Gedanken aus Müggelheim

von Simone Jacobius

"Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel."

Dieser Spruch, der von Johann Wolfgang von Goethe stammen soll, der aber vermutlich schon viel älter ist, gewinnt für mich zur Osterzeit immer an besonderer Bedeutung. Den Kindern Wurzeln geben, ja, ganz wichtig. Für mich gehören dazu auch Traditionen. Sie sind die schönste Art von Wurzeln für mich, etwas, an dem man sich festhalten kann, auf das man sich ein ganzes weiteres Jahr freuen kann. Ist denn nicht Vorfreude etwas Wunderschönes? Natürlich sind Wurzeln aber auch die uneingeschränkte Liebe, die Eltern für ihre Kinder empfinden. Die Basis grenzenlosen Vertrauens, das Vermitteln: Wir sind immer für euch da, wie viel Mist du auch baust, wie sehr du mich auch schon verletzt hast. Wir benötigen Wurzeln, um fest stehen zu können, auch wenn es um uns herum stürmt und tobt. So können wir lebensfroh und tatkräftig durchs Leben gehen. Leider sind viele Menschen dazu heute nicht mehr in der Lage, da sie selbst zu den "Entwurzelten" gehören.

Doch zurück zu den Traditionen und zu Ostern. Für uns gehört die Ostereiersuche zu jedem Osterfest dazu. Es gibt ein opulentes Osterfrühstück, einen bestimmten Osterkuchen und ein wunderbares Ostermenü. Dazwischen bleibt noch viel Zeit für gemeinsame Gespräche, Spaß und Action. Auch wenn die Kinder inzwischen groß sind, das morgendliche Verstecken der Osternester gehört immer noch dazu, auch wenn die Jungs inzwischen gestandene Mannsbilder sind. Alle Generationen tapern zum Teil im Bademantel zu früher Stunde durch den Garten und suchen unter großem Gejauchze Sträucher und Ecken nach den raffiniert versteckten Kleinigkeiten ab. Auf die Frage, ob man diesen Brauch denn wirklich noch weiter betreiben wolle, hieß es: Na klar doch, das ist doch Tradition bei uns! Ist das nicht schön? Solche Traditionen haben wir übrigens auch zu unseren Geburtstagen und zu Weihnachten. Ich denke, das Festhalten an Traditionen könnte auch "Entwurzelten" wieder neue zaghafte Wurzeln verleihen. Probieren Sie es doch mal aus...

"Wurzeln und Flügel" – ich finde, Liebe und Traditionen sind wunderbare Wurzeln für Kinder. Und die Flügel? Tja, man muss sie auch alleine in die weite Welt hinaus lassen, abseits des elterlichen Zugriffs. Sie müssen die Welt mit Neugier selbst entdecken dürfen, ohne dass sie in behütender Sorge ständig ausgebremst werden. Manchmal geht etwas schief, manches Mal kommt Mist dabei heraus. Aber eigene Erfahrungen machen klug. Und diese Erfahrungen müssen Kinder einfach machen dürfen – als Kinder und als junge, unfertige Erwachsene, in der Schule, Zuhause und auf Reisen.