Wege gesucht werden, um in einer Partei einen Hebel zu finden. Die Märkische Union hat inzwischen erkannt, dass es sinnvoll ist, sich der Flughafenproblematik anzunehmen. Sie hat mittlerweile zehn Anträge und 29 Anfragen im Landtag in Potsdam gestellt und dadurch hervorragendes Informationsmaterial erhalten. Und sie hat die Standortfrage – zumindest für die zu erwartende 3. und 4. Start- und Landebahn – zur Diskussion gestellt. Es wird ein Mehr-Standort-Konzept für Berlin gefordert. Flugverkehr verteilen, nicht konzentrieren. Die Vorsitzende Dr. Saskia Ludwig hat sich offensichtlich das Nachnutzungskonzept des BVBB angesehen. Es wurde ein Landesfachausschuss berufen, auch er stellt sich der Standortfrage.

Um in der Standortfrage vollendete Tatsachen zu schaffen, sind Bemühungen der Landesregierung in Potsdam erkenntlich, mögliche zukünftige Standorte durch Umwidmung auszuschließen. Dagegen haben sich zahlreiche Initiativen mit einem von der BI Gosener Wiesen verfassten Brief an die Fraktionen in Potsdam ausgesprochen. Als eine vorrangige Aufgabe besteht deshalb: Sperenberg darf nicht entwidmet werden!

Auf dem Rechtswege sind gegenwärtig unterschiedliche Klagen anhängig, erklärte Gunnar Suhrbier. Nachdem eine Anhörungsrüge bzgl. des Urteils zum Planfeststellungsergänzungsbeschluss (PFEB) vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen wurde, ist eine Verfassungsbeschwerde von einer Klagegemeinschaft unter Führung des BVBB beim Bundesverfassungsgericht (BVG) eingereicht worden. Sie bezieht sich nicht auf Sachfragen, sondern auf die Frage, ob durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Planfeststellungsergänzungsbeschluss ein Grundrecht verletzt worden ist. Erst wenn dieser Rechtsweg durchlaufen ist, also ein Ablehnungsbeschluss oder ein negatives Urteil des BVG ergangen ist, ist der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich.

Ein weiteres juristisches Vorgehen bezieht sich darauf, dass im Planfeststellungsbeschluss ein Abwägungsfehler vorliegt. Erst seit 2010 ist bekannt, dass der "Rechtsstaat" seit 1998 nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Gericht getäuscht hat. Der Inhalt der Restitutionsklagen, die von zehn Klägern eingereicht wurden, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens in der Hauptsache. Die Klagen sind vom Gericht zugelassen, die Verhandlungen finden voraussichtlich am 3. und 4. Juli in Leipzig statt.

Die Fülle der Sachinformationen, die beide Referenten zu bieten hatten, haben so manchen Zuhörer an die Grenze des Aufnahmevermögens geführt. Bemängelt wurde von vielen Zuhörern das weiterhin andauernde Desinteresse vieler Müggelheimer an der Flughafenproblematik. Beide Referenten haben zugesagt, uns in ungefähr drei bis vier Monaten erneut über den dann eingetretenen neuen Sachstand zu berichten. UWK/BVBB-OG

Die Referenten Ferdi Breidbach (li.) und Gunnar Suhrbier. Foto: König