Gedanken aus Müggelheim

von Michael Wohlfahrt

Da macht man sich schon Gedanken ... Und es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre, da brennen Autos an der Odernheimer Straße, da wird herum gekokelt (oder versucht, einen Brand zu legen) unter einer Kirchentür, Fenster eingeworfen. Dumme-Jungen-Streiche?

Nachahmertaten, oder Ausflugsgelüste von Brandstiftern aus der Innenstadt?

Ja sicher, wir sind auch Berliner, wenn auch am südöstlichsten Rand, fast schon Brandenburg-Land, Wald, Seen-, Erholungs- und Wohngebiet für Berliner und andere mit See- und Bergblick.

Jetzt auch hier?

Fast jeden Tag steht etwas darüber in den Zeitungen: Nach dem Motto Miete mit dem Revolver kassiert in den 20er-Jahren à la Döblin - Kreuzberg-Friedrichshain, inzwischen auch in den Randbezirken. Abfackeln von Kinderwagen, Autos.

Jetzt nun auch bei uns.

Sich bemerkbar machen?

Kriminell werden?

Einsam, sich selber überlassen, die Jugendlichen? Egal aus welcher Kultur, Religion.

Ich erinnere mich vor vier Jahren, da hing an der Bushaltestelle Müggelheim Dorf ein sehr schönes Plakat zu einer Ausstellung von Caspar-David Friedrich - "Das Kreuz im Gebirge". Mehrere Jugendliche machen sich an dem Plakat zu schaffen. Ich frage sie: "Warum macht ihr das, hasst ihr das Kreuz so sehr?"

Ich erinnere mich an die Polizeiwache in Thüringen, wo ich als Stadtjugendpfarrer beschreiben musste, wie ein bayrisches Kruzifix am Wegesrand zu einem Nachbardorf beschädigt worden ist: Sachbeschädigung steht im Protokoll. Eigentlich zu wenig, dachte ich damals. Ein bayrischer Landwirt hatte das Kreuz aufstellen lassen.

An einer Skateranlage schon außerhalb der Hauptstadt tollen junge Leute herum. Perfekt die Sprünge. Wir lassen das Auto stehen und machen einen Spaziergang. Wir kommen zurück - schade, die Jugendlichen haben aufgehört zu trainieren, stattdessen mein Auto zerkratzt. Waren wir zu fremd? Oder hat mein Rosenkranz aus Bethlehem gestört?

Im Umweltkreis in der Kirchengemeinde erinnerte mich jemand daran, dass die goldene muslimische Felsendomkuppel von Jerusalem auf einer Einladung für eine Israelreise am Schaubrett der Dorfkirche die Jugendlichen vielleicht gereizt haben könnte und sie deswegen versucht haben, Feuer zu legen. Ich weiß es nicht. Ich hoffe nicht. Was hat das mit brennenden Autos zu tun?

Alles was fremd ist weg?

Wo kommt der Hass her?

Kultur heißt, mit seinen Gefühlen- und Aggressionen (!) umgehen zu lernen. Da kann jeder Vorbild sein. Wie schlimm, dass diesen Sachverhalt bestimmte gesellschaftliche Gruppen instrumentalisieren, ob nun von rechts oder links. Das ist in Wirklichkeit unwichtig bei der Bewertung.

Ich bin mit den Jugendlichen an der Haltestelle nicht richtig ins Gespräch gekommen. Hätte ich mir mehr Zeit nehmen müssen? Das wäre konkrete Nächstenliebe gewesen. Sicher.

Was ist los in unserer Gesellschaft?

Was ist mit uns los?

Alle Kinder haben Eltern. Was ist mit denen los? Oder mit den Großeltern? Warum stellen die Förster in den Berliner Forsten keine Bänke auf? "Sie werden demoliert!" Haben wir kapituliert? Ist das die einzige Möglichkeit? DEUTSCHLAND VERRECKE auf den Dächern gegenüber der Endhaltestelle der U1 ist mit Sicherheit KEINE ANTWORT.