Serie für den Natur- und Gartenfreund

Der Wonnemonat Mai

von Marianne Schäfer

Wenn dieser Monat zu Ende geht, ist schon die Hälfte des Jahres verstrichen. Die bisherigen Tage reihten sich aneinander, meistens mit stark wechselndem Wetter, so dass besonders bei den älteren Gartenfreunden das Befinden auch auf und ab wechselte. Nicht immer hatte man die Kraft im geliebten Garten tätig zu sein. 

Bis Mitte Mai hatte ich gehofft, dass meine hohen, rosa Stauden Annemonen doch noch ihre Blätter entfalten würden. Dann grub ich im Gartenboden und fand matte, halbverfaulte Wurzeln. Keine einzige Pflanze würde im Sommer mehr blühen. Ich war sehr traurig. Wie immer im Mai erblühten überall der Flieder und die Maiglöckchen. Lieblich duftete es überall.

Als wollten sie mich für den Verlust der Anemonen entschädigen, blühten in meinem Garten in diesem Jahr weit über Hundert Akelei-Stauden. Ihre Farbenvielfalt ist erstaunlich und sie begeistert mich immer wieder. Die Farbpalette beginnt bei Weiß, dann zart Rosa und kräftigem, warmen Rosa und Rot. Ebenso gibt es Abstufungen in Blau. Seit einigen Jahren habe ich noch nahezu blauschwarze und rotschwarze Blütenstauden. Sie mutieren also kräftig. Als "Bestäuber" kommen hauptsächlich Hummeln mit ihren langen Rüsselchen in Frage. Eigentlich wollen sie an den süßen Nektar, dabei tragen sie die Pollen auf ihrem Rückenpelzchen zur nächsten Blüte und so entstehen neue Farb- und Blütenformen. Letztere zeigen spitze Blütenblätter und hoch gestellte Sporne. Es gibt aber auch genau das Gegenteil. Die Blüten sind dann gedrungen, wie kleine Tönnchen, deren Blütenblätter sehr dicht und eng gerollt an ihren Stielchen hängen, oder auch aufrecht stehen.

Die Akeleien gehören zu den Hahnenfußgewächsen. Nachdem die reifen, schwarzen Samen aus den länglichen Kapseln gerieselt sind, werden einige auch von den Ameisen fort getragen. Die Samen keimen im lockeren Gartenboden, aber auch zwischen den Wegeplatten, wenn es nur feucht und auch der Spalt für ihre kräftige Wurzel groß genug ist. Es bilden sich zunächst kleine Blattrosetten. Später entwickeln die Blätter der Akelei von einem Stiel drei Nebenstiele, welche sich wiederum mit dreiteiligen, rund gebogenen Blättern schmücken. Wer den jungen, frisch gekeimten Pflänzchen seine Aufmerksamkeit gibt, wird auch im nächsten und übernächsten Jahr seine Freude an ihrem Blühen haben. Die Akeleien sind in ganz Deutschland verbreitet. Daher haben sie auch nette, unterschiedliche Namen. Mir sind "Tanzpüppchen" und "Täubchenblüte" bekannt. Auch Hildegard von Bingen schätzte sie als Heilpflanze.

Ein Phänomen habe ich etwa Mitte Mai beobachtet. Ich fuhr mit dem Bus von Köpenick in Richtung Müggelheim. In dem Stück mit der schnurgeraden Chaussee kann man etwas von den Müggelbergen sehen. Dieses Mal war die Farbe der Kiefernbestandenen Berge aber kein dunkles Grün. Die Farbe war hell Grün, ja beinahe Gelb. Es sah aus, als schwebte eine gelbe Wolke in dem Berg. Und genau so war es! Millionen und Abermillionen von gelben Kiefernpollen schwebten bei leichtem Wind durch den Wald. Welch eine urige Kraft hat die Natur!