Vernichtender BER-Abschlussbericht

Martin Delius legte die Karten auf den Tisch

von Simone Jacobius

Gefragter Diskussionspartner: der Abgeordnete und BER-Untersuchungsausschuss-Vorsitzende Martin Delius


 

Der große Saal des Dorfklubs war gerammelt voll, als der Abgeordnete Martin Delius aus dem BER-Nähkästchen plauderte. Auf Einladung von BIM e.V., der Ortsgruppe des BVBB und dem Umweltkreis gab es am 16. Juni einen spannenden, informativen und teilweise – trotz der Ernsthaftigkeit des Themas – unterhaltsamen Abend.

Martin Delius, Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses, informierte aus seiner Sicht über Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Er verwies darauf, dass es einen sehr umfangreichen gemeinsamen Abschlussbericht des Ausschusses und drei Sondervoten der Fraktionen der Grünen, der Linken und ihm selbst gibt. Diese Sondervoten wurden notwendig, weil es besonders in der Beurteilung der politischen Verantwortung der Geschäftsführungen, der Aufsichtsratsvorsitzenden und des Aufsichtsrates sowie der Ursachen für die geplatzten Eröffnungstermine sehr unterschiedliche Positionen gab. Die Vertreter der Regierungskoalition versuchten durch Änderungen des Entwurfs des Abschlussberichtes, Aussagen zur Verantwortung des Senats und des ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Wowereit zu verwässern oder zu verhindern.

Martin Delius stützte sich in den Ausführungen auf sein – durchaus nachlesenswertes – Sondervotum. Er stellte gleich zu Beginn fest, dass der Ausschuss keine richterlichen Befugnisse hat und es folglich auch nicht um Urteile gehe. Es konnte also nur ein umfangreicher Einblick der Abgeordneten in das Innenleben eines milliardenschweren Großprojektes, in sein Zustandekommen und in die Entscheidungsstrukturen und –abläufe herauskommen, die an der Eignung der wichtigsten Akteure berechtigte Zweifel aufkommen ließen. Entstanden ist ein Dokument, das vor allem Uneinsichtigkeit, Arroganz, Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit von Managern und Politikern nachweist und das historisch anmutende Scheitern eines größenwahnsinnigen Projektes mit all seinen Skandalen, Pannen und Pleiten belegt.

Bevor Delius diese Feststellungen an ausgewählten Beispielen aus der Ausschussarbeit und dem Bericht sehr anschaulich belegte, verwies er knapp auf die wichtigsten Feststellungen aus dem Bericht.

  • Die Wahl des Standortes war aus fachlicher Sicht falsch und lediglich politisch begründet (allerdings konnten sich die Vertreter der Koalition von SPD und CDU dieser klaren Aussage im gemeinsamen Bericht nicht anschließen).
  • Das Planfeststellungsverfahren lief nicht objektiv, weil es zu stark von den Interessen der Flughafengesellschaft dominiert wurde.
  • Geschäftsführung und Aufsichtsrat tragen unter anderem mit den zahlreichen Änderungsanordnungen Verantwortung für die Zeitverschiebungen und zahlreiche Pannen.
  • Der Aufsichtsrat hat zugelassen, dass es über weite Phasen kein sachkundiges Controlling gab und damit sowohl die Terminverschiebungen als auch das Ausufern der Kosten unvermeidbar waren.

Als herausragendes Beispiel für die Unfähigkeit, Arroganz und Uneinsichtigkeit zitierte er mehrere Beispiele aus der Anhörung der ehemaligen Geschäftsführer Schwarz und Körtgen und verwies darauf, dass der Aufsichtsrat den neuen Eröffnungstermin für März 2013 ohne Analyse des Scheiterns des Eröffnungstermins 2012 und ohne Kenntnis der tatsächlichen Situation auf der Baustelle beschloss.

Ausführlicher beschäftigte sich Delius mit der Tatsache, dass es für die Nichteröffnung 2012 genügend rechtzeitige Warnungen gegeben hatte, die aber alle von der Geschäftsführung und vom Aufsichtsrat in den Wind geschlagen wurden. So erläuterte er, dass der eingesetzte Construction Manager, die Firma Drees & Sommer, bereits 2008 detailliert begründete, warum weder der angestrebte Eröffnungstermin noch die eingeplanten Kosten auch nur annähernd realistisch seien. Ergebnis dieses Gutachtens, das insgesamt 695 Millionen Euro kostete, war: Die Geschäftsführung feuerte die Firma. Er gab weitere Beispiele, bei denen es den Gutachtern, die kritisch die Situation analysierten, wie die Firma Mc Kinsey, ähnlich erging.

Als Beispiele für den Realitätsverlust der Verantwortlichen führte er u.a. an, dass Wowereit auch im Nachhinein die Trennung von der pg bbi als Generalunternehmer verteidigte, obwohl alle sachkundigen Einschätzungen und die entstandenen Tatsachen das Gegenteil bewiesen. Oder, dass Hinweise der Finanzverwaltung des Senats für die Kontrolle und Aufsichtspflicht von den Aufsichtsratsmitgliedern Wowereit und Henkel systematisch ignoriert wurden und man auf externe Sachverständige verzichtete. Wert legte der Referent auch auf die Feststellung, dass die Struktur der Leitung des Projektes von Anfang an ein Grund-

übel war und ist. Das heißt, mit dem Ausscheiden des Generalunternehmers gab es immer mehr (bis zu 39) Einzelprojekte, die auch gesondert geführt wurden ohne Einordnung in das Gesamtprojekt. Auch dafür nannte er einige – teilweise haarsträubende – Beispiele, wie u.a. die Vorbereitung des Probebetriebes.

Auf entsprechende Anfragen aus dem Publikum antwortete Delius, dass der Bericht ganz sicher keine unmittelbare Hilfe für den Kampf der Bürgerinitiativen gegen den Standort oder für ein erweitertes Nachtflugverbot gibt, aber er sei ein "Lehrstück" dafür, dass man nicht zulassen darf, dass bei einem solchen Projekt, bei dem es um Kosten von mehreren Milliarden und die Lebensbedingungen von mehreren zehntausend Menschen gehe, das Parlament völlig außen vor bleibt. Er schilderte, dass SPD und CDU bis heute eine tatsächliche Kontrolle des Baus des BER durch das Parlament verhindern. Hier könnten alle Bürger mehr Engagement und Rechenschaft von den von ihnen gewählten Parteien und Abgeordneten in Zukunft einfordern.

Ein Aufruf, den wir alle – noch in Vorbereitung der Wahlen – ernst nehmen können und sollten. N.G.