Unhaltbare Zustände in Äthiopien

Chanka-Kreis ließ sich von Augenzeugen berichten

von Sabine Bock

Der Äthiopienarbeitskreis besteht seit 2001 und ist nach der Region Chanka in Äthiopien benannt. Die Evangelischen Gemeinden Müggelheim und Schmöckwitz setzen sich seit vielen Jahren dafür ein. Neugierig wollten wir den Weg unserer Spendengelder nach Äthiopien verfolgen. Weit über unsere Hilfsbereitschaft gewannen wir Freunde in Äthiopien. Ein weites, aber innig gespanntes Band der christlichen Gemeinde verbindet uns bis heute.

Erst vor einigen Tagen trafen sich auf Einladung unseres ehemaligen Pfarrers Siegfried Menthel, Gemeindemitglieder aus Müggelheim und Schmöckwitz, um bei einem Vortrag und einem Besuch einer Familie aus der Region Oromia in Äthiopien miterleben zukönnen, was es bedeutet, in Äthiopien politisch verfolgt zu sein.

Die Evangelische Kirchengemeinde in Schmöckwitz und ihre zahlreichen Unterstützer setzten sich über einen langjährigen Zeitraum für ein politisches Asylverfahren der äthiopischen Familie ein.

In diesem Zusammenhang möchte ich über die ernsthaften Geschehnisse in Äthiopien und der Unterdrückung der Oromo berichten. Der Chanka-Kreis würde sich aber auch gern über ihre Unterstützung oder eine Spende freuen: http://www.help-ethiopia.org/kontakt.php

Verhaftungen und Todesfälle bei den Oromo in Äthiopien

Bei Kundgebungen gegen Diskriminierung und wirtschaftliche Ungerechtigkeit auf dem „Meskel“-Platz gab ein großes Polizeiaufgebot. Die Demonstranten riefen Parolen, wie „Wir wollen unsere Freiheit“ und „unsere politischen Gefangenen sollen frei sein“. Sie wurden von der Polizei mit Schlagstöcken attackiert und versucht zu vertreiben. Das zeigt auch ein Video der Nachrichtenagentur Aljazeera. Premierminister Hailemariam Desalegn kündigte an, ein Verbot von Demonstrationen zu erlassen. Er verkündete, dass die „nationale Einheit bedroht“ sei, und rief die Polizei dazu auf, alle Mittel die zur Verfügung stehen einzusetzen, um Demonstrationen zu verhindern.

Die Kundgebungen in der Hauptstadt wurden von Oppositionsgruppen der Oromo, welches die größte ethnische Gruppe in Äthiopien darstellt, unterstützt. Die Proteste sind bereits seit einigen Monaten im Gange und richten sich gegen die Diskriminierung durch die „Tigray“ in vielen Bereichen der Verwaltung und in der Regierung. Sie haben trotz des Demonstrationsverbotes weitere Proteste in anderen Teilen des Landes angekündigt. Die Zahl der Todesopfer bestätigen äthiopische Behörden nicht. Allerdings ist bereits Anfang des Jahres bekannt geworden, dass es bei zahlreichen Demonstrationen der ethnischen Gruppen in der Region der Oromia zu vielen Toten gekommen ist.

Gewaltsame Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte

„In den letzten drei Monaten wurden mehr als 140 Menschen getötet. Hunderte wurden verwundet, Tausende verhaftet.“ Das war die staatliche Antwort auf Demonstrationen der Volksgruppe der Oromo in Äthiopien, bestätigten politische Flüchtlinge.

Bereits im Februar forderten einige Mitglieder der Oromo-Gemeinde in Frankfurt am Main öffentlich: „Wir fordern die politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland auf, sich bei der äthiopischen Regierung für die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen.“ Außerdem ginge es darum, einen konstruktiven Dialog mit den Betroffenen, der Zivilgesellschaft und der verfolgten Opposition anzuregen. Eine weitere Forderung bezieht sich auf die Freilassung der zu Unrecht Verhafteten sowie die Aufklärung der gewaltsamen Übergriffe durch Militär und Polizei auf Demonstrierende. „Nur auf demokratischem Wege und unter Einhaltung der Menschenrechte kann es eine dauerhafte Lösung der gegenwärtigen Probleme in Äthiopien geben“, heißt es in der Mitteilung. 

Gisela Egler-Köksal von der Oromo-Gemeinde teilte mit, dass „auch Kinder ins Gefängnis gesteckt, Schulen und Universitäten geschlossen wurden. Da sind auch Freunde und Bekannte unserer hier lebenden Oromo betroffen.“ Hintergrund für die gewaltsamen Auswirkungen ist der sogenannte „Masterplan“. Dieser sehe eine großflächige Ausweitung des Bundeslandes Addis Abeba auf Kosten des Bundeslandes Oromia vor. Außerdem solle das Bundesland in zwei Teile aufgespaltet werden, was die Vertreibung von großen Teilen der lokalen Bevölkerung vorsehe.

Verschärfend kommt eine drohende Hungersnot hinzu, die sich in dem Wetterphänomen „El Nino“ begründet. Dieses führt in diesem Jahr zu einer „gravierenden Dürreperiode, Ernteausfällen und Tiersterben“ in Äthiopien. Die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) geht davon aus, dass 10,2 Millionen Äthiopier dadurch an Ernährungsunsicherheit leiden. Das Frühwarnsystem für Hungersnöte FEWSNET warnt sogar, dass die Zahl bis Ende des Jahres 2016 auf 18 Millionen steigen kann.“ 

Durch „Landgrabbing“ verlieren die Bauern ihr Land

Die Ausweitung der Flächen des Landes auf Kosten der Oromo ist mit dem geltenden Recht in Äthiopien vereinbar. Denn in Äthiopien gehört das Land dem Staat, nicht Privatpersonen. Von daher kann der Staat darüber verfügen. Den Bauern wird das Land weggenommen und beschlagnahmt, um es an internationale Konzerne zu verpachten. Die Einnahmen erhält dann der äthiopische Staat. So würden beispielsweise Obst und Blumen für europäische Kunden dort angebaut. Den vor Ort lebenden Bauern fehle dadurch ihre Existenzgrundlage. Die Studenten und Kinder der Bauern protestieren gegen diese Beschlagnahmung und kommen dann ins Gefängnis oder werden sogar getötet.