Gedanken aus Müggelheim

von Dr. Horst König

Wie in jedem Jahr haben die Menschen in Müggelheim wieder das Erntefest gefeiert. Es ist dem Heimatverein zu danken, dass beim Übergang vom Sommer zum Herbst dieses Fest begangen wird. Doch fragen sich manche Menschen überhaupt, was sie eigentlich feiern? Ältere werden sich noch erinnern, dass es einst in Müggelheim noch Getreidefelder gab, so dass Ernte wirklich zu sehen war. Doch auch dann bleibt die Frage bestehen, was wir eigentlich feiern. Ich möchte ein wenig berichten, was mich bei diesem Fest bewegt und habe auch mit unserer Pfarrerin darüber gesprochen und einige Gedanken von ihr aufgenommen.

Mir fällt ein Gedicht von Matthias Claudius ein (es ist auch als Lied vertont), in dem Claudius 1784 dichtete:

„Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand: der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf.“ Unsere Gedanken werden darauf gelenkt, dass neben dem Tun der Menschen, das notwendig ist, noch etwas dazu kommt, damit Ernte möglich wird. Dabei steht uns zunächst frei, was wir uns unter „Himmel“ vorstellen können und wollen. Wir können zwar säen und ernten, rackern und arbeiten, aber für das Wachstum der Früchte und das Gelingen unserer Vorhaben bleiben wir auf Kräfte und Rahmenbedingungen angewiesen, die wir nicht selbst schaffen können. Von der Saat zur Ernte ist es eine lange Zeit. Die Saat muss aufgehen, muss wachsen und gedeihen, Sonne und Regen müssen dazu kommen zur rechten Zeit und in der richtigen Menge. Diese Grundlagen unseres Lebens und Überlebens haben wir nicht in der Hand.

So dichtet Claudius dann weiter und in einer zweiten Strophe heißt es: „Er sendet Tau und Regen und Sonn- und Mondenschein, er wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein und bringt ihn dann behende in unser Feld und Brot: es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott.“ Claudius bekennt sich am Ende der Strophe zu seinem Glauben an Gott und im Kehrvers fügt er hinzu: „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt …“ Und so feiert auch die Kirche ein Erntedankfest: Zu unserem menschlichen Tun muss etwas hinzukommen, dass wir nicht in unserer Verfügung haben und wofür wir dankbar sein können.

Um das zu erkennen, muss man nicht unbedingt zur Kirche zu gehören; aber es ist doch gut, dass die Kirche die Menschen daran erinnert, sich bewusst zu machen, dass zum Erntefest immer auch die Dankbarkeit gehört. Wir in Müggelheim können froh sein, dass durch den Heimatverein und das von ihm mit viel Mühe und Liebe organisierte Erntefest mit seiner Freude und dem Festtrubel der Erntedank nicht auf die christliche Gemeinde beschränkt bleibt, wenn auch die christliche Gemeinde stellvertretend für alle Menschen den Dank vor Gott bringt.

So werden wir im Festtrubel nachdenken und fragen, stimmt der Satz, der so oft hingesprochen wird wirklich, dass einem im Leben nichts geschenkt wird?

Wer nachdenkt, muss einräumen: Das Gegenteil ist wahr. Es gibt so viel, was gut ist, das nicht auf unserem Tun gewachsen ist, das uns neben aller eigenen Mühe in den Schoß gefallen ist, das wir anderen verdanken. Es gibt vieles in unserem täglichen Sein und Leben, wofür wir danken können.

Mit Dank genießen ist doppelte Freude.