Gedanken aus Müggelheim

von Dr. Henny Deda

Als Detmold (NRW) noch den Mittelpunkt meines Arbeits- und Lebensraums bildete, schenkte ich dem Bau des neuen Hauptstadt-Flughafens BER wenig Beachtung – obwohl ich gebürtige Berlinerin bin. Seit 2008 lebe ich wieder in Berlin und verfolge seitdem die Entwicklung des BER mit großem Interesse. 2011 zog ich mit meinem Mann nach Müggelheim und nun stellt sich das Flughafengeschehen für mich nochmals anders dar. Mir war bewusst, dass die Flugrouten über Müggelheim verlaufen werden. Habe ich jetzt das Recht zur Beschwerde!?
Was mich aber dann doch sehr erstaunt, ist die Tatsache, dass der Naturschutz über den Menschenschutz gestellt wird!
Der homo sapiens soll bekanntlich das intelligenteste Lebewesen auf Erden sein. Warum zerstört er bekanntermaßen die Natur, in der er lebt? Eine Frage, die gerade in der heutigen Zeit aktuell ist. Denken wir an die vielen Naturkatastrophen und die sich daraus ergebenen Folgen. Damit verbundene Schicksale sind herzbewegend, und wir „Zuschauer“ können das Geschehen oft nicht wirklich erfassen. Daher sollte Naturschutz eine wichtige Angelegenheit für alle sein – wir leben in und von der Natur, und nur wir können den Lebensraum von Tieren und Landschaften schützen. Die Verordnung über das neue NSG „Müggelspreeniederung Köpenick“ trägt dem Rechnung.
Stutzig bin ich nach dem Lesen des Entwurfes trotzdem geworden. Es geht u.a. um die Erhaltung wild lebender Vogelarten, Moorwälder, Erlen-Eschen und Weichholzauenwälder. Unter dem §4 Abs. 2 steht: „Erhaltung und Verbesserung der Bedingungen, die es den Vogelarten nach §3 Abs. 1 Nr.1 und Abs. 2 Nr. 4 und 5 ermöglichen, insbesondere das Vogelschutzgebiet in ausreichender Anzahl, Ausdehnung und Dauer zur Vermehrung, Mauser, Überwinterung, Rast und Nahrungsaufnahme, zum Ruhen und Schlafen zu nutzen“. Ein weiteres „Schmankerl“ aus der Verordnung: §6 Verbotene Handlungen Nr. 25 „motorbetriebene Flugmodelle wie Flugzeuge, Drohnen und andere Flugkörper fliegen zu lassen oder motorbetriebene Fahrzeugmodelle oder Motorboote fahren zu lassen“.
Liebe Leserinnen und Leser, lassen Sie bitte diese Sätze einmal sacken, auch wenn Sie nicht direkt betroffen sind. Auch wir (Menschen) brauchen Ruhe und ausreichend ungestörte Schlafenszeit, um ein Studium oder den Beruf angstfrei zu bewältigen und ein ausgeglichenes Privatleben zu führen. Diverse Studien belegen, dass Dauerstress und Lärm sich auf alle Bereiche des (auch menschlichen) Lebens negativ auswirken und gesundheitliche Probleme daraus resultieren, wenn die Erholungsphase fehlt. Es stellt sich für mich die Frage: Sind wir Menschen in der unmittelbaren Umgebung von Flughäfen in der Unterzahl und finden deshalb keine Beachtung in der Verordnung?
Die Umsiedlung nur einer eingewanderten Echsenart (siehe Stuttgart 21) kostet zwischen 2000 und 8000 Euro. Wir erhalten aus dem Schallschutzprogramm des BER nur Schalldämmlüfter im Wert um 400 Euro genehmigt, um unsere Nachtruhe zu sichern. Ein Witz – nein traurige Realität.
Der eigene, oft eingeschränkte Blickwinkel ändert sich, wenn wir plötzlich selbst betroffen sind. Gewählte Politiker sollten aber immer alle Sichtweisen bei einem Vorhaben berücksichtigen und nicht eigene parteipolitische Entscheidungen in den Vordergrund stellen. Ignoranz schadet immer – siehe letztes (trauriges) Wahlergebnis in Berlin.Mein persönliches Resümee: Ist der homo sapiens doch nicht so schlau und gräbt sich sein eigenes Grab? Gibt es irgendwann ebenfalls eine wünschenswerte Verordnung über „Naturschutzgebiet Mensch“?