Lenin ohne Kopf

Gebeine werden vor Souvenirjägern geschützt

von Simone Jacobius

Lenin ist wieder auferstanden. Fast heimlich – wenn man von dem großen Bahnhof an seinem Zielort absieht. Aber hier bei uns, wo er seit 1991 Asyl gefunden hatte, verschwand er klammheimlich. Gerademal etwa 20 Menschen war es gestattet, bei seinem Umzug dabei zu sein. Inzwischen ist das Loch wieder zugebuddelt. Alle Spuren verwischt. Fast jedenfalls. Nach mehr als 24 Jahren in der Erde in unserem Wald ist der knapp vier Tonnen schwere Granitkopf des russischen Revolutionärs freigelegt und mit einem Laster (verhüllt, denn es war ja heimlich) zur Zitadelle Spandau gebracht worden. Dort findet er, losgelöst von seinen anderen Gliedmaßen, eine neue Heimatstatt – und Gesellschaft. Steht er doch dort gemeinsam mit anderen Standbildern, beispielsweise denen ehemaliger preußischer und brandenburgischer Fürsten, in der Ausstellung "Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler".

Eigentlich wollte der Senat Lenin nicht so einfach freigeben. Die ursprüngliche Begründung lautete, man wisse nicht genau, wo das monumentale Denkmal vom Leninplatz in Friedrichshain vergraben sei. Uns Müggelheimer hat keiner gefragt. Viele von uns hätten die Antwort geben können…

Weil sich dieses Argument auch ohne Befragung der Müggelheimer nicht aufrecht erhalten ließ, wahrscheinlich gab es auch im fernen Berlin zu viele Mitwisser, mussten nun die Zauneidechsen her. Ja, die kleinen possierlichen Tierchen sind schützenswert und sie hatten es sich gerade auf Lenins Kopf so fein gemütlich gemacht. Augenhöhlen, Nasenlöchen, Nasenrücken, Ohrmusscheln – es war das reinste Spielparadies für die Tierchen. Doch sie wurden von treusorgenden Naturschützern rasch umgesiedelt auf einen Nachbarhügel. Wer weiß, vielleicht war es Lenins Ellbogen, oder die Schulter? Mehr als 100 Teile der einst vom Sockel gestürzten Riesen-Statue sind in einem "Wald im Südosten Berlins" begraben, wie es immer so schön nebulös heißt. Nein, werte Förster, ich werde nicht verraten, wohin der Tieflader hier in Müggelheim gefahren ist und auch nicht, welches Ziel die Polizeiwagen hatten…

Viele kennen die ursprünglich 19 Meter hohe Statue aus dem Film "Good Bye, Lenin!", in dem das abgebaute Denkmal quasi als Niedergang der DDR, davon schwebte. Sie war ursprünglich in aller Heimlichkeit in den Wäldern Müggelheims vergraben worden, damit die Statue nicht zum Wallfahrtsort oder zur Jagdstätte von Souvenirjägern wurde. Nun wird der 1,70 hohe Leninkopf Kernstück der Ausstellung in der Zitadelle Spandau werden. Wann die Ausstellung eröffnet wird, ist noch unklar. Aber dann werden sicherlich viele "unserem" Lenin einen Besuch abstatten.

Und über seine Gebeine wird mit den Jahren wieder Gras wachsen. Noch ist das Gelände abgesperrt, aber wenn die Natur es komplett zurück erobert hat, wird es wieder freigegeben. So lange werden die Förster ein wachsames Auge auf den hier gebliebenen Teil Lenins haben.