Die Gefahr von oben: Ultrafeinstaub

Vortrag zu Gesundheitsschäden durch den BER

von Simone Jacobius

"Fluglärm macht nicht krank, sondern gesund" bringt es eine Besucherin überspitzt auf den Punkt. Denn die Norah-Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm ist eine einzige Farce. Der anerkannte Gutachter Prof. Dr. med. Eberhard Greiser nahm die Studie in einer Informationsveranstaltung am 14. April in Müggelheim regelrecht auseinander. Denn er verglich Norah mit anderen renommierten Studien und stellte fest, sämtliche anderen nationalen wie internationalen Studien sagen das Gegenteil von der von Landesregierung und Flughafengesellschaft mitfinanzierten Norah-Studie aus.

"Die Norah-Studie hatte nur ein Ziel: die Unbedenklichkeit von Fluglärm zu belegen und somit den Ausbau des Flughafens Frankfurt zu rechtfertigen", sagt Greiser. Und das scheint sie erreicht zu haben – auf Kosten der Betroffenen. Selbst die heftige Kritik aus Wissenschaftskreisen konnte daran nichts ändern. Etwa 70 Besucher kamen zu der hochkarätigen Veranstaltung, die die Bürgerinitiative Müggelheim und die Ortsgruppe des BVBB gemeinsam organisiert hatten. Schockiert lauschten sie den Ausführungen Greisers, die wieder belegten, mit welchen Methoden Politik und Wirtschaft ihre Projekte durchzudrücken versuchen.

Die Fehler im Einzelnen:

  • Die Interviewten entsprachen nicht dem repräsentativen Bevölkerungsdurchschnitt, d.h. überdurchschnittlich viele wurden aus der Oberschicht befragt (doppelt so viele wie im normalen Durchschnitt), zu wenige aus der Unterschicht. Ein Zuhörer brachte es auf den Punkt: "Man opfert letztlich die Unterschicht und die Politik guckt zu."
  • Insgesamt wurden zu wenig Menschen befragt, um repräsentativ zu sein und keine Referenzgebiete untersucht.
  • In die Befragung flossen nur Bereiche mit einem Dauerschallpegel über 40 dB. "Dabei ist wissenschaftlich bewiesen, dass sich auch der Maximalpegel störend auswirken kann", kritisiert der Wissenschaftler.
  • Beim Abschnitt zum Bluthochdruck sei zum einen falsch gemessen und zum anderen zu junge Menschen mit einbezogen (19-Jährige) worden. Außerdem wurden kuriose Ausschlusskriterien angewandt. So durften keine Bluthochdruckpatienten mitmachen, obwohl sie vielleicht den Hochdruck aufgrund des Fluglärms bekommen hatten.
  • Die gleichen Kuriositäten gab es im Bereich Schlafstörungen. Hierbei waren Menschen mit Schlafstörungen, mit kleinen Kindern, Schnarcher und Schichtarbeiter von vornherein ausgeschlossen. Und das, obwohl auch hier vielleicht die Schlafstörungen bereits aufgrund des Fluglärms existierten.
  • Bei der Kinderstudie gab es immerhin ein Ergebnis: Fluglärm führt zu einer Leseverzögerung von einem Monat. Wie die Untersucher allerdings zu dem Ergebnis kamen ist offen, denn die Befragung einer Referenzschule in einem nicht vom Fluglärm betroffenen Gebiet fehlte.

Andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Fluglärm sehr wohl Herzinfarkte, Herzschwäche, Depressionen und eventuell sogar Krebs auslösen kann. Hintergrund ist der, dass auch im Schlaf unsere Ohren Geräusche aufnehmen – je jünger wir sind, desto sensibler funktionieren die Ohren. Die Geräusche, die wir hören, lösen einen Adrenalinschub im Körper aus, sorgen also für Stress. Und genau dieser Stress in Verbindung mit unzureichender nächtlicher Erholung macht uns krank. Zwei Studien zum Flughafen Köln-Bonn kommen unabhängig voneinander zu fast gleichen erschreckenden Ergebnissen: Nächtlicher Fluglärm wird allein dort etwa 3700 zusätzliche Erkrankungs- und 600 Todesfälle zwischen 2012 und 2021 durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen fordern.

Übrigens sei auch bewiesen, meinte Greiser, dass Straßen- und Schienenlärm im Vergleich zum Fluglärm nur zwei Drittel oder sogar weniger Risikofolgen hätte.

Zu einem anderen wichtigen Thema, das in der öffentlichen Diskussion bisher fast gar keine Rolle spielte, sprach der Müggelheimer Flug- und Raketentechniker Dr. Erhard Thomas: die drohende Gesundheitsgefahr durch Ultrafeinstaubbelastung. Probemessungen in Müggelheim ergaben eine Belastung von 15- bis 20.000 Partikel pro Kubikzentimeter Atemluft, ein Mensch atmet etwa 20.000 mal am Tage und inhaliert zwölf Millionen Kubikzentimeter Luft. Ultrafeinstaub wird von den Triebwerken ausgeschieden und ist so fein, dass er beim Atmen über die Lungenbläschen aufgenommen und anschließend in der gesamten Blutbahn verteilt wird. Wobei, wie Dr. Thomas sagt, hierbei nicht das Kerosin der wirkliche Übeltäter ist, sondern die Zusätze darin. Denn sie können alle Organe betreffen – von Bronchien über Lungen, Haut und Allergien, Nerven bis hin zur Fortpflanzungsfähigkeit. Unter anderem sind in den Verbrennungsprodukten auch die Nervengifte Blei-Tetraethyl, 1,2-Ethylen-Dibromethan, PCB und Dioxin enthalten…

Seine Abschätzungen zum Feinstaubeintrag auf Müggelheim und Müggelsee, die nach Inbetriebnahme des BER zu erwarten sind, hat Erhard Thomas überspitzt unter das Motto "Atme tief, oder bleibe gesund!" gestellt. Denn auf einem 400 Quadratmeter großen Grundstück in Müggelheim kämen pro Jahr etwa vier Kilo dieser Additive genannten Zusatzstoffe herunter. Hinzu käme noch die Schadstoffbelastung durch verbranntes Kerosin, was acht Kilo pro Jahr auf 400 Quadratmetern ausmacht. Der abgeregnete verbrannte und unverbrannte Flugtreibstoff reichert sich von Jahr zu Jahr im Boden und im Grundwasser an und kontaminiert Obst und Gemüse in unseren Gärten. Das heißt, was wir nicht über die Atmung aufnehmen, wird über die Nahrung und später über das Müggelsee-Trinkwasser aufgenommen. Wobei das Schichtenwasser, das höher liegt, viel eher betroffen ist, als das tiefer liegende Trinkwasser. Die Schadstoffe im Müggelsee sinken zum großen Teil auf den Grund des Sees und sickern erst nach und nach in den tieferliegenden Trinkwasserentnahme-Horizont.

Die EU leitet aus den bisher erarbeiteten Gutachten zur Humanschädigung durch Feinstaub ab, dass bereits das jetzige Niveau die Lebenserwartung der EU- Bürger um durchschnittlich etwa elf Monate verringert und damit für den jährlich frühzeitigeren Tod von 70.000 Menschen verantwortlich ist

Die Krux an der Sache: Es gibt keine Messungen und Grenzwerte von Seiten der Politik zum Ultrafeinstaub und zudem machen die Hersteller des Kerosins ein Betriebsgeheimnis aus der Art der Zusätze. Die Bürgerinitiative Müggelheim und die Ortsgruppe des BVBB sammeln jetzt Geld für die Beteiligung an der Anschaffung eines Messgerätes, und mit dem die nach Inbetriebnahme des FBB zu erwartende katastrophale Verschlechterung der Luftqualität nachgewiesen werden kann.

Beim Angerfest wird am Stand von BIM und BVBB-Ortsgruppe weitergesammelt. Im Dienste unser aller Gesundheit.

Erklärung der BIM

Die Bürgerinitiative unterstützt weder die Aufkleber am Dorfklub noch deren Inhalt. Unbekannte hatten am Abend der Veranstaltung Aufkleber für TXL gegen BER an die frisch gestrichenen Türen des Dorfklub geklebt. Mit solchen Aktionen, die der Sachbeschädigung nahe kommen, macht man sich keine Freunde. Die Bürgerinitiative distanziert sich von dieser Aktion!

Diskussion zum BER mit Politikern

Vertreter aller Parteien, Abgeordnete aus Berlin und Brandenburg stellen sich am Sonnabend, den 4. Juni, ab 15 Uhr in der "Markthalle" auf Schloss Diedersdorf einer öffentlichen Diskussion zu aktuellen und grundsätzlichen Problemen zum BER und den Folgen.

Anlass zu dieser Veranstaltung, auf der sich erstmals seit 1990 alle Parteien gemeinsam der Öffentlichkeit und den Betroffenen stellen, ist eine Fragebogenaktion der "Neuen Aktion" (NA), in der sich auch der Umweltkreis in der Ev. Kirchengemeinde Müggelheim engagiert. Die NA hatte im Februar 2016 allen Abgeordneten im Brandenburger Landtag und im Berliner Abgeordnetenhaus sowie den Bundestags-

abgeordneten aus der Region 19 Fragen mit der Bitte um Beantwortung zugeleitet. Die Fragen sind auf www.ber-na.de unter dem Link "Aktuelles" veröffentlicht.

Aus allen Fraktionen – außer von der SPD Brandenburg – gingen Antworten einzelner Abgeordneter oder als Sammel-

antworten der Fraktionen ein. Sie sind dokumentarische Positionen, die nun zur Diskussion stehen.

Auf der Veranstaltung werden die Anwesenden in den Disput zu den Antworten aus der Politik einbezogen, es soll zu einem direkten Austausch zwischen Politikern und Betroffenen kommen.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wird NA vor dem Hintergrund der aktuellen Situation eine Alternative zum BER-Desaster vorstellen und aufzeigen, wie das Problem BER bewältigt werden kann und es einen Großflughafen für die Hauptstadt und Brandenburg geben kann, der raumverträglich, zukunftsweisend und ohne Belastung für Hunderttausende ist. Für NA und den UWK Ferdi Breidbach, Horst König


Umweltabgabe im Gespräch

Die Bürgerinitiative Müggelheim hat die Idee einer Umweltabgabe für die vom künftigen Flughafen BER betroffenen Gemeinden ins Gespräch gebracht. Der Abgeordnete Tom Schreiber hat im Februar dazu eine Anfrage im Abgeordnetenhaus gestellt, die von Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, beantwortet wurde.

Auf die Frage, ob sich der Senat generell vorstellen könnte, eine Umweltabgabe zu verlangen, die dann in einen Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds eingezahlt werden sollte, antwortete der Staatssekretär: Der Senat kann sich grundsätzlich vorstellen, nach Inbetriebnahme des BER einen Regionalfonds für die vom Flughafen betroffenen Gebiete einzurichten. Eine Umweltabgabe von den Flugpassagieren zur Finanzierung dieses Fonds hingegen nicht. Ein Vergleich mit dem Flughafen Wien ist aus Sicht des Senats nicht möglich. Denn für den BER sei die Diskussion darüber jetzt erst, weit nach Planfeststellung, angestoßen worden, während für den Flughafen Wien die Planungen für einen Ausbau noch im Gange sind und daher auch den Beschluss über eine Umweltabgabe möglich machten.

Generell geht aus der Anfrage hervor, dass der Senat die Notwendigkeit eines Vorteils-Nachteils-Ausgleichs für die durch den Flughafen betroffenen Gebiete einsieht. Generell bevorzugt der Senat jedoch die Umsetzung eines Regionalfonds nach Inbetriebnahme des BER. Das Dialogforum Airport Berlin Brandenburg, bestehend aus Kommunen und Berliner Bezirken im Flughafenumfeld, den Gesellschaftern des BER und der Flughafengesellschaft, soll dafür als Kommunikationsplattform dienen. sip