Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius

Manchmal ist es schwierig, für seine Gedanken die richtigen Worte zu finden. Und eigentlich sind die Gedanken, die ich heute mit Ihnen teilen möchte, auch keine für einen Jahresauftakt. Dennoch wage ich diesen Spagat aus persönlicher Betroffenheit heraus. Und vielleicht können Sie sie ja als gute Vorsätze für sich verbuchen. Es geht um das noch zu oft tabuisiserte Thema Sterben.

Ich durfte gerade einem sehr lieben Menschen aus meiner Familie zur Seite stehen auf seiner letzten großen Reise. Und wenn ich eines daraus gelernt habe, dann dieses: Hört auf, dieses Thema zu tabuisieren; bereitet Euch und Eure Angehörigen auf diesen letzten Weg vor; plant gemeinsam, wie ihr Euer Begräbnis haben möchtet und vor allem – redet. Stellt alle bisher ungefragten Fragen, lasst Euch Erinnerungen aus der Kindheit erzählen, alte Fotos erklären, den Stammbaum aufschreiben und ähnliches.

Wir haben vieles im Vorfeld geklärt. Vor allem in den letzten Wochen, wenn das Ende zu erahnen ist, sie sind die intensivsten.Wir sind uns auch sicher, dass die Trauerfeier genau nach dem Geschmack der Verstorbenen gewesen wäre. Die Doppelgrabstelle wartete schon seit zehn Jahren auf sie. Das sie schwarze Trauerkleidung ablehnt, hat sie uns vorher noch mitgeteilt. Auch die Namen der Freunde, die benachrichtigt werden sollten – und die wir zum Teil gar nicht kannten.

Und dennoch: es bleiben viele Fragen. Leider ist nun niemand mehr da, der sie uns beantworten kann. Wer war der schicke junge Mann mit der gegelten Frisur auf dem Silvesterfoto aus den 50ern? Wer sind all die Frauen um Dich herum bei dieser lustigen Geburtstagsfeier? Aus welchem Anlass hast Du diesen Ring bekommen? Was ist das Besondere an diesem Erbstück? Gerade wenn dann der Nachlass gesichtet und die Wohnung ausgeräumt werden muss, bringt das oftmals schmerzhafte Erlebnisse. Aber auch lustige nach dem Motto: Kannst du dich daran noch erinnern? Plötzlich tauchen Glückwunschbriefe auf zur Geburt meines Mannes von Leuten, deren Namen wir noch nie gehört haben – Briefe, die er noch nie gesehen hat. Schade! Aber schön, dass es sie noch gibt.

Aus all dieser persönlichen Betroffenheit heraus kann ich nur den Rat geben, alle Themen früher anzusprechen, sich für das Leben der Mitmenschen zu interessieren und alles zu hinterfragen. Schwarze Löcher, die nicht mehr zu füllen sind, sind einfach traurig. Vielleicht wäre das ein Vorsatz fürs neue Jahr? Denn auch wenn man ein Thema zu Lebzeiten tabuisiert, wird die Trauer nach dem Tod nicht geringer – aber der Abschied vielleicht leichter.